Anika Nehls will mit Lockerheit ins Finale
Eine Oase der Ruhe: So bezeichnet sich das Bundesleistungszentrum in Kienbaum. In den Genuss von Stille und Abgeschiedenheit mit waldreicher Luft kam auch Anika Nehls. Fernab vom jeglichen Trubel holte sich das Kugelstoß-Nachwuchstalent vom SC Neunbrandenburg in den vergangenen Tagen den letzten Schliff für ihren Start bei den U18-Weltmeisterschaften in Donetsk (Ukraine, 10. bis 14. Juli).

Die ansteigende Nervosität ist sogar bei den täglichen Einheiten zu spüren. „Das Training könnte besser laufen. Es kommt sogar vor, dass ich bei den Stößen anfange zu zittern, sobald ich mir vorstelle wie ich im Ring des Stadions in Donetsk stehe.“ Dabei hat sich die 16-Jährige eigentlich vorgenommen, nicht an die WM zu denken. So richtig wollte das in der Vorbereitung nicht gelingen.
Tipps von ehemaliger Weltmeisterin
Zweimal täglich steigt die 1,81 Meter große Nachwuchsathletin in den Kugelstoßring. Gecoacht wird sie von der ehemaligen Diskuswerferin Franka Dietzsch, die seit zwei Jahren ihre Trainerin ist.
„Es macht mit ihr unheimlich viel Spaß, sie gibt mir wertvolle Tipps auch für die Wettkampfvorbereitung. Für mich ist es ein toller Ansporn mit einer dreimaligen Weltmeisterin zu trainieren“, schwärmt Nehls über die 45-Jährige, die sie auch nach Donetsk begleiten wird. „Für mich ist es unheimlich wichtig, dass Franka dabei ist.“
Landestrainer riet zum Wechsel
Vor drei Jahren wechselte Nehls auf Anraten von Landestrainer Dr. Peer Kopelmann von ihrem Heimatverein in Grimmen ans Sportinternat zum SC Neubrandenburg. Bereut hat Nehls den Schritt bis heute nicht, auch wenn es immer mal Momente gab, in denen „es schlecht lief und ich ans Aufhören dachte“.
Zusätzliche Unterstützung erfuhr sie durch Ines Müller, die neben der ehemaligen Kugelstoß-Olympiasiegerin Astrid Kumbernuss zu ihren großen Vorbildern zählt: „Sie hat mich sehr angespornt, dabei zu bleiben und mich auch bei meinem Wechsel nach Neubrandenburg unterstützt.“
Leichtathletin seit der zweiten Klasse
Mittlerweile läuft es richtig rund beim Nachwuchstalent, das eigentlich mit Handball begann und in der zweiten Klasse zur Leichtathletik kam. Kein Wunder, waren doch Vater und Tante ebenfalls Leichtathleten. Dazu kam die Begeisterung der Mutter, die sie ein wenig in die Richtung lenkte. „Zu Beginn habe ich noch alle Disziplinen mitgemacht, mit etwa elf Jahren kam ich zum Kugelstoßen.“
Dazu ermunterte sie ihr damaliger Trainer Jürgen Schmidt. „Ich habe es ausprobiert, es hat gut geklappt und bin dabei geblieben.“ Ihren ersten Wettkampf bestritt sie mit Zwölf, an den sie nicht die besten Erinnerungen hat. „Das Einstoßen verlief noch richtig gut, im Wettkampf hat es nicht mehr gepasst. Um die 7,50 Meter habe ich gestoßen. Damit war ich überhaupt nicht zufrieden.“
Nehls hat die 18 Meter im Blick
Vier Jahre später hat sie sich dann eingestellt: eine gewisse Zufriedenheit. Das mag auch an ihrem bisherigen Saisonverlauf liegen. So schraubte Nehls erst Anfang Juni ihre persönliche Bestleistung beim DKB-Nachwuchsmeeting in Neubrandenburg auf 17,74 Meter.
Da geht mit der Drei-Kilo-Kugel aber noch mehr: „Die 18-Meter-Marke habe ich im Blick und will sie in diesem Jahr noch stoßen.“ Dieses Ziel will sie ganz locker angehen: „Wenn ich mir darüber zu sehr Gedanken mache
und die Marke unbedingt knacken möchte, dann klappt das eh nicht.“
Ziel ist das Finale
Nehls ist ein Wettkampftyp, kann sich reinsteigern. „Wenn es im Training nicht so läuft, dann im Wettkampf umso besser“, weiß sie aus eigener Erfahrung. Ihre WM-Premiere will sie versuchen, mit der nötigen Lockerheit anzugehen.
Als Erstes wartet die Qualifikation. „Die will ich überstehen und ins Finale einziehen“, betont sie. Die Konkurrenz ist enorm stark, sie kommt unter anderem mit Emel Dereli aus der Türkei. Die 17-Jährige ließ Anfang Juni bei einem Wettkampf im türkischen Eskisehir aufhorchen, sie steigerte ihre persönliche Bestleistung auf 19,99 Meter.
Vorfreude wächst
Von dieser Leistung zeigt sich auch Nehls beeindruckt. „Das ist schon Wahnsinn, wenn jemand, der fast genauso alt ist wie man selbst, so weit stößt.“ Aus dem Konzept bringen lassen will sie sich davon nicht. Die Vorfreude auf die kommenden Tage überwiegt. „Ich freue mich eigentlich auf alles: auf das ganze Feeling, die verschiedenen Nationen und die vielen Menschen.“
Seit Sonnabend weilt sie nun in Donetsk. Einige Glücksbringer hat Nehls ebenfalls dabei: ein gelber Plüschbär, ein Geschenk einer guten Freundin sowie Kugelstoßschuhe und Wettkampfhose von Ines Müller. Erstmals zum Einsatz werden Bär, Schuhe und Hose dann am Donnerstag kommen, wenn die Qualifikation ansteht.
Bis dahin wird hauptsächlich trainiert. Vielleicht findet sich für Nehls im Trubel und der Vorbereitung erneut ein Ort, der ein wenig Ruhe und Abgeschiedenheit verspricht.