Andrea Ziercke - Zwischen Athlet und Verband
"Ich habe früher auch kritisiert", sagt Andrea Ziercke. Die einstige deutsche Top-Sprinterin, damals noch als Andrea Philipp überaus erfolgreich auf der Bahn unterwegs, hat die Rolle getauscht. Jetzt ist sie es gemeinsam mit Speerwerfer Peter Blank als Athletensprecherin, die eben jene Kritik von den Athleten aufnimmt und im Deutschen Leichathletik-Verband anbringt, praktizierende Weichenstellerin zwischen den Aktiven und der DLV-Zentrale in Darmstadt.
Andrea Ziercke, jetzt Athletensprecherin im DLV (Foto: Gantenberg)
Der Verband hat sich, das war auch ein zentraler Punkt beim Verbandstag vor einer Woche in Kevelaer, eine bessere Kommunikation mit den Athleten auf die Fahnen geschrieben. "Damit steht und fällt alles", glaubt Andrea Ziercke, die in Schwerin zwei Kindertrainingsgruppen betreut und sich ansonsten momentan im Erziehungsurlaub befindet.Um die Problempunkte herauszufiltern, wurde bereits im letzten Jahr unter ihrer Mitregie eine Athletenbefragung durchgeführt: "Das war ein großer Erfolg." Inzwischen ist auch eine Athleten-Hotline auf den Weg gebracht worden. "Das ist die Möglichkeit eines Kummerkastens außerhalb der unmittelbaren DLV-Schiene", erklärt Andrea Ziercke, die unterstreicht, dass man den Athleten grundsätzlich mehr Service bieten will als bisher. "Ob man das nutzt oder nicht, entscheidet jeder selber."
Rat bekommen
Dabei steht die frühere Vorzeigeathletin, die vor zwei Jahren die Spikes an den Nagel hängte und Sprint-Bestzeiten von 11,05 bzw. 22,25 Sekunden über 100 und 200 Meter aufweisen kann, selbst an vorderster Front. "Leute, die Rat wollen, können ihn bei mir bekommen. Man muss ja nicht die gleichen Fehler machen, die ich begangen habe."
Einer Athletin, die sie in Schwerin praktisch vor der Haustüre' hat, konnte sie bereits zurück auf einen besseren Weg helfen. Die talentierte Stabhochspringerin Martina Strutz stagnierte seit 2002 in ihren Leistungen, jetzt ließ sie in der letzten Hallensaison wieder aufhorchen und schaffte es zur Hallen-EM nach Madrid. Auch ein kleiner Verdienst von Andrea Ziercke. "Wir haben einen kurzen Weg zueinander, ich habe sie sportlich beraten."
Schaltstelle
Jedenfalls möchte die WM-Dritte von 1999 über 200 Meter aber vor allem eines. Mithelfen, dass alle, Athleten und Funktionäre, dichter zusammenrücken. Deshalb ist es auch wichtig, dass sie, wie zuletzt bei der Hallen-EM in Madrid, bei der Nationalmannschaft präsent ist.
"Ich sehe mich dabei als Schaltstelle", sagt sie. Als solche hat sie in den ersten Wochen, in denen sie nun einen Einblick hinter die DLV-Kulissen bekommen hat, auch neue Eindrücke gesammelt. "Es ist schon interessant zu sehen, wie Hierarchien funktionieren."
Eben dort erhebt Andrea Ziercke, die auf den Rückhalt ihrer jungen Familie bauen kann, mittlerweile auch gerne die Stimme, um für ihre Sache zu kämpfen: "Früher war das eine reine Männerdomäne, aber die Frauen müssen auch stimmberechtigt sein."
Kein "Alibi-Amt"
In ihre neue Aufgabe als Athletensprecherin investierte die 33-Jährige zuletzt 20 bis 30 Stunden pro Woche. "Der Zeitaufwand ist immens", weiß sie inzwischen nach der ersten Anlaufphase, "aber wenn man es richtig machen will, ist damit eben ein großer Aufwand verbunden."
Dass sie gewillt ist, diesen auf sich zu nehmen, daran lässt Andrea Ziercke, die wie zu ihrer aktiven Laufbahn nach wie vor sehr viel Willenskraft und Geradlinigkeit ausstrahlt, keinen Zweifel. "Ich sehe das nicht als Alibi-Amt, man muss es mit Leben füllen."
Eines ist aber trotzdem schon klar: "Ich werde nicht jedem sein Paradies bauen können." Denn für gewisse Dinge wird auch weiterhin jeder Athlet selbst verantwortlich sein.