Alina Reh - Wie eine Schweizer Uhr
Drei deutsche Meistertitel gegen teils deutlich ältere Konkurrenz, dazu Platz fünf bei der U18-WM: Für Alina Reh war es eine perfekte Saison. Die 16-Jährige ist eines der größten Lauftalente im Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV). Wie kaum eine andere in ihrem Alter beherrscht sie die Fähigkeit, vom Start weg Tempo zu machen und dieses auch bis zum Ziel hoch zu halten.
Alina Reh kann es kaum erwarten, dass die Crosssaison endlich wieder losgeht. „Ich liebe Cross“, sagt die 16-Jährige, die bei den Läufen am 9. November in Pforzheim sowie am 24. November in Darmstadt versuchen wird, sich für die diesjährigen Europameisterschaften im Dezember in Belgrad (Serbien) zu qualifizieren.Die Chancen, dass der Lockenkopf vom TSV Erbach den Sprung ins DLV-Team packt, stehen nicht schlecht – schließlich hat Alina Reh das perfekte Trainingsrevier direkt vor der Haustür. Die Schülerin wohnt in Laichingen in der Schwäbischen Alb. „Bei uns ist es sehr hügelig und im Herbst und Winter oft ziemlich matschig“, erzählt sie.
Schnellste des Jahrtausends
Mit einem Erfolg im Gelände hatte sie im März auch das gelungene Jahr 2013 eingeläutet. Bei den Deutschen Crossmeisterschaften in Dornstetten gelang ihr in der U18 ein ungefährdeter Start-Ziel-Sieg. Es war ihr erster nationaler Meistertitel in dieser Saison, zwei weitere sollten folgen.
Besonders bemerkenswert war dabei vor allem der U20-Titel über 5.000 Meter Anfang Mai: In 16:27,05 Minuten lief Reh so schnell wie keine andere deutsche Jugendliche vor ihr in diesem Jahrtausend und ließ dabei die bis zu drei Jahre ältere Konkurrenz einfach stehen. Selbst die U20-Rekordhalterin über 2.000 Meter Hindernis, Maya Rehberg (SC Rönnau 74), hatte auf der Schlussrunde das Nachsehen.
Beste Europäerin
Ende Juli schließlich gewann Alina Reh auch noch Gold über 3.000 Meter bei den Deutschen Jugendmeisterschaften in Rostock, diesmal wieder in der U18. Abgerundet wurde die grandiose Saison von einem starken fünften Rang bei der U18-WM in Donetsk. Dort war die Erbacherin schnellste Europäerin (9:20,99 min).
Über ihre Mutter war sie mit sieben Jahren zum Laufen gekommen. Diese nahm ihre Tochter öfter mit auf die Laufrunde. Wenn sie Marathon lief, durfte Alina Reh bei den Bambinis starten. Schnell offenbarte sich ihr großes Talent. Mit zehn Jahren siegte sie bei einem Rennen im bayerischen Sonthofen über elf Kilometer – wohlgemerkt in der Frauenklasse! Ein Jahr zuvor hatte sie Olympiasieger Dieter Baumann am Rande einer Laufveranstaltung ihrer Schule ermutigt, auf jeden Fall weiterzumachen.
Auch heute noch trainiert Alina Rehs Mutter gelegentlich gemeinsam mit ihrer Tochter. Allerdings muss sie inzwischen das Fahrrad nehmen, um mit der Geschwindigkeit der 16-Jährigen mitzuhalten. 9:17,52 Minuten beträgt Rehs Bestzeit über 3.000 Meter, aufgestellt bei den Deutschen Jugendmeisterschaften in Rostock.
Vorbild: Meseret Defar
Dort offenbarte sich auch die große Stärke der Elftklässlerin: Sie beherrscht es wie kaum eine andere in ihrem Alter, von Beginn an ein hohes Tempo anzugehen und dieses aber auch bis zum Schluss zu halten. „Ich kann relativ lange gegen die Müdigkeit und gegen das Laktat anlaufen“, sagt Alina Reh.
In Rostock spulte sie die siebeneinhalb Runden wie ein Uhrwerk ab, trotz großer Hitze und obwohl sie weite Strecken des Rennens im Alleingang absolvieren musste. Verbesserungswürdig ist hingegen ihre Spurtfähigkeit. „Ich habe noch Defizite in der Schnellkraft“, bekennt sie. Ganz anders ihr großes Vorbild, die äthiopische Weltmeisterin Meseret Defar: „Ich bewundere ihre Schlussrunden“, sagt Alina Reh.
An der Schnelligkeit arbeiten
Eine leichtathletische Grundausbildung hat die Schülerin nie genossen. Zwar hat sie vier Jahre lang Fußball gespielt, doch geworfen, gesprungen und gesprintet ist sie nie. Ihr Metier war schon immer die Langstrecke gewesen. „Ich laufe viel im Wald“, erzählt sie. Daneben fährt sie Fahrrad, wandert und schwimmt, einmal in der Woche steht außerdem Krafttraining auf dem Programm. Fast immer ist sie dabei alleine mit ihrem Coach Michael Schwenkedel, der ebenfalls in Laichingen wohnt.
Mit den anderen Athleten des TSV Erbach trainiert Alina Reh hingegen nur selten. Derzeit läuft sie noch alle Strecken von 1.500 Meter bis 5.000 Meter, doch mittelfristig wird sie sich wohl auf die längeren Distanzen konzentrieren, auf denen sie sich größere Chancen ausrechnet. „Trotzdem werde ich in den kommenden Jahren auch weiterhin über 1.500 Meter starten“, sagt sie. „Denn eine schnelle Mittelstrecke ist ja auch für die Langstrecke hilfreich.“
Ziel: Olympische Jugendspiele
Angst davor, sich in die lange Liste der Nachwuchssportler einzureihen, deren Stern schon in jungen Jahren aufging und dann ebenso rasch wieder verglühte, hat Alina Reh nicht. Sie ist aber Realistin genug, um zu erkennen, dass nicht jede Saison so perfekt laufen wird wie die vergangene, und dass es auch Jahre geben wird, in denen ihre Leistung stagniert. „Dessen bin ich mir bewusst“, sagt sie. „Trotzdem hoffe ich, dass ich bei den Aktiven noch mit von der Partie sein werde.“
Dabei sein will der Teenager im August 2014 auch bei der zweiten Auflage der Olympischen Jugendspiele. Doch der Weg nach Nanjing (China) ist lang und beschwerlich: Zunächst einmal müsste Alina Reh zum Stichtag Anfang Mai die schnellste Deutsche über 3.000 Meter sein, um sich für die kontinentale Ausscheidung zu qualifizieren. Diese findet im Juni in Aserbaidschans Hauptstadt Baku statt. Nur die drei besten Europäerinnen schaffen von dort den Sprung zu den Jugendspielen.
Quelle: Leichtathletik - Ihre Fachzeitschrift