Ivet Lalova – Hoffen auf den nächsten Sommer
Zum zweiten Mal nach ihrem Beinbruch weilt die bulgarische Sprint-Sensation des vergangenen Jahres und aktuelle 200-Meter-Halleneuropameisterin, Ivet Lalova, zur Rehabilitation im Bonner Zentrum für Ambulante Rehabilitation (BZfAR). In dem Team um Leiter Andreas Stommel fühlt sich die flinke Bulgarin gut aufgehoben und feilt akribisch an ihrem Comeback.

Ivet Lalova schwerelos (Foto:BZfAR)
Für leichtathletik.de nahm sich die gut gelaunte Sprinterin etwas Zeit, plauderte über die vergangenen Monate und zeigte sich begeistert über die modernen Möglichkeiten im Bonner Reha-Zentrum.Bulgarische Medien sahen sich dazu veranlasst, nachzufragen, ob sie sich auf einen Flug ins All vorbereiten wolle, als sich Ivet Lalova bei einem Besuch ihrer Medienvertreter in eine Art Kreisel hängte, ein Gerät, das man sonst nur bei Astronauten sieht.
Nationalheldin wider Willen
In ihrer Heimat ist die Bulgarin, nach ihren guten Ergebnissen bei den Olympischen Spielen, mit einem vierten und fünften Platz, ein Star geworden. Das Medieninteresse ist groß. Ihr Oberschenkelbruch beim Einlaufen vor einem Meeting in Athen in diesem Sommer und die darauf folgende Genesung waren somit eine nationale Angelegenheit. Gerne hört sie das nicht. "Ich bin doch noch viel zu jung", begehrt sie gegen die Heldenrolle auf. Vielmehr sieht sie sich als Hoffnung für die vielen Leute in Bulgarien, die zu ihr aufsehen. "Ich zeige den Menschen in Bulgarien, auch wir können etwas erreichen", erklärt sie.
Ihr Leben hat sich schlagartig verändert, nach den olympischen Spielen von Athen, dem Europameistertitel in der Halle von Madrid und besonders den fabelhaften 10,77 Sekunden über 100 Meter beim Europacup (1.Liga) in Plovdiv. "Da bin ich das Mädchen geworden, das 10,77 Sekunden laufen kann und die ganze Aufmerksamkeit richtete sich nun auf mich. Ich musste in kürzester Zeit erwachsen werden und mehr darauf achten, was ich sage und tue."
Da auf der Welt nur fünf Frauen jemals schneller gelaufen sind, wurde die Leistung natürlich hinterfragt. "Ich musste allen zeigen, dass ich diese Zeit noch einmal rennen kann und dass ich sie nur meiner harten Arbeit und der meines Trainers Konstantin Milanov zu verdanken habe", beschreibt sie die Veränderungen in ihrem Leben.
Verletzung beim Aufwärmen
Dann kam das Meeting in Athen: "Vor dem 100-Meter-Lauf gingen wir auf einem überfüllten Einlaufplatz. Da startete ein junger Sprinter und ich lief in seinem Schutz hinterher, bis er plötzlich bremsen musste. Ich wich aus prallte gegen einen anderen Mann, stürzte und brach mir den rechten Oberschenkel." "Sie wurde bei Dr. Nikolaou in Griechenland hervorragend operiert", meint Andreas Stommel, Inhaber und therapeutischer Leiter des BZfAR, "eine solche Verletzung kann schnell zur Sportinvalidität führen. Für uns ist es traumhaft mit einer solchen ambitionierten und starken Persönlichkeit, wie Ivet Lalova zusammen arbeiten zu können. Sie ist hier selbst zu einem kleinen Star geworden." Der Mann muss wissen wovon er spricht, geben sich doch prominente Sänger, Schauspieler und Sportler die Klinke im Reha-Zentrum in die Hand.
Teil des Zentrums ist eine blaue verkürzte Sprintbahn, die an diesem Tag verführerisch in der Mittagssonne glänzt, aber für Ivet Lalova noch tabu ist. Die Sprinterin will sich langsam und ohne Zeitdruck auf ihr Comeback vorbereiten. "Die Gesundheit geht 100 Prozent vor, dann sehen wir weiter", erklärt sie voller Zuversicht. Leise Hoffnung setzt sie auf den nächsten Sommer, die Europameisterschaft in Göteborg (Schweden) ist das Ziel, das sie ohne Druck anpeilt.
Sprinttalent wurde vererbt
Leichtathletik liegt ihr im Blut, davon ist Ivet Lalova überzeugt und brennt darauf, wieder laufen zu können. Miroslav Lalov und Liliya Petrunova, Vater und Mutter von Ivet Lalova waren talentierte Sprinter in Bulgarien, Miroslav Lalov sogar bulgarischer Meister über 200 Meter. "Als Kind zeigte mir mein Vater sein Sieger-Trikot, da habe ich ihn gedrängt mich mit ins Stadion zu nehmen und seitdem bin ich Leichtathletin und nicht mehr Schwimmerin oder Gymnastin.
Die Oberschenkel-Verletzung ist jetzt sicherlich ein großer Rückschlag, aber sie ist noch zu jung, um sich davon beeindrucken zu lassen und hat sich noch viel vorgenommen, besonders über die 100-Meter-Distanz, die sie mehr liebt, wie die 200 Meter. "Wenn ich die richtig renne, fallen auch noch die 10,77 Sekunden von Plovdiv und wer weiß, die Zeiten von Florence Griffith-Joyner halte ich nicht für unerreichbar", meint die sechstschnellste Frau der Welt.
Ob ihr dann klar ist, dass sie die Rolle der bulgarischen Nationalheldin nie mehr verweigern könnte?