Ariane Friedrich - „Das war ‚Wow’“
Lediglich sechs Versuche benötigte Ariane Friedrich am Sonntag beim DKB-ISTAF in Berlin, um den deutschen Rekord der Leverkusenerin Heike Henkel auf 2,06 Meter zu schrauben und sich danach an der Einstellung des Weltrekords zu versuchen. In einem Pokerspiel besiegte sie die Weltmeisterin Blanka Vlasic (Kroatien) und führte das Berliner Publikum zu wahren Jubelstürmen. Im Interview berichtet sie, was diese Leistung für sie bedeutet und wie sie sie im Hinblick auf die Heim-WM (15. bis 23. August) bewertet.
Ariane Friedrich, herzlichen Glückwunsch zum neuen deutschen Rekord. Wie haben Sie den Wettkampf erlebt?Ariane Friedrich:
Es war einfach nur "Wow". Es ist wirklich sehr schwer, das alles in Worte zu fassen. Mein Trainer und ich haben ein Spiel gespielt, das ziemlich fies war. Ich bin mich bei 1,90 und 2,00 Metern eingesprungen, und bei 2,00 Metern lag die Latte nach dem Einspringen auch noch. Das war schon ziemlich dreist. Aber bei der Golden League geht es um eine Million Dollar - nicht für mich, aber für andere - und ich wollte außerdem ein Statement für Berlin setzen. Für die WM in Berlin in zwei Monaten, und auch für die deutsche Leichtathletik, die im Moment wieder im Aufschwung ist. Und ich hoffe, dass wir alle davon profitieren können.
Wie haben Sie sich im Vorfeld gefühlt?
Ariane Friedrich:
Wir sind sehr, sehr gut durch das Aufbautraining im Ostertrainingslager gekommen. Von daher konnten die ganzen Werte, die ich in der Halle hatte, noch einmal verbessert werden. Wir wussten also schon, dass eine Menge gehen kann. Aber es ist immer die eine Frage, was möglich ist, und die andere, was wirklich dabei heraus kommt.
Nachdem Sie Ihre Einstiegshöhe von 1,93 Metern übersprungen hatten, haben Sie sehr gejubelt. Ist da viel Erleichterung mit im Spiel gewesen?
Ariane Friedrich:
Wenn ich mich richtig erinnere, sind die 1,93 Meter mein bisher höchster Wettkampfeinstieg gewesen. Ich war also schon froh, dass ich diese Höhe gleich auf Anhieb geschafft habe. Aber ich habe eigentlich bei jedem erfolgreichen Sprung gejubelt. Berlin ist wirklich sehr mitreißend. Aber man muss auch versuchen, dass man in diesem Sog keine Fehler macht.
Sie haben anschließend die 1,96 Meter und später auch die 2,03 Meter ausgelassen. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, so vorzugehen?
Ariane Friedrich:
Die Dreistigkeit im Einspringen hat sich auch ein wenig im Wettkampf fortgesetzt. Je häufiger man springt, desto mehr Fehler kann man machen. Von daher versuche ich immer, relativ schnell hoch zu gehen und relativ schnell am Limit zu sein. Wir haben hoch gepokert und das Spiel zum Glück gewonnen. Denn wenn wir es nicht gewonnen hätten, dann hätten sie uns hinterher vermutlich zerrissen.
Bei der Team-EM in Leiria (Portugal; 20./21. Juni) stehen Ihnen ja auch weniger Sprünge zur Verfügung...
Ariane Friedrich:
Ja, das war also noch mal eine gute Generalprobe. Vor allen Dingen ist es natürlich auch Kraft sparend, so wenige Höhen wie möglich zu springen. Und ich habe im Moment einfach die Selbstsicherheit, dass ich das kann, und wenn ich mich danach fühle, dann mache ich das einfach so.
Wie stolz sind Sie auf Ihre Leistung? Sie haben Ihre Hallen-Bestleistung noch einmal um einen Zentimeter gesteigert.
Ariane Friedrich:
Es macht mich vor allem sehr, sehr stolz, dass ich jetzt den deutschen Rekord gesprungen bin, was eigentlich für mich in der Vergangenheit nie ein Thema war. Der Rekord wurde von Heike Henkel gehalten, und sie ist in Deutschland ein Hochsprung-Idol. Jedes Kind kennt Heike Henkel, aber nicht jedes Kind kennt Ariane Friedrich. Ich bin sehr stolz, dass ich damit so ein bisschen ihre Nachfolge antreten kann - auch wenn das sehr, sehr schwer werden wird. Aber ich will versuchen, den Hochsprung wieder interessanter zu machen und unsere Jugend und Kinder wieder für die Leichtathletik zu begeistern. Auch für die WM in Berlin zu begeistern. Denn da haben wir viel Potenzial.
Den zweiten Versuch über 2,09 Meter haben Sie nur knapp gerissen. War Ihnen bewusst, wie nahe Sie da dem Weltrekord waren?
Ariane Friedrich
Ich finde heutzutage sollte man nicht immer noch mehr wollen. Gerade, wenn so eine Leistung gefallen ist. Weltrekord ist Weltrekord. Und den habe ich nicht geschafft. Aber ich habe 2,06 Meter stehen, ich bin deutschen Rekord gesprungen, und ich denke, das ist eine Höhe, die durchaus zu würdigen ist. Ich werde jetzt bestimmt nicht von noch mehr reden.
Als Blanka Vlasic die 2,09 Meter in Angriff genommen hat, haben Sie nicht hingeschaut. War das eine bewusste Geste?
Ariane Friedrich
Ich lasse mich im Wettkampf nicht ablenken, auch nicht, wenn der Weltrekord aufliegt. Das wäre fatal. Ich denke Blanka Vlasic kann den Weltrekord springen. Sie ist in der Verfassung dazu. Jetzt hat es nicht gereicht, aber vielleicht reicht es beim nächsten Mal.
Der Hochsprung ist ja auch einer von zehn Golden League-Wettbewerben. Werden Sie jetzt weiter um den Jackpot springen?
Ariane Friedrich
Nein. Ich springe nicht des Geldes wegen. Obwohl es nicht so ist, dass ich die eine Million US-Dollar nicht gut gebrauchen könnte. Aber ich nehme in Belgrad (Serbien; 1. bis 12. Juli, Anm. d. Red.) an den Studenten-Weltmeisterschaften teil, und zu demselben Zeitpunkt findet ein Golden League-Meeting statt. Ich werde jetzt nicht, nur weil ich hier gewonnen habe, alle Pläne umschmeißen.
Wie ist dieser Wettkampf, in dem Sie Blanka Vlasic erneut geschlagen haben, im Hinblick auf die Weltmeisterschaften in Berlin im selben Stadion zu bewerten?
Ariane Friedrich
Das werden wir dann sehen. Man darf nicht nur auf Blanka Vlasic schauen. Man muss jede Springerin im Auge behalten, und es wäre gefährlich zu behaupten, nur Blanka könne mich schlagen - im Gegenteil. Ich hatte jetzt einen unglaublich guten Tag, aber es wird sicherlich auch mal wieder schlechter für mich laufen. Deswegen hoffe ich, dass man nicht zu viel von mir erwartet.
Welche Ziele haben Sie sich persönlich denn für die WM gesetzt?
Ariane Friedrich
Das Ziel ist ganz klar das Finale und dort eine Medaille. Aber welche, das wird sich zeigen. Heute war ich stärker, im nächsten Wettkampf ist vielleicht Blanka stärker. Ich weiß es einfach nicht. Aber es macht sehr viel Spaß, gegen sie zu springen. Sie fordert mich wirklich bis aufs Letzte heraus. Und das ist interessant für die gesamte Leichtathletik.
Wie wollen Sie mit dem Druck umgehen, der nach dieser Leistung in Zukunft vermutlich auf Ihnen lasten wird?
Ariane Friedrich
Druck? Ich mache mir jetzt keinen Druck, ganz ehrlich. Ich möchte Spaß haben am Springen. Damit bin ich erfolgreich.