Amantle Montsho - Mit IOC-Stipendium zum Erfolg
Preisfrage vor der WM? Kann ein Land, aus dem nur eine Athletin die IAAF-A-Norm erfüllt hat, dennoch auf eine Medaille oder sogar eine Goldmedaille in Daegu (Südkorea) hoffen? Die Antwort lautet: Ja. Amantle Montsho aus Botswana im südlichen Afrika lieferte den Beweis. Obendrein gewann die 400-Meter-Läuferin neben WM-Gold in diesem Jahr auch die Disziplinwertung in der Diamond League.

Bei der WM in Daegu lief Amantle Montsho dann in 49,56 Sekunden nicht nur zum Titel, sondern auch zu ihrem inzwischen 13. Landesrekord. Begonnen hatte diese Rekordserie am 5. Juni 2004 bei den Nationalen Meisterschaften in Botswanas Hauptstadt Gaborone, bei der es nicht einmal eine elektrische Zeitmessung gab, mit 53,9 Sekunden.
Nicht zu träumen gewagt
„Damals hätte ich nicht zu träumen gewagt, dass ich es so weit bringen würde“, gestand die 1,73 Meter große und 63 Kilogramm schwere Läuferin in der letzten Saison. Schließlich kam sie aus einem Dorf im Nordosten eines der am dünnsten besiedelten Länder der Welt. Fern von Laufbahnen wuchs sie auf.
Obwohl es in dem seit 1966 selbständigen Land, das früher eine britische Kronkolonie war, keine Schulpflicht gab, schickten sie ihre Eltern zuerst auf die Grundschule und dann auf die Höhere Schule nach Maun. In die fünftgrößte Stadt von Botswana, die als beliebter Startpunkt für Safaris in das an Wildtieren reiche Okavango-Delta gilt. Und nicht etwa als Heimat von Leichtathletik-Talenten.
Sport statt Wissenschaft
Dennoch erkannte dort ein Lehrer mit Name Innocent Tapela: „Laufen ist für dich besser als Wissenschaft.“ Das bestätigte sich bei Schul-Meisterschaften vor rund einem Jahrzehnt zuerst mit Platz zwei über 100 und Rang drei über 200 Meter. In den Jahren danach mit Meistertiteln. Man riet ihr, zum 400-Meter-Lauf zu wechseln. Das war ein guter Tipp: 2003 gewann sie ihren ersten Meistertitel bei den Frauen in 55,03 Sekunden.
2004 war ein sehr wichtiges Jahr für die damals 21-Jährige. Dank der IAAF-Regel, nach der ein Land ohne Athleten mit erfüllter Norm dennoch einen Mann und eine Frau zu den Olympischen Spielen schicken darf, startete die schüchterne junge Frau in Athen (Griechenland). Auf ihrer ersten Reise nach Europa schied als Sechste in einem Vorlauf aus, lief aber in 53,77 Sekunden Landesrekord. Und fiel als Talent auf.
Mit einem IOC-Stipendium konnte sie Sprinttrainer Anthony Koffi an das IAAF Trainingszentrum in Dakar holen. Seither ist das Léopold Sédar Senghor Stadion in Senegals Hauptstadt die sportliche Heimat für Amantle Montsho geworden. Und die Schule für ihren steilen Aufstieg.
Ausgebrannte Wohnung
Zwischen April 2005 und den Meisterschaften des südlichen Afrikas am 30. Mai 2009 startete sie nicht einmal in ihrem Heimatland. Bei einem Heimaturlaub zwischendurch brannte ihre bescheidene Wohnung in Botswana aus. Ihr blieb nur, was sie am Leib getragen hatte. In Dakar wurde sie auch neu eingekleidet.
Es war nicht leicht, fern von Eltern und Freunden in einem Land zu leben, in dem nicht Englisch, sondern Französisch gesprochen wurde. Aber die ehrgeizige Sportlerin sagte sich: „Dakar ist gut für mich, weil es gut für die Leichtathletik ist und für das Lernen einer fremden Sprache.“
Die Sportführung in der Hauptstadt Gabarone hätte sie gern zum Training nach Alabama in die USA geschickt. Doch Amantle Montsho wehrte sich mit Erfolg dagegen. Ihre steigenden Leistungen gaben ihr Recht. 2006 wurde sie schon Zweite bei den Afrika-Meisterschaften, bevor sie 2007 bei den Afrika-Games in Algier (Algerien) den Sieg in 51,13 Sekunden holte. Immer wieder lief sie Landesrekord bei Meisterschaften.
Die „Maun-Lady“
So auch mit 50,90 Sekunden beim Scheitern Halbfinale der WM 2007. Und erst recht mit 49,83 Sekunden als hoch überlegene Afrika-Meisterin 2008 begünstigt von der Höhenlage der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba. Bei den Olympischen Spielen in Peking (China) 2008 und der WM in Berlin 2009 wurde sie jeweils Achte, da sie ihre Zeiten im Halbfinale (50,54 und sogar 49,89 sec) im Finale nicht wiederholen konnte.
Dennoch wurde die „Maun-Lady“, wie sie nach dem Ort ihrer früheren Schule in den Zeitungen ihres Heimatlandes genannt wurde, 2008 und 2009 als erste Frau zum „Sportler des Jahres “ gewählt. Am Ende des Jahres 2010 hieß es in den Gazetten der Hauptstadt Gabarone und aus dem Mund von Sportfunktionären, dass diese Auszeichnung für „unsere große Sportheldin“ zu gering sei, sie habe eine Ehrung mit einem hohen Staatsorden verdient.
Grund dafür war der überlegene Sieg und der Meisterschaftsrekord bei den Commonwealth-Games in New Delhi (Indien; 50,10 sec) im 21. Rennen des Jahres 2010. Am 8. Oktober oder sieben Monate nach dem Saisonauftakt hatte sie die erste Goldmedaille für den Sport des seit 1966 selbständigen Landes gewonnen. „Unser Golden Girl“, wie sie “seit dem stolzesten Augenblick für den Sport von Botswana“, genannt wird, blieb bescheiden.