Trinken Franzosen griechischen Wein?
Oder: Was uns in den wenigen gedankenabschweifenden Momenten bei der Leichtathletik-WM in Paris sonst noch beschäftigt...

Im DLV-Club jedenfalls gibt es besten französischen Wein. (Foto: Klaue)
Als wir uns am Vorabend des Auftakttages der Weltmeisterschaft in Paris im "Stade de France" umsahen, fiel es schon auf. Die Franzosen scheinen ein Faible für griechischen Wein zu haben. Dabei dachten wir immer, hier gibt es genug eigenes Schmackhaftes an Hochalkoholigem (dem wir uns versagen).Oder können Sie uns sagen, warum hier ständig die Melodie zu dem in Deutschland als "Griechischer Wein" bekannten Lied aufgelegt wird, sobald wieder drei Athleten zur Siegerehrung schreiten?
Inzwischen vermuten wir, dass mit dieser Komposition der verunglückte musikalische Spagat von der Event-Präsentation der EM in München zu den Olympischen Spielen in Athen geschlagen werden soll.
Rock pustet Boxen aus
Unglücklicherweise ist es neben den Nationalhymnen im Hauptprogramm so ziemlich der einzige Song, der hier im "Stade de France" aus den Boxen trällert.
Ach nein! Da war ja noch was. Tatsächlich hat sich auch einmal eine CD mit den Ansätzen von "We will rock you" gefunden. Unter der Anwesenheit von 17 Zehnkämpfern, 35 Journalisten, 57 Helfern und 77 unverwüstlichen Zuschauern wurde der treibende Rhythmus an einem frühen Nachmittag vermutlich zum Auspusten der Lautsprecher genutzt, um die richtige Klangqualität für den später anheizenden "Griechischen Wein" gewährleisten zu können.
Aber die Franzosen lernen schnell. Seit dem Zuschauereklat um Jon Drummond kommt dem Stadionsprecher sogar hin und wieder ein "Psssstt..." über die Lippen, wenn meditierendes Schweigen angesichts der Konzentration der exzentrischen Sprinter angebracht ist.
Ein dickes Lob gilt allerdings der "Musik-Kombo" (oder sollen wir "französische Kapelle" dazu sagen? Nein!), die hier für Stimmung auf den Rängen sorgt und echtes WM-Feeling verbreitet. Herzlichen Dank für diese willkommene Ablenkung zwischen Tausenden Anschlägen auf der Pressetribüne, dem ewig unverderblichen "Griechischen Wein" und dem Warten auf den letzten Startschuss am Sonntag.
Wer wird Weltmeister im Warten?
Warten ist ein gutes Stichwort. Zum Glück hat uns DLV-Cheftrainer Dr. Bernd Schubert schon vor einer Woche verraten, dass der Mensch die meiste Zeit seines Lebens mit Warten verbringt.
Bei der WM in Paris ist es so. Es gibt viele gute Gründe zu warten. Auf den Bus vom Hotel zum Athletendorf (der immer zu spät ist). Auf den Zug vom Athletendorf zum Stadion (wobei das mit einer Sprinterin aus Kirbati auf einer Bank sitzend ungemein an Flair gewinnt). Auf die nächste DLV-Medaille. Auf die Auferstehung der US-Sprinter (von denen die vermeintlich besten schon wieder verschwunden sind).
Auf die Pressekonferenz mit Annika Becker oder Carolina Klüft. Auf die Techniker von "France Telecom" (wenn die Leitung spinnt). Auf die Ergebnislisten auf der Pressetribüne (was schon mal bis in den nächsten Tag hinein dauern kann) oder auf die Athleten in der Mixed Zone, wo sich die Journalisten beim kollektiven Warten verbrüdern.
Doch dort lohnt sich das Warten nach dem Abstieg über mindestens 500 Treppenstufen manchmal gar nicht. Etwa, wenn Karsten Kobs mit einem "Kein Kommentar" an den Medien vorbeiprescht und am Tag darauf sagt, er würde es wieder so machen.
Oder etwa, wenn Nadine Kleinert nach der Qualifikation der versprengt-vereinzelten Bitte um ein kurzes Statement mit einem "Leute, wenn das so weiter geht, dann kann ich gleich hierbleiben!" begegnet.
Bei allem Verständnis für die individuelle Situation der beiden fragen wir uns, ob wir weiter Verständnis dafür haben sollen, wenn sich gewisse Disziplingruppen über mangelndes Öffentlichkeitsinteresse beklagen.
Warum backen Tunesier Pizza?
Gelegenheit, eine Sekunde über solche Fragen zu sinnieren, haben wir unter anderem bei einer Pizza. Aber bevor wir uns damit so richtig auseinandersetzen können, holt uns schon die nächste ein. Warum backen in Paris ausgerechnet die Tunesier die Pizza?
Zumindest scheinen sie es mit Erfolg zu tun. Denn seit sieben Jahren gibt es diesen Pizza-Service, bei dem wir die Tunesier entdeckt und auch gleich enttarnt haben. Sie sprechen übrigens Deutsch, haben ihre ganzen Verwandten (scheinbar) in Deutschland und versprechen uns beim nächsten Mal vor lauter gegenseitiger Sympathie gleich eine Gratis-Pizza ("... und bringt Kollegen mit!"). Da kommen wir doch gerne darauf zurück. Mit etwas Glück können wir mit den Tunesiern vielleicht auch noch die Frage mit dem griechischen Wein klären.
Um den Weltmeistertitel im Warten bewerben sich übrigens auch die Polizisten, die in einer Seitenstraße nahe dem Athletendorf unverbittert auf ihren Einsatz warten, der wohl (hoffentlich) nie kommen wird.
Freundliche Polizisten warten in der Seitenstraße
Aber sie sind nicht nur ungemein geduldig, sondern auch erstaunlich nett. Es kommt ihnen schon mal ein freundliches "Bonjour" über die französischen Lippen. Zum Dankeschön haben wir einem der "Freunde und Helfer" auch schon spontan mit einer Flasche Powerade beglückt.
Sie scheinen übrigens ihren eigenen Pizza-Service zu haben. Mit großen gelben Kisten ging dieser von Einsatzwagen zu Einsatzwagen und versorgte die Beamten, die sich gerade mit lustigen Gesängen und motiviertem Trommeln auf den Tischen die Zeit vertrieben, mit Überlebenswichtigem.
Schade nur, dass wir mit ihnen die Frage nach dem griechischen Wein nicht klären können, obwohl wir den Eindruck haben, dass ein Schlückchen Alkohol hier im Dienst eine Frage der Ehre ist.
Die Sprachbarriere ist einfach zu groß. Denn auf die Franzosen Englisch einzureden oder ihnen einen Gruß auf Spanisch entgegenzusenden, macht genauso viel Sinn wie eines Tages ein Marsmännchen auf Bayrisch willkommen zu heißen.
Diese Erfahrung machten wir mit einem Trio des Busdienstes, das sich zu mitternächtlicher Stunde der Herausforderung gegenübersah, uns (und noch ein paar andere wartende und sinnierende Leidensgenossen) hundemüde und willenlos in unser Hotel zu bringen.
Geht es hier nach Marseille?
Mit einem Stadtplan ausgestattet, einer Portion Galgenhumor und wiederum einer endlosen Geduld brachten uns die Drei, nachdem das Hotel zwischenzeitlich schon in Sichtweite war, zum Ende einer kleinen Odyssee doch noch vor die Tür unserer Unterkunft, wo wir bis heute nicht verstanden haben, warum der Lift schon bei fünf Personen Alarm schlägt, obwohl er für zehn – ist gleich 750 Kilogramm (oder wiegen wir inzwischen wirklich schon alle 150 Kilo?) - ausgerichtet sein soll.
So sind wir nicht – wie schon befürchtet – mit dem Shuttlebus in Marseille gelandet, sondern immer noch in Paris, wo uns einzelne unwichtige Fragen quälen, die wahrscheinlich bis zu unserer Abreise und darüber hinaus noch ungeklärt bleiben werden.
Oder wissen Sie, ob die Franzosen griechischen Wein trinken?