"Alex" allein im Ruhrpott
Der Mann ist sauer. Stinksauer. Das Drehbuch geht ihm gewaltig auf die Nerven. "Jetzt sitz ich hier und kann nichts machen", grantelt er und nennt den Grund seiner Unzufriedenheit, "die Achillessehne ist entzündet." Alexander Lubina, der deutsche 10.000-Meter-Meister, wähnt sich im falschen Film.
Alexander Lubina muss momentan zwangspausieren (Foto: Kiefner)
"Die anderen trainieren in Portugal, und ich bin verletzt." Tja, seine Laufkumpels vom TV Wattenscheid 01 bereiten sich in Albufeira ehrgeizig auf die nächsten Aufgaben vor. Und Lubina? Er spielt in diesen Tagen die Hauptrolle in "Alex allein im Ruhrpott" und fragt sich, wann die verflixte Sehne wohl wieder schmerzfrei ist. "Ich weiß auch nicht, wie lange es noch dauert. Schon sehr ärgerlich, das alles, denn ich war so gut drauf", sagt er gefrustet und hofft jetzt auf ein schnelles Happy-End in dieser leidigen Geschichte.Das alte Jahr hatte ihm noch mal ein Highlight beschert. In Trier sorgte "Alex", so sein Spitzname, beim Silvesterlauf für den Böller des Tages, als er knapp geschlagen hinter dem Kenianer Wilson Chemweno das zweite Preisgeld einkassierte. "Das Rennen hat Laune gemacht", schaut er zurück, "das lief optimal." Seine finstere Miene hellt sich wieder auf. "Kurz danach sind wir dann ins Trainingslager geflogen." Da wollte er richtig klotzen. Doch es sollte anders kommen.
Dem Schmuddelwetter entflohen
Die Combo aus Wattenscheid entfloh dem Schmuddelwetter in deutschen Landen und entzückte sich am angenehm milden Klima, das im Süden Portugals angesagt ist. Ihr genaues Ziel: Albufeira, eine Küstenstadt an der Algarve. Tono Kirschbaum, Chefcoach beim TVW 01, spielte in der ersten Woche den Reisemarschall und gab seinen Leuten detaillierte Laufprogramme in die Hand.
Albufeira ist ideal zum Trainieren. Hier gibt's alles, was das Läuferherz begehrt: einen breiten, lang gezogenen Strand, der durch einen Tunnel von der Altstadt aus zugänglich ist, im Osten den Strand der Fischer, Praia dos Pescadores, wo die Fischerboote liegen, außerdem eine Kunststoffbahn und im Landesinneren ausgedehnte Wege, auf denen sich wunderbar trainieren lässt.
In der Laufszene hat sich längst herumgesprochen, welche Vorzüge Albufeira gerade in den Wintermonaten bietet. "Wir Wattenscheider wohnten im Hotel Rio Falesia", erzählt Lubina, "da waren noch mehrere Deutsche untergebracht." Irina Mikitenko beispielsweise. Sie holt sich hier den letzten Schliff für die Halle. Sabrina Mockenhaupt, die mit Franek Haschke und René Herms im Hotel Alfamar eingecheckt ist, trainiert für die Cross-Rennen. "Insgesamt zehn Tage war ich in Portugal", rechnet Lubina durch, "bis die Beschwerden kamen."
Erst 185 Kilometer, dann Verletzung
Mit seinen beiden Klubkollegen Jan Fitschen und Carsten Schütz hat er kräftig Kilometer gebolzt. "185 in der ersten Woche", erklärt Lubina, "das war keineswegs zu viel." Dreizehn Einheiten sind dabei zusammen gekommen. "Zwölf Belastungseinheiten bin ich gewohnt", fügt er hinzu, "und ein solches Kilometer-Pensum habe ich schon des öfteren bewältigt." Auch die Muskeln sendeten keinerlei Warnsignale. "Sie waren nicht härter als sonst."
Aber trotzdem kam auf einmal der Schmerz beim lockeren Dauerlauf. "Von jetzt auf gleich", erinnert er sich, "das war am letzten Sonntag, und dann habe ich drei Tage komplett ausgesetzt." Als keine Besserung in Sicht war, setzte er sich mit langem Gesicht am Mittwoch in den Flieger und düste heimwärts, wo Dr. Andreas Falatzik, der Wattenscheider Vereinsarzt, schon auf ihn wartete. "Laut Ultraschall ist es nichts Ernstes", bemerkt Lubina, der gleichwohl ein komisches Gefühl hat, "wir kennen die genaue Ursache nicht, wissen nicht, wo die Beschwerden herrühren."
Blinder Ehrgeiz nur schädlich
An Laufen ist nicht zu denken. Alexander Lubina hält sich nun mit Aquajogging über Wasser. "Ich bin Stammgast im Unibad", meint er mit gequältem Grinsen, "bisher ist noch keine Besserung in Sicht." An die beiden Crossläufe in Haltern-Sythen und in Diekirch, also das gleiche Programm wie vor zwölf Monaten, verschwendet der Pechvogel momentan keine Gedanken. "Erst mal abwarten, bis die Achillessehne wieder hundertprozentig belastbar ist." Lubina ist vorsichtig geworden, wohlwissend, dass blinder Ehrgeiz nur schaden würde.
Das sportliche Fernziel behält er trotz aller Rückschläge fest im Auge. "Ich arbeite auf die European Challenge hin", sagt der einstige Orientierungsläufer, der im Herbst sogar an den Europameisterschaften teilgenommen hat, "der 10.000-Meter-Wettkampf findet diesmal in Athen statt." Dafür muss er sich allerdings noch qualifizieren. "Erforderlich ist eine 10-Kilometer-Zeit unter 29 Minuten auf der Straße oder eine Platzierung unter den ersten Vier bei den Deutschen Cross-Meisterschaften", weiß er um die Bedingungen, die der DLV stellt, "beides ist machbar."
Der 23-jährige Student der Wirtschaftswissenschaften, der im fünften Semester an der Uni Bochum eingeschrieben ist, hat den Optimismus noch nicht verloren. "Wichtig ist, dass die verflixte Sehne hält", meint er, "der Trainingsrückstand ist bis dato noch zu verkraften." Doch allzu lange darf die Pause nicht mehr andauern, dann würde auch ihm die Zeit davon laufen.