Annika Becker - Spaßfaktor in der Sandgrube
Herbert Czingon, der DLV-Disziplintrainer für den Frauen-Stabhochsprung, lobt Annika Becker. "Sie hat eine geschickte Variante gewählt, indem sie zum Weitsprung gegangen ist", sagt er, "ich akzeptiere es." Die Erfurterin steht inzwischen nicht mehr so im Mittelpunkt wie früher, aber doch ist das Medieninteresse nach wie vor zu spüren. So auch in den letzten Tagen.
Annika Becker fliegt jetzt gerne weit (Foto: Chai)
Nach ihrem Start am Freitag in Kassel erschien zum Beispiel am gestrigen Montag ein Artikel in der "Frankfurter Rundschau". "Stabhochspringen ist für mich erst einmal tabu", wird die 23-Jährige dort zitiert und angemerkt, dass sie das mit Nachdruck sage, auch ein wenig genervt auf die immer wiederkehrenden Fragen nach einem Comeback in der Disziplin, in der sie immer noch Vize-Weltmeisterin ist.Es gibt wohl kaum ein bedeutendes Medium, das in der Leichtathletikberichterstattung etwas auf sich hält, das sich in den letzten Monaten nicht mit der Geschichte beschäftigte, dass Annika Becker nicht mehr über die Latte segelt. Mit dem Beginn dieses Jahres hat sie wettkampfmäßig dem Stabhochsprung nach den Folgen ihres Trainingssturzes im Februar 2004, der mit einem gefährlichen Muskelanriss im Halswirbelbereich und zehn Tagen Krankenhaus endete, den Rücken gekehrt und sich der Weiten- statt der Höhenjagd verschrieben.
Auftritt beim NDR
Um das zu unterstreichen, ging der Rotschopf am Sonntag in die Offensive. Beim "Sportclub" im NDR-Fernsehen nutzte sie ein großes öffentliches Forum, um noch einmal über den bösen Trainingsunfall, bei dem ein Stab brach, zu sprechen: "Es tat ganz schlimm weh. Ich war froh, das es so gut ausgegangen ist."
Vor allem eines verdeutlichte sie: "Ich möchte das beiseite schieben. Ich konzentriere mich auf den Weitsprung, der mir sehr viel Spaß macht. Ich möchte den Stabhochsprung ruhen lassen."
Trotzdem liegt die Frage danach immer noch nahe und die Rückkehr dahin will die Studentin nach wie vor auch nicht völlig ausschließen: "Ich habe immer gesagt, wenn es kribbelt und wenn ich möchte, das es weiter geht, sage ich Bescheid. Ich bin allgemein sehr fit. Es fehlt momentan nur die spezielle Stabhochsprungkraft. Man müsste aber viel aufholen im Oberkörperbereich und an technischer Kraft."
Besonderer Anreiz
Annika Becker vermisst aber vor allem eines, die breite Akzeptanz ihrer Weitsprung-Ambitionen, denen sie auch in den letzten Jahren schon immer wieder mit Sechs-Meter-Sprüngen frönte: "Viele Leute geben mir keine Zeit, das auszuprobieren, dabei ist es für mich ein besonderer Anreiz."
Einer mit respektablen Ergebnis obendrein. Bei den Deutschen Hallen-Meisterschaften in Sindelfingen gewann sie im Februar unter den lang geübten Spezialistinnen mit 6,40 Metern Bronze. Ihre Bestleistung unter Dach konnte sie zuvor schon auf 6,45 Meter steigern.
Nummer 100 der Welt
In diesem Sommer hat sie auch bereits wieder ihre Freiluft-Bestleistung auf 6,34 Meter verbessert, damit ist sie in dieser Freiluftsaison aktuell, wenn man den Statistikern Glauben schenkt, exakt die Nummer 100 der Welt. Immerhin! In Kassel lag sie als Fünfte vor der Deutschen Hallenmeisterin Kathrin van Bühren (KSV Kevelaer). Immerhin! Bei den Wettkämpfen zuvor in Wesel und Rhede hatte sie ebenfalls Tuchfühlung zu der deutschen Spitze. Immerhin!
So lange das so ist, wird Annika Becker wahrscheinlich vor allem weiterhin eines sagen: "Der Weitsprung macht super viel Spaß." Mit diesem Spaßfaktor ist ihr momentan die kleine Bühne mit der sandigen Grube, auf der sie nicht die Hauptrolle spielen muss, einfach auch groß genug.