Anne Kesselring bleibt den USA treu
Auch nach dem erfolgreichen Abschluss ihres Studiums an der Universität von Oregon in Eugene (USA) kehrt 800-Meter-Läuferin Anne Kesselring (LAC Quelle Fürth) vorerst nicht nach Deutschland zurück. Den Sprung zur EM in Zürich (Schweiz) will die gebürtige Nürnbergerin in der starker Trainingsgruppe von Mark Rowlands schaffen.
Ein einziges Rennen bestritt Anne Kesselring in dieser Saison auf deutschen Bahnen. Bei den Titelkämpfen über 3x800 Meter, die im Rahmen der Deutschen Jugendmeisterschaften in Rostock ausgetragen wurden, holte die 23-Jährige Ende Juli gemeinsam mit ihren Teamkolleginnen vom LAC Quelle Fürth die Bronzemedaille.Weitere Wettkämpfe waren nicht möglich, weil Kesselring die meiste Zeit des Jahres in den USA lebt. Seit 2009 studiert sie dort an der Universität von Oregon in Eugene. Im Sommer schaffte sie ihren Abschluss in „Business Administration“, doch eine Rückkehr nach Deutschland ist vorerst trotzdem nicht geplant. „Ich werde auch weiterhin in Eugene trainieren“, verkündet Kesselring.
Anne Kesselring schließt sich dem Oregon Track Club an, bei dem unter anderen auch der WM-Zweite von Moskau (Russland) über 800 Meter, Nick Symmonds (USA), und die Olympiazweite von London über 10.000 Meter, Sally Kipyego (Kenia), trainieren. Ihr neuer Coach ist Mark Rowland. Ein Brite, der 1988 in Seoul (Südkorea) selbst Olympiabronze über die Hindernisse gewann. Nebenbei wird Kesselring halbtags in einer kleinen Firma arbeiten, um ihren weiteren USA-Aufenthalt zu finanzieren.
2009 über den Großen Teich
Vor vier Jahren war sie über den Großen Teich in die Vereinigten Staaten aufgebrochen – zum einen aus Neugier, zum anderen weil sie wusste, dass sich in Deutschland Sport und Studium oft nur schwer miteinander verbinden lassen. „Ich bin Perfektionistin“, sagt Anne Kesselring. „Es fällt mir sehr schwer, bei einer Sache kürzerzutreten. Deshalb wollte ich lieber gleich an einem Ort studieren, wo ich keine Wahl treffen muss, weil ich für die Universität starte und nicht ständig den Professoren hinterherrennen muss, um eine Befreiung oder Aufschub für eine Hausarbeit zu bekommen.“
Die Zeit in Übersee hat die gebürtige Nürnbergerin sportlich vorangebracht. Sie steigerte ihre Bestzeit über 800 Meter auf 2:02,12 Minuten, siegte 2011 bei den prestigeträchtigen US-College-Meisterschaften und durfte sich ein Jahr später in Wattenscheid auch Deutsche Meisterin nennen.
Die Titelverteidigung fiel in diesem Jahr allerdings aus, weil Kesselring stattdessen bei der Universiade in Kazan (Russland) an den Start ging. Dort scheiterte sie mit schwachen 2:09,01 Minuten im Halbfinale. Auf die Frage, ob sie nicht doch lieber in Ulm gelaufen und dort womöglich erneut Deutsche Meisterin geworden wäre, entgegnet sie: „Ich denke, dass man Entscheidungen nicht hinterhertrauern darf. Man muss sie treffen und dann auch dazu stehen. Und wer weiß, ob ich mit der Leistung von der Universiade bei den Deutschen Meisterschaften überhaupt etwas gerissen hätte.“
Verbesserte Ausdauer
Vor allem ihre Ausdauer habe sich in den vier Jahren in Oregon deutlich verbessert, erzählt Anne Kesselring. Immer wieder versuchte sie sich auch über 1.500 Meter, „aber der Durchbruch über diese Distanz lässt leider noch auf sich warten“, so die Läuferin.
Von den Trainingswerten her sollte sie eigentlich deutlich schneller laufen können als jene 4:13,90 Minuten, die sie bislang zu Buche stehen hat. „Die 1.500 Meter sind allerdings eine Strecke, bei der ich mich vom Kopf her schwer tue. Ich bin eher der Typ, der einfach mal losrennt und dann schaut, was am Ende dabei herauskommt. Wenn es nicht funktioniert, hat man es wenigstens versucht. Über 1.500 Meter kommt man damit allerdings nicht weit“, so Kesselring.
Hochzeitseinladung von Ashton Eaton
Trotzdem sieht sie ihre Zukunft mittelfristig eher auf der längeren Mittelstrecke als über die 800 Meter. Dass die nationale Konkurrenz über 1.500 Meter mit Corinna Harrer (LG Telis Finanz Regensburg), den Schwestern Diana und Elina Sujew (LT Haspa Marathon Hamburg) sowie Annett Horna (LC Rehlingen) deutlich größer ist als über die doppelte Stadionrunde, stört sie nicht.
„Viele versuchen nur, die Beste in Deutschland zu sein. Aber wenn man als Beste in Deutschland über 800 Meter nur 2:04 Minuten läuft, ist das doch nichts wert. Wenn man sich nicht traut, mal über den Tellerrand zu schauen und sich auch mal eine Klatsche einzuholen, so wie es mir bei der Universiade in Russland passiert ist, dann darf man sich nicht zur Elite zählen.“
Auch abseits der Bahn hat sie der Aufenthalt in Eugene geprägt. Sie schloss Freundschaften fürs Leben, unter anderem mit Zehnkampf-Weltrekordler Ashton Eaton (USA), der in ihrem ersten Auslandsjahr ebenfalls zum Uni-Team der „Oregon Ducks“ zählte. Zu seiner Hochzeit mit Siebenkämpferin Brianne Theisen (Kanada) konnte sie nur deshalb nicht reisen, weil zeitgleich die Universiade stattfand.
Von der Bahn ins Bad
Anne Kesselring entwickelte in den USA zudem einige Rituale, die sie bis heute beibehalten hat. Vor jedem Lauf putzt sie sich die Zähne und nach dem Rennen steigt sie ins Eisbad. „Meine Teamkollegin Jordan Hasay hat das immer gemacht. Ich glaube, sie hat in vier Jahren nur an zwei Tagen kein Bad genommen. Bei einer Meisterschaft waren wir zusammen auf dem Zimmer und dann ich bin einfach mal mit hineingestiegen.“ Sie lacht: „Ich konnte der Frau doch nicht zumuten, zehn Minuten allein in der eiskalten Badewanne zu sitzen!“
Anne Kesselrings nächste Ziele sind die Europameisterschaften im kommenden Jahr in Zürich und die WM 2015 in Peking. Chinesisch beherrscht sie schon. Auch das hat sie in den USA gelernt.
Quelle: Leichtathletik - Ihre Fachzeitschrift