| Erfolgreiche Integration

Amanal Petros und sein Durchbruch im Nationaltrikot

Drei Monate nach der Einbürgerung der erste Start im Nationaltrikot und gleich die erste Medaille für den Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) im Männerbereich bei Cross-Europameisterschaften überhaupt – das nennt man eine gelungene Integration. Amanal Petros hat am vergangenen Wochenende im französischen Hyères mit dem Bronze-Rang in der U23-Klasse überrascht. Und das in einem Wettbewerb, der vollkommen neu war für den 20 Jahre alten Bielefelder, der in Äthiopien aufwuchs.
Pamela Ruprecht

„Es war nicht einfach, das war mein erstes Mal in so einem großen taktischen Rennen“, erzählt der Bronzemedaillen-Gewinner der Cross-EM ein paar Tage nach seinem bisher größten Erfolg. Noch nie ist Amanal Petros mit so „extrem vielen Profi-Athleten“ auf so „einer wunderschönen Strecke“ gelaufen. Dass er sich auf so viele Faktoren gleichzeitig konzentrieren musste, war neu für ihn. Wie viele Runden sind schon gelaufen, wie viele sind noch zu absolvieren und vor allem, was machen die Gegner? Taktik war gefragt und die Wahl des richtigen Laufstils in jeder Phase des Rennens.

„Deswegen habe ich kurz vor dem Ziel auch die Konzentration verloren“, erklärt der Läufer des TSVE Bielefeld. Die wertvolle Medaille hätte er wenige Meter vor Schluss fast verspielt, als er - schon jubelnd - zu früh austrudelte. Sein Hintermann Marc Scott (Großbritannien) bekam so unverhofft die Chance, nochmal heranzulaufen. Bundestrainer Jens Boyde reagierte sofort und signalisierte ihm „Action“, wie sich Amanal Petros erinnerte. Platz drei konnte im Foto-Finish gerettet werden.

Nummer drei in der DLV-Bestenliste

Sein Leistungsvermögen hatte sich bereits angedeutet. Als Drittschnellster über 10 Kilometer steht der Deutsche U23-Meister mit 28:49 Minuten in der DLV-Bestenliste hinter Homiyu Tesfaye (LG Eintracht Frankfurt; 27:51 min) und Arne Gabius (LT Haspa Marathon Hamburg; 28:07 min). Die Strecke in Hyères war rund 8 Kilometer lang. Trotzdem war es eine große Überraschung, dass er als jüngster Jahrgang der U23 bei seiner Premiere im Nationaltrikot den Sprung aufs Cross-EM-Podium schaffte.

„Es ist großartig, dass ich für Deutschland starten konnte“, freut sich Amanal Petros, der vor vier Jahren aus Äthiopien in die Bundesrepublik kam und erst vor gut drei Monaten eingebürgert worden war. „Ich bin glücklich, dass das alles geklappt hat.“ Die Medaille und der Start im DLV-Trikot bedeuten ihm viel. „Es ist einfach traumhaft für mich und etwas ganz Besonderes, diese Chance zu bekommen.“

Afrikanische Wurzeln

Bis hierhin war es ein langer Weg für Amanal Petros. In Eritrea, einem der ärmsten Länder der Welt, geboren, flüchtete seine Mutter mit dem damals Zwei-Jährigen ins Nachbarland Äthiopien. Dort wuchs er in bescheidenen Verhältnissen auf. Die Anekdote, dass junge Afrikaner das Laufen über den langen Schulweg lernen, trifft auch bei ihm zu. Mit seinen Freunden legte er täglich die 15 Kilometer Hin- und Rückweg zu Fuß zurück. Als einziger guter Läufer seiner Schule spielte er in dieser Zeit auch Fußball.

Vor knapp vier Jahren ist der 20-Jährige mit seiner Mutter aus politischen Gründen nach Deutschland ausgewandert. Mit dem richtigen Lauftraining hat er in Bielefeld mit der Unterstützung seines ersten Vereins und dem dortigen Trainer Gerd Grundmann begonnen. Ein Sieg beim 10-Kilometer-Lauf in Versmold-Oesterweg vor dreieinhalb Jahren war der Anfang. Wie die meisten Sportler verfolgt Amanal Petros eine duale Karriere, um sich für die Zukunft abzusichern. Wenn er 2017 seinen Realschulabschluss hat, will er eine Ausbildung antreten.

Rund 100 Kilometer spult er an fünf bis sechs Tagen in der Woche an Trainingskilometern ab, nur Sonntag ist für den gläubigen Christen Ruhetag. Auf die Cross-EM hat der Deutsche Vize-Meister über 10 Kilometer intensiv hingearbeitet, sie war der Höhepunkt seiner Saisonplanung 2015, ein Platz in den Top Ten das erklärte Ziel. „Ich habe hart trainiert und den Wettkampf lange vorbereitet“, erzählt der fleißige Schüler.

Potential nach oben

„Was er sich im Training erarbeitet, kann er auch umsetzen“, sagt sein Trainer Thomas Heidbreder. Der Coach vom SV Brackwede, für den Amanal Petros ab 2016 auch starten wird, betreut ihn sein gut einem Jahr. Er attestiert seinem Schützling „eine ziemliche mentale Stärke“ und die Eigenschaft, „sich auf den Punkt hin fokussieren“ zu können. Mittlerweile kann er in einem taktischen Rennen gut bestehen und scheut Wagnisse nicht.

Entwicklungspotential nach oben ist reichlich vorhanden: „Amanal ist von seinen Trainings-Umfängen und den Belastungsreizen her eher am unteren Ende.“ Im Vergleich zu anderen Läufern seines Niveaus ist da noch viel Spielraum. Zur Schnelligkeitsausbildung soll es 2016 wieder vermehrt über die Unterdistanzen 1.500 und 3.000 Meter gehen. „Das war auch in dieser Saison das richtige Rezept“, bilanziert Thomas Heidbreder.

EM in Amsterdam lockt

Im Olympiajahr will sich Amanal Petros über 10.000 Meter für die Europameisterschaften in Amsterdam (Niederlande) qualifizieren. Seine Bestzeit aus 2015 steht bei 29:28,21 Minuten, die EM-Norm des DLV liegt bei 28:40,00 Minuten. Ein ehrgeiziges, aber nicht unrealistisches Projekt. Auch der Halbmarathon, und in späterer Zukunft der Marathon, sind Optionen.

Ob Straße, Bahn oder Cross – „ich mache eigentlich alles gerne“, sagt der gut gelaunte U23-Athlet. Er blickt dem nächsten Jahr sehr optimistisch entgegen. Durch die Erfahrungen bei der Cross-EM habe er viel dazu gelernt. „Das ist für mich positiv für die nächsten Wettkämpfe“, sagt er über den Ausflug nach Hyères. Das Erfolgserlebnis – zugleich das Abschiedsrennen von Bielefeld - könnte sich schon bei seinem zweiten internationalen Einsatz rechnen.

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