André Pollmächer - „Will andere mitziehen“
Vor Wochenfrist gewann André Pollmächer (Rhein-Marathon Düsseldorf) in Griesheim die Deutschen Halbmarathon-Meisterschaften - in seinem ersten ernsthaften Rennen nach seiner Rückkehr in die Langstreckenszene, die er nach Rang 18 bei der WM 2009 für viele unerwartet verlassen hatte. Mit dem Geher-Bundestrainer Ronald Weigel, der inzwischen auch für die Marathonläufer zuständig ist, hat er einen Heimtrainer gefunden, der ihn neu motivierte und mit ihm in Potsdam das „Projekt London“ angeht.

André Pollmächer, wie fällt Ihre Bilanz nach einer halbjährigen Aufbauphase mit dem Sieg bei den Deutschen Halbmarathon-Meisterschaften in Griesheim in 1:04:16 Stunden und Rang elf beim Paderborner Osterlauf in 29:26 Minuten aus?
André Pollmächer:
Im Prinzip sind es drei Rennen. Als Tempomacher beim Berliner Halbmarathon bin ich außerdem 29:40 Minuten über 10 Kilometer angelaufen. Doch zurück zur Frage: Ich bin auf dem richtigen Weg. Natürlich sind es keine hundert Prozent, aber das darf ich nach einem halben Jahr intensivem Training auch nicht erwarten. Ich habe mich praktisch wieder fit gemacht und Strukturen aufgebaut.
Nun gut, also drei Rennen bislang. Doch wie geht es weiter?
André Pollmächer:
Beim Marathon in Düsseldorf werde ich 21 Kilometer lang Tempo machen. Um mehr Tempohärte zu bekommen. Dann beginnen vier Wochen mit einer speziellen Bahnvorbereitung auf den 10.000 Meter-Europacup in Oslo…
Wieso ist Oslo für Sie ein Thema?
André Pollmächer:
Es ist ein internationaler Start für Deutschland. Ich denke, dass ich mich zeigen muss. Auch präsent zu sein für Deutschland. Und dabei einmal wegkommen von der Straße, um Geschwindigkeitsreserven aufzubauen.
2007 haben Sie diesen Wettbewerb schon einmal gewonnen. Wird dieses auch 2011 wiederum ein Ziel sein?
André Pollmächer:
Ich hatte damals eine andere Vorbereitung. War in jenem Jahr auch eine 27:55 Minuten gelaufen. Jetzt sind die 10.000 Meter eher ein Nebenschauplatz. Was mir derzeit fehlt, das ist der brutale Schliff für diese Strecke. Aber ich denke, dass ich mich zeigen muss.
Sie gehen mit klaren Vorstellungen in die Saison 2011. Spricht das auch für eine mentale Stärke, die sie nach so kurzer Anlaufzeit bereits gewonnen haben?
André Pollmächer:
Ich bin im Training stark genug, um sämtliche Belastungen angehen zu können. Ich habe, auch durch die Zwischenphase, eine andere Sichtweise bekommen. Ich trainiere viel bewusster, weil ich zeitweise auch andere zum Training angetrieben habe. Früher haben mir andere das Programm vorgegeben, jetzt kann ich mein Training besser kontrollieren.
Ihr erklärtes Ziel ist die Qualifikation für die Olympischen Spiele 2012 über die Marathonstrecke. Wie werden Sie das Ziel „Projekt London“ angehen?
André Pollmächer:
Ich habe zwei Möglichkeiten zur Normerfüllung, eine im Herbst 2011 und eine im Frühjahr 2012. Deshalb werde ich nicht alles auf eine Karte setzen. Auch wenn die Olympianorm bislang noch nicht bekannt ist, rechne ich mit 2:12:00 oder eventuell. sogar mit 2:11:30 Stunden. Ich werde im Herbst so schnell wie möglich laufen und nicht spekulieren. Entweder es reicht schon - oder eben noch nicht! Eines jedenfalls ist klar, die Norm kann man nicht so nebenbei laufen.
Sie haben früher bei Bernd Dießner trainiert, jetzt bei Ronald Weigel. Gibt es Unterschiede in der Trainingskonzeption dieser beiden?
André Pollmächer:
Beide sind mit der gleichen Methodik groß geworden. Ich habe mit beiden viele Gespräche geführt und in der Zwischenzeit auch selbst sehr viel gelernt. Bernd Dießner hat im Marathonlaufen sicherlich auch erst Erfahrungen machen müssen, daraus kann ich nun gewisse Lehren ziehen. Bei Ronald Weigel fühle ich mich sehr wohl. Wir haben das Training nicht umgestellt, nur die Perspektiven verändert. Aufgrund seiner eigenen Erfahrungen bei den Gehern konnte er viele Erfahrungen mit einbringen. Er ist ein Verfechter von großen Umfängen und Härte, ich komme eher von den 5.000 und 10.000 Meter-Strecken. Es ist ein besonderer Reiz, ein gemeinsames Konzept zu entwickeln. Deshalb kann ich sagen: Wir ergänzen uns!
Was schätzen Sie nach einem halben Jahr Training besonders an Ronald Weigel?
André Pollmächer:
Im Trainingslager in Südafrika haben wir viel Wert auf Kraftausdauer gelegt. Diese Form kannte ich schon, aber nicht in diesem extremen Maße. Das hat mir sehr viel gebracht. Wir beide sind Verfechter einer akribischen Protokollierung. Das ist etwas, was es bislang nur in Ansätzen gab. Ronald Weigel ist ein Vorbild, ein Antreiber, ein Härteschwein! Er kann mir, wenn es erforderlich ist, auch richtig in den Arsch treten.
Wenn man das Niveau der deutschen Langstreckenszene betrachtet, könnte manch einem bange werden. Teilen Sie diese Auffassung?
André Pollmächer:
Ich möchte mich hier nicht beschweren. Aber es ist nicht verwunderlich, wenn wir nicht voran kommen. Ich war ein halbes Jahr im Trainingslager, ohne Arzt und Physiotherapeuten. Der Bundestrainer hat zu wenig Macht und ihm fehlen auch die finanziellen Mittel. Solange wir alles selbst finanzieren müssen, macht jeder sein eigenes Ding und fährt dorthin, wo er gerne möchte. Wir müssen gemeinsame Trainingslager planen, Tests und Kontrollen haben. Jan Fitschen hat auch Interesse an einer Zusammenarbeit, bei der Gruppe von Waldemar Cierpinski ist es ebenso. Eine Gruppe von sechs, sieben Leuten wäre wichtig.
Sie sind also ein Verfechter von Gruppentraining, wenn ich Sie richtig verstanden habe?
André Pollmächer:
Unbedingt. Wir müssen nur hierfür die Vorteile verdeutlichen. Blicken wir doch einmal auf die Biathleten. Die Bundestrainer bestimmen, wer, wo und wie trainiert. Im Laufbereich kapieren dies aber viele nicht. Wir müssen uns zu hundert Prozent dem Leistungssport verschreiben. Wir müssen nichts neu erfinden, denn früher konnten unsere Läufer auch rennen. Warum sollte das heute nicht mehr funktionieren? Die wenigen Läufer, die wir haben, müssen vor allem aber an einem Strang ziehen.
Reicht dieses aus?
André Pollmächer:
Wir müssen natürlich uns auch überwinden, unser Training transparent zu machen. Auf meiner Website www.andre-pollmaecher.com ist derzeit ein Riesenandrang. Ich schreibe detailliert über Methodik, Inhalte und Motivation. Ich versuche, mein Training zu erklären. Da gibt es eigentlich keine Geheimnisse. Wer besser sein will, muss härter trainieren. Außerdem: Man kann das Training natürlich nicht eins zu eins kopieren. Aber vielleicht kann ich andere mitziehen und motivieren.