André Niklaus will hoch hinaus
Normalerweise ist André Niklaus ja nicht gerade auf den Mund gefallen, überzeugt und begeistert gleichermaßen mit seiner "Berliner Schnauze". Doch nach seinem vierten Platz bei der WM in Helsinki suchte selbst er jüngst nach den richtigen Worten. "Was soll ich sagen?", fragte er, "das war klasse!"
André Niklaus staunte in Helsinki über Platz vier (Foto: Chai)
In der Tat! Der 24-Jährige war eine der positiven Überraschungen im DLV-Team. Mit dem Ziel, um einen Platz unter den ersten Acht zu fighten, war der Zehnkämpfer in die zwei Tage gegangen. Nur 69 Punkte fehlten ihm bei seiner neuen persönlichen Bestleistung von 8.316 Zählern dann zu Bronze. "Vorher dachte ich schon, Platz sechs sei unrealistisch", wunderte er sich.André Niklaus hat in Helsinki da weitergemacht, wo er vor zwei Jahren in Paris als WM-Achter aufgehört hatte. Schon damals stürzte viel auf ihn ein. Nicht nur Leichtathletik-Deutschland hatte aufgehorcht. Endlich wieder ein Zehnkämpfer, der es in die Weltspitze schaffen kann. Sogar Blätter wie die "Bunte" oder "Max" feierten den gutaussehenden Aufsteiger, der zuvor bereits zweimal als U23-Europameister sein Talent beweisen konnte.
Verkorkstes Olympiajahr
Fast hatte es den Anschein, als wären es Vorschusslorbeeren gewesen, denn das Olympiajahr 2004 lief gar nicht nach Plan. Nach Athen fuhren drei andere. Für den von Verletzungen geplagten André Niklaus reichte es nicht einmal zum Trostpreis. Bei den Deutschen Mehrkampf-Meisterschaften in Vaterstetten wurde er in einem verkorksten Wettkampf nur Dritter.
Doch der Vorzeigeathlet der LG Nike Berlin kämpfte sich wieder heran, ließ die Hallensaison aus und konnte ohne den großen Medienrummel gezielt seine Leistungen im Sommer vorbereiten. "Immer langsam, Schritt für Schritt, soll es vorangehen", lautet sein Motto und passender hätte die Parole wirklich nicht sein können. Denn seine WM-Saison war ein "Steigerungslauf". Über 8.074 Punkte in Götzis, auch bereits Bestleistung, und 8.193 Zählern als Sieger der deutschen WM-Quali in Ratingen nahm er Anlauf auf die erfolgreiche WM.
Handschuhe ausgepackt
Dort, in Helsinki, war André Niklaus, der sich als kleines Kind mehr als die Hälfte seines Körpers mit heißem Wasser verbrüht hatte, bestens vorbereitet. So gut, dass es sogar hätte schneien können, wie er meinte. Fast wäre es soweit gewesen, die Handschuhe hatte er jedenfalls schon übergestreift im kalten finnischen Regen. "Ich dachte, letztes Jahr beim Europacup in Tallinn, das sei das härteste Wetter gewesen, aber Helsinki werde ich nie vergessen. 8.300 Punkte bei dem Wetter? Mal schauen, was dann bei Sonne drin ist."
Der angehende Medieninformatik-Student ist aber selbst bei Regen ein Kerl, der die Sonne aufgehen lässt. Locker, sympathisch, gerne mit einem lockeren Spruch auf den Lippen, so hat er sich inzwischen auch als Typ einen Namen gemacht.
Einer, der den Zehnkampf im Stadion, aber auch außerhalb voranbringen könnte. "Für mich war ein gutes Ergebnis bei der WM wichtig, um in Deutschland wieder etwas positive Werbung für den Zehnkampf zu machen", sagte André Niklaus.
Werbung beim ISTAF
Werbung will er am kommenden Sonntag auch beim Berliner ISTAF machen. Er ist Lokalmatador und eben Mehrkämpfer unter den Spezialisten. Aber immerhin im Stabhochsprung, seiner Paradedisziplin mit einer Bestleistung von 5,30 Metern, schnuppert er gerne mal in die Szene hinein.
Zumindest ist der Weg ins Olympiastadion nicht so weit. Denn im Juli, als er sich nach Cuxhaven aufmachte, um auch dort die Stabakrobaten ein wenig zu ärgern, fühlte er sich nicht sonderlich ausgelastet: "Wir sind drei Stunden hingefahren, ich habe vier Sprünge gemacht, dann sind wir wieder drei Stunden zurückgetingelt. Das war verdammt ungewohnt."
Damit das beim ISTAF nicht noch einmal so passiert und er unausgelastet von dannen ziehen muss, hat er sich auch für das Kugelstoßen und den Speerwurf angekündigt. Bei diesem Dreikampf kann er sich als Bonus sogar noch Freiflüge nach Spanien und Portugal verdienen.
5,50 Meter sind angekündigt
Die Zuschauer können sich auf alle Fälle freuen. Denn er lieferte bereits am Rande der WM die Stabhochsprung-Kampfansage für das Heimspiel an der Spree: "Dort will ich 5,50 Meter springen", sagte er und diktierte den Journalisten noch in den Notizblock: "Das können Sie auch so schreiben." Gerne doch!
Fest steht jedenfalls eines. André Niklaus will hoch hinaus. Erst beim ISTAF, aber dann auch danach, wenn es ab dem nächsten Jahr darum geht, neue Herausforderungen in Angriff zu nehmen. Unter Druck setzen lässt sich so ein lockerer Typ wie er aber nicht. Vielmehr sagte er dazu: "Das ist alles keine Belastung, das spornt mich eher an."
Er setzt sich auch keine Ziele, die noch zu weit weg sind. Olympische Spiele 2008 in Peking? Damit will sich André Niklaus noch nicht beschäftigen. "Mal sehen, wie ich bis dahin durchkomme und was Körper und Geist dazu sagen." Schritt für Schritt eben. Bisher ist er so gut gefahren. Und auch hoch hinaus geflogen.