
Alex Schaf auf dem Weg zurück
Eine grippale Viruserkrankung kostete Alex Schaf (VfB Stuttgart 1893) die Teilnahme an der Hallen-WM in Sopot (Polen). Nach fast zweijähriger Verletzungsodyssee schien sich die Pechsträhne des zweitschnellsten Deutschen Sprinters dieser Hallensaison fortzusetzen. Mit etwas Abstand fällt das Fazit dennoch positiv aus: Alex Schaf hat den Anschluss an die deutsche Spitze geschafft, trotz Doppelbelastung und zeitweiligem Motivationsloch.
Der Frust saß tief beim Wahl-Stuttgarter, als er die Teilnahme an den Hallen-Weltmeisterschaften absagen musste. In Leipzig bei den Deutschen-Hallenmeisterschaften hatte sich bereits abgezeichnet, dass der Körper etwas ausbrütete. „Ich hatte schon im Vor- und Zwischenlauf Krämpfe. Dann habe ich mir gesagt: Lauf einfach so gut es geht und schau, was passiert.“ Das Resultat: Rang drei in 6,64 Sekunden hinter Christian Blum (TV Wattenscheid 01; 6,61 sec) und Lucas Jakubczyk (SCC Berlin; 6,61 sec).
Nach den Seuchenjahren 2012 und 2013 ein gutes Ergebnis. Immerhin war die Finalzeit um sechs Hundertstelsekunden schneller als seine Hallen-Bestzeit (6,70 sec) aus dem Jahr 2011. So richtig freuen konnte sich Alex Schaf aber dennoch nicht. „Die Vorzeichen waren deutlich besser. Nach meiner Bestzeit [6,59 sec; Anm. d. Red.] in Sindelfingen war ich mir sicher, noch etwas drauflegen zu können.“ Doch dann kam die Grippe und beendete die Hallensaison und den Traum von einer erneuten Bestzeit. Auch die anschließende B-Kader-Nominierung war nur ein schwacher Trost.
Aufgeschoben ist aber bekanntlich nicht aufgehoben, und so lautet die Zielsetzung für die Freiluftsaison: Verpasstes nachholen, Bestzeit verbessern. Die liegt bei 10,20 Sekunden und brachte Alex Schaf 2011 das Ticket für die WM in Daegu (Südkorea). Was das vorläufige Karriere-Highlight hätte werden können, wurde zum Beginn einer langen Durststrecke. Nach verpatztem Staffelwechsel schied das DLV-Quartett in Vorlauf aus.
Verletzungsjahre
Nach der WM wurde Alex Schaf zwar im Oktober 2011 in den DLV-Kader berufen, doch dann folgten Verletzungen und ein kontinuierlicher Leistungsrückgang. Die Spitzensportförderung in der Sportfördergruppe der Bundeswehr konnte daher 2012 nicht verlängert werden, und aufgrund seiner Leistungen konnte der bullige Sprinter Ende September 2013 auch für den Sprintkader des DLV nicht berücksichtigt werden.
„Diese Zeit war schon extrem bitter“, sagt Alex Schaf rückblickend. „Der Frust war riesig. Danach kam erst einmal eine Null-Bock-Phase und ich habe mich ernsthaft gefragt, warum ich mir den ganzen Stress überhaupt noch antue.“
Stein sieht „Athlet mit Potential“
Bundestrainer Ronald Stein kann die Reaktion des Stuttgarters durchaus verstehen, hält seine damalige Entscheidung aber dennoch für fachlich richtig und angemessen. „Alex war fast zwei Jahre immer wieder verletzt und konnte die geforderten Leistungen nicht erbringen", erklärt er, fügt aber auch hinzu: "Natürlich ist er ein Athlet mit Potenzial. In Weinheim im letzten Jahr hat er dies erneut angedeutet."
Was die Kaderzugehörigkeit betraf, habe er eine Entscheidung treffen müssen. "Das war gerade angesichts des Konkurrenzdrucks im Sprintbereich schwierig. Wir hatten viele junge Athleten mit erfülltem Kaderrichtwert und guter Perspektive. Ich musste sportfachlich abwägen und habe das getan.“ Dass eine solche Entscheidung für den Betroffenen vielleicht nicht nachvollziehbar sei, ändere nichts an ihrer Richtigkeit.
„Es geht auch darum, die mir zur Verfügung stehenden Mittel im Sinne der internationalen Staffel- und Einzelziele im Sprint effektiv einzusetzen“, erklärt Ronald Stein. „Dabei ist es wichtig, dass ich neben der Einzelleistung, der Wechsel- und Staffel-Integrationsfähigkeit auch die Kadergröße im Blick behalte. Täte ich das nicht, würde sich der Kader mit der Zeit aufblähen und die Ressourcen würden zu sehr gestreckt werden. Damit wäre niemandem geholfen.“
Dienst in der Kaserne
Trotz ihrer Plausibilität trifft diese Entscheidung Alex Schaf. Die Freistellung bei seinem Arbeitgeber, der Bundeswehr, ist nun nicht mehr möglich, Fördergelder fallen weg. Somit ist Alex Schaf wieder normaler Soldat mit gewöhnlichen Arbeitszeiten in der Bundeswehr-Kaserne in Bad Cannstatt.
Der Spagat zwischen Training und Dienst ist ein Kraftakt. „Ich stehe um fünf Uhr morgens auf und komme abends gegen neun nach Hause. Dann habe ich vielleicht noch eine Stunde mit meiner Freundin, bevor ich ins Bett falle“. Für Privatleben bleibt bei diesem Rhythmus kaum Zeit. Auch deshalb, da ist sich Alex Schaf sicher, ist die Doppelbelastung keine Dauerlösung.
Ziel Sportfördergruppe
„Ich investiere enorm viel in den Sport, merke aber, dass mir meine Berufstätigkeit klare Grenzen setzt.“ Sich unter diesen Voraussetzungen auf internationale Großereignisse vorzubereiten, sei eine Gratwanderung. Doch jammern will Alex Schaf nicht. „Ich mache es ja freiwillig. Es macht mir weiterhin Spaß und ich merke, dass ich noch Potential habe.“ Allein die Ausgangslage möchte der 26-Jährige möglichst bald verbessern.
„Das Ziel muss sein, wieder in Sportfördergruppe aufgenommen zu werden. Nur so kann ich meinen Sport professionell betreiben. Dafür arbeite ich hart.“ Das ist auch Ronald Stein nicht verborgen geblieben, der positive Signale sendet. „Wir sind mit der Bundeswehr im Gespräch und optimistisch, dass Alex zumindest für Trainingslager und Lehrgangsmaßnahmen hinreichend freigestellt wird.“ Eine Wiederaufnahme in die Sportfördergruppe ist während des laufenden Wettkampfjahres dagegen nicht möglich.
Doch Ronald Stein sagt, dass die Türen nicht verschlossen sind. „Wenn Alex im Sommer über 100 Meter die Leistung bringt, die er in der Halle bereits angedeutet hat, dann sehe ich durchaus Chancen. Absolute Mindestvoraussetzung ist die Erfüllung des Richtwertes für Top-Team-Athleten und eine Integration in den Top-Team-Staffelpool.“
Traum von Zürich
Bis dahin kämpf Alex Schaf mit den Herausforderungen und Schwierigkeiten seines selbsterklären Hobbysportler-Daseins. „In drei Wochen geht es ins Trainingslager. Momentan ist das Problem, dass ich bereits Ende März meinen kompletten Jahresurlaub aufgebraucht habe.“ Das bedeutet Überstunden sammeln, um frei nehmen zu können. Und weil für Überstunden angesichts eines straffen Zeitplans eigentlich kein Spielraum ist, heißt das, Trainingseinheiten verschieben, improvisieren, Zusatzschichten an den Wochenenden. „Gut, dass mein Trainer Micky Corcule mir den Rücken freihält und sich um die Planung kümmert.“
So kann sich Alex Schaf auf sein Saisonziel konzentrieren. „Ich will draußen Bestzeit laufen“, sagt er selbstbewusst, fügt jedoch hinzu: „Nach den letzten beiden Jahr will ich zuallererst einmal gesund bleiben.“ Und nach verpasster Hallen-WM ist die Motivation umso größer, bei der Freiluft-EM dabei zu sein. Doch die Verletzungsmisere hat Alex Schaf auch deutlich gemacht, wie schnell alles vorbei sein kann.
Auch deshalb hat sich der gebürtige Ukrainer bereits Gedanken über seine Zukunft gemacht. „Sollte die Saison nicht laufen, werde ich möglicherweise den Beruf in den Vordergrund stellen.“ Bis dahin gibt Alex Schaf Vollgas und feilt an seinem Start, dem Schlüssel im Rennen um seine sportliche Zukunft.