Ariane Friedrich - „Der absolute Wahnsinn“
Es heißt, wenn es einmal gut läuft, dann gleich richtig. Bei Ariane Friedrich bedeutet dies wohl, dass es sich dann völlig entspannt und rundum glücklich in neue Dimensionen springen lässt. Bei ihrer ganz persönlichen Hochsprung-Flugshow ist die Frankfurterin inzwischen bei den zwei Metern angelangt. leichtathletik.de sprach mit ihr über diese Entwicklung und das neue Gefühl beim Fliegen.

Ariane Friedrich:
Ehrlich gesagt, bin ich gerade total müde. Ich war in letzter Zeit ständig unterwegs. Die Wettkämpfe und die jeweiligen Anreisen sind unheimlich anstrengend. Dazu kommt das Training, meine Ausbildung zur Polizistin im gehobenen Dienst und vor allem jede Menge Interviews und Medienanfragen. An diesen Rummel muss ich mich erst gewöhnen und manchmal wird es mir fast zu viel. Schließlich will ich im Moment nur eines: Hochspringen. Und das ist zur Zeit einfach der Hammer und macht mich wahnsinnig glücklich.
Wie fliegt es sich denn über die bisher unbekannten zwei Meter?
Ariane Friedrich: Der Sprung selbst fühlt sich nicht anders an, als bei niedrigeren Höhen. Man fliegt deshalb nicht länger und ich habe beim Überqueren auch keine Magie bemerkt. Es ist ein nahtloser Übergang. Aber die Freude ist gigantisch. Als ich auf der Matte gelandet bin und die Latte noch immer oben lag, haben sich meine kompletten Gedankengänge ausgeschaltet. Ich habe einfach nur die pure Freude aus mir heraus geschrieen. Der absolute Wahnsinn.
Gab es einen Moment des Zögerns beim Absprung?
Ariane Friedrich: Nein, genau das ist das Geheimnis. Keinen Respekt vor diesen Höhen zu haben, weil plötzlich eine Zwei vor dem Komma steht. Nur mit voller Kraft lässt sich eine gute Technik über der Latte springen. Und genau das kann ich in diesem Winter umsetzen. Im letzten Jahr war ich einfach vom Kopf her noch nicht bereit, um diese Höhen anzugehen.
Haben Sie zudem das Training umgestellt?
Ariane Friedrich: Auch wenn sich die Antwort unspektakulär anhört, aber mein Training sieht bis auf Kleinigkeiten nicht anders aus als in den vergangenen Jahren. Um das Immunsystem zu stärken, haben wir bis zum Dezember im Freien trainiert und viele Treppensprünge und -läufe absolviert. Entscheidend aber war, dass ich die letzten zwei Jahre verletzungsfrei geblieben bin. Somit folgte auf einen guten Trainingsaufbau im letzten Jahr ein noch besserer in diesem Winter. Daraus ergibt sich dann einfach eine logische Entwicklung. Überraschend ist, wie gut ich in die Hallensaison eingestiegen bin. Dass es gleich 1,97 Meter wurden, war einfach nur krass und unerwartet. Als Quantensprung in neue Dimensionen würde ich es aber nicht bezeichnen.
Aber Sie haben sich von bisher 1,94 Meter auf 2,00 Meter verbessert…
Ariane Friedrich: Die körperlichen Voraussetzungen waren auch im Sommer schon da. Ich hatte eine sehr konstante Saison mit Höhen um die 1,93 Meter. Nur der Ausreißer nach oben fehlte. Erschwerend hinzu kam das schlechte Wetter. Die Hälfte der Wettkämpfe fand im Regen statt. Und erst jetzt habe ich gelernt, meine Fähigkeiten konsequent umzusetzen.
Was heißt das genau?
Ariane Friedrich: Ich bin erwachsener und verantwortungsbewusster geworden und lebe momentan für den Sport. Ich habe mein gesamtes Leben optimiert. Außerdem achte ich auf eine bewusste Ernährung, um meine körperlichen Reserven noch mehr auszunutzen. Hinzu kommt der private Bereich, auch hier stimmt alles. Ich habe seit November eine schöne Wohnung, in die ich gemeinsam mit meinen neuen Mitbewohnern Paule und Lilli eingezogen bin. Das sind meine zwei Katzen. Vor allem aber gibt mir meine tolle Beziehung mit dem polnischen Schwimmer Lucasz Woyt sehr viel Kraft und mentale Ruhe. Unser gemeinsamer Traum ist die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Peking (China). Und an dem arbeiten wir beide hart.
Dazu gehört auch eine Trainingseinheit wie am Sonntagabend nach der Rückreise aus Arnstadt?
Ariane Friedrich: Ja. Mein Trainer Günter Eisinger und ich waren erst gegen 20 Uhr wieder in Frankfurt. Um meinen Rhythmus beizubehalten und vor allem die Spannung, stand auf dem Trainingsplan noch eine lockere Einheit. Zum Glück habe ich ein Fitnessstudio gefunden, mich schnell für ein Probetraining angemeldet und bin in angenehmer Atmosphäre auf dem Laufband gerannt. Wichtiger aber war der Sieg über meinen inneren Schweinehund. Wie gesagt, im Kopf stimmt im Moment einfach alles.
Sie wirken auch im Wettkampf sehr konzentriert und auf sich bezogen!
Ariane Friedrich: Das habe ich im Winter gelernt. Ich mache mein Ding. Während des Wettkampfs interessiert mich meine Konkurrenz nicht. Wenn ich sehe, wie Blanka Vlasic locker über 1,96 Meter springt, lenkt das bloß ab. In Arnstadt zum Beispiel dauerte der Wettkampf über drei Stunden und meine Konzentration ließ nach. Deshalb bin ich bei 1,99 Meter beim Absprung etwas umgeknickt. So ein Schusselfehler darf einfach nicht passieren. Vor allem, wenn man bis 1,96 Meter alle Höhen im ersten Versuch nimmt und die Form stimmt. Zum Glück ist alles in Ordnung und der Fuß nicht verletzt.
Wann steht der nächste Wettkampf an?
Ariane Friedrich: Ich habe jetzt zwei Wochen Pause. Dann geht es zum Hallen-Europacup in Moskau. Bis dahin werde ich die ungewohnt ruhige Zeit an den Wochenenden sehr genießen. Das Wort „Ausschlafen“ ist für mich schon fast zum Fremdwort geworden. Schließlich habe ich auch meinen Dienst bei der Polizei zu absolvieren und arbeite in der Woche jeden Tag von 10 bis 15 Uhr auf dem Revier.
Und wie soll die Flugshow weitergehen?
Ariane Friedrich: Ich hoffe, dass die Ansprüche von außen jetzt nicht zu groß werden. Ich kann ja nicht in jedem Wettkampf einen Zentimeter drauflegen. Ziel ist es, in der Halle keinen Wettkampf unter 1,95 Meter zu beenden. Bei der Hallen-WM in Valencia (Spanien) will ich ins Finale. Und auch in Peking habe ich nicht vor, als Rucksacktouristin anzutreten. Vor allem möchte ich weiterhin relaxt hochspringen.