Anna Schultze bringt wieder frischen Wind
Die Zuschauer im Rostocker Leichtathletikstadion wurden am vergangenen Samstag plötzlich aufmerksam, als der Stadionsprecher bei den Deutschen Junioren-Meisterschaften verkündete: "Nur noch Anna Schultze ist im Stabhochsprung-Wettbewerb und versucht sich an 4,45 Metern." Das bedeutete immerhin eine Höhe, die für deutsche Verhältnisse derzeit Spitze ist.
Anna Schultze hat großes Potenzial (Foto: Kiefner)
Man darf eben nicht alles nur mit den Weltrekorden einer Yelena Isinbayeva vergleichen.Zwar schaffte die 20-Jährige von der LG Filstal die 4,45 Meter dann noch nicht, doch auch die im ersten Versuch übersprungenen 4,36 Meter waren für sie eine Super-Titelhöhe, nebenbei persönliche Bestleistung.
"Von dieser Höhe war ich schon überrascht, denn bisher verlief die Saison nicht nach meinem Wunsch. Ich hatte im Training technische Probleme, bin oft einfach nur durchgelaufen, ohne den Sprung zu wagen", erklärte Anna Schultze nach ihrem Titelgewinn. "Erst vor kurzem bei den Süddeutschen Meisterschaften in Wetzlar ging es wieder aufwärts. Ich bin dort mit zwölf Schritten angelaufen und habe meine bisherige Saisonbesthöhe von 4,11 Metern geschafft."
Training auf der "Festwiese"
In Rostock wurde sie von Walter Straub gecoacht, ansonsten ist zuhause – das Filstal liegt zwischen Ulm und Stuttgart – vor allem Ivan Macura-Böhm ihr Heimtrainer, der ja auch Fabian Schulze unter seinen Fittichen hat und früher für die Erfolge von Yvonne Buschbaum verantwortlich war.
Trainiert wird unter anderem am OSP Stuttgart, im Stadion "Festwiese". Anna Schulze wohnt in der Gemeinde Uhringen, ihr Heimatverein ist der TGV Holzhausen, der gleiche Verein, aus dem Speerwerfer Peter Esenwein kommt.
Früher war sie mal Mehrkämpferin, erst seit der B-Jugend ist sie völlig zum Stabhochsprung gewechselt. Und das hat sich ausgezahlt. Bei der Junioren-WM im italienischen Grosseto sprang sie im letzten Jahr ihre bisherige Bestleistung von 4,25 Metern und holte Silber, wurde anschließend in Heilbronn Junioren-Meisterin mit 4,20 Metern. Doch dann folgte das schwache Jahr 2005. So war es Balsam für ihre geschundene Sportler-Seele, dass in Rostock endlich wieder auch für sie die Sonne schien.
Herbert Czingon sieht viel Potenzial
Und einer strahlte hinter der Bande. Bundestrainer Herbert Czingon. Er hat im Moment ja nicht gerade ein Überangebot von Stabhochspringerinnen von Format zur Verfügung. Umso mehr erfreute er sich am Auftritt der Anna Schultze.
"Sie hat eine sehr hohe Anlaufgeschwindigkeit. Ihre Sprint-Sprung-Fähigkeiten sind überragend. Zu verbessern ist noch die turnerische Komponente in der Arbeit am Stab." Aber, so fügte der Bundestrainer hinzu: "Mit solch einem Anlauf kann man auch 4,70 Meter springen".
Die Zeit wird es zeigen, ob diese Prognose von Herbert Czingon eintreten wird. Anna Schultze brachte jedenfalls mit ihrem Rostocker Höhenflug frischen Wind in die Stabhochsprung-Szene der Frauen und bewies, dass die Hoffnungen im Nachwuchs derzeit nicht nur auf den Schultern der Deutschen Meisterin Silke Spiegelburg (TV Lengerich) ruhen.