Ariane Friedrich - Ein Cut der Vernunft
Ihre Saison war lang und kräftezehrend. Welche Spuren der Sommer hinterlassen hatte, gerade mental, war am Sonntag offensichtlich, als sich Ariane Friedrich noch einmal im SWR-Fernsehstudio den Fragen der Moderatorin stellte und dort, wenige Stunden nach dem für sie selbst enttäuschenden Auftritt in Eberstadt, den Schlusspunkt unter ihr Hochsprungjahr setzte.

Schluss! Die geplanten Starts beim Golden-League-Ausklang in Brüssel (Belgien) und dem Weltfinale in Thessaloniki (Griechenland) waren flugs aus dem Terminkalender gestrichen. „Ich bin froh über die Entscheidung. Sie war aber nicht einfach. Ich hätte diese beiden Meetings noch gerne gemacht. Es geht aber einfach nicht mehr. Es lief schon in Zürich nicht mehr so wirklich.“ Dort war sie am letzten Freitag mit 1,94 Metern Vierte geworden.
Spaß vor Geld
Spaß vor Geld, das gilt im Sport für Ariane Friedrich. Spaß vor Geld, das scheint die momentane Lebensphilosophie und durchaus auch ein Erfolgsrezept zu sein. „Geld ist nicht alles. Ich würde zwar lügen, wenn ich sagen würde, ich hätte nicht gern mehr im Portemonnaie. Ich freue mich auch über jeden Euro mehr auf dem Konto. Aber der Sport muss mir Spaß machen und ich kann auch nur gut springen, wenn ich Spaß beim Wettkampf habe.“ Und ohne Spaß kein Wettkampf, so die Konsequenz.
Noch etwas anderes hat die 1,78 Meter große Hohenjägerin ganz nebenbei zu ergänzen: „Ich finde außerdem, dass heute der Trend immer mehr dahin geht, sich als Sportler gut zu verkaufen. Die Werte, die durch den Sport vermittelt werden sollen, treten leider in den Hintergrund.“
Sie hat das Geschäft gerade in der letzten Zeit rasant kennen und damit umzugehen gelernt. Ariane Friedrich weiß, worauf es da wie dort ankommt. Ungemeines Selbstbewusstsein strahlt die Bronzemedaillengewinnerin der WM aus. Das war der nachhaltige Eindruck der letzten Monate.
Eigene Entscheidungen
Fernab der Hochsprung-Anlage, wo sie sich glänzend darstellt, und auch im sportlichen Höchstbetrieb. „Den ganzen Verlauf des Wettkampfes bestimme ich. Alle Entscheidungen, das heißt, mit welcher Höhe ich anfange, welche Höhen ich auslasse, treffe ich selbst.“ Das galt auch bei der WM und für ihren letzten verbliebenen Versuch dort: „So war es auch beim Sprung über 2,06 Meter. Diese Höhe lag in meinem Leistungsbereich.“
Ein eindrucksvoller Moment des jüngsten WM-Hochsprungfinales blieb in Erinnerung, als Ariane Friedrich den Zeigefinger auf den Mund legte. „Es war sehr unruhig, da bat ich um Ruhe. Und war schon überrascht, dass es dann gleich so ruhig wurde. Dabei bin ich doch nur ein ganz normales Mädchen.“ Allerdings eines, das im Mittelpunkt steht. Nicht immer brauche sie Ruhe im Stadion, manchmal, wenn sie etwas müder sei, benötige sie eher Anfeuerung. „Aber diesmal stand ich so unter Spannung, da war Ruhe angemessen.“
Der Wettkampf-Gedanke
Wert legte die Hochspringerin, die sich sichtlich über Bronze freute, auf die Erklärung, dass sie beim Saisonhöhepunkt in Berlin natürlich gewinnen wollte. „Es heißt Wettkampf, also ist es ein Kampf gegen alle anderen. Da wird dem anderen überhaupt nichts geschenkt. Ich konzentriere mich auf mich, und nicht auf die Sprünge der anderen. Ich bin dann auch gar nicht ansprechbar, außer für meinen Trainer.“
Der Trainer, mit dem sie ein besonderes Verhältnis verbindet, ist die große Stütze. „Wir, das heißt Günter Eisinger und ich, sind ein unschlagbares Duo. Ich habe ihm alles zu verdanken, auch, weil er immer an mich geglaubt hat.“
Und eben dieser Günter Eisinger lotste Ariane Friedrich mit viel Bedacht durch dieses nicht ganz einfache und am Ende doch so erfolgreiche Jahr. Es war auch deshalb nicht einfach, weil der Trubel um seine Überfliegerin ungeahnte Dimensionen annahm. Erst recht, als sie bereits im Juni in Berlin deutschen Rekord (2,06 m) gesprungen war. „Von dem Moment an gab es einen Hype, der war unvorstellbar“, erinnerte sich der Frankfurter Erfolgscoach an das, was sich um den deutschen Hochsprung-Kometen abspielte.
Großer Druck
Unvorstellbar groß sei auch der Druck gewesen, wie es Ariane Friedrich selbst umschrieb. „Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum es jetzt nicht mehr läuft. Ich hätte noch Höhen in den Beinen, aber vom Kopf her kann ich’s nicht mehr.“
Was bleibt? Das Hochsprung-Jahr 2009 war für Ariane Friedrich ein erfolgreiches. „Die sogenannten Big Points haben in diesem Jahr super geklappt“, stellte ihr Trainer und Mentor fest. Günter Eisinger verwies damit auf den Winter, in dem Ariane Friedrich Hallen-Europameisterin geworden war, den deutschen Rekord, den sie schon im Juni springen konnte, und auf WM-Bronze in Berlin. „Ich bin unglaublich zufrieden mit meiner Saison und den 2,06 Metern. Was will ich denn mehr?“, fragte sich die Athletin selbst.
Keine Träumereien
Mit dieser Zufriedenheit bricht im Sportlerleben der Blondine vorübergehend eine ruhigere Zeit an. „Ich versuche jetzt, die Saison zu verarbeiten. Ich werde nicht sofort aus dem Training gehen, sondern versuchen, etwas anderes zu machen. Das ist aber noch geheim. Im Winter will ich dann wieder angreifen.“
Doch die Bodenhaftung möchte Ariane Friedrich auch dann nicht verlieren. Träumereien und dem öffentlichen Erwartungsdruck erteilt sie ohnehin gerne eine Absage. Weltrekord? 2,09 Meter? Die dafür noch fehlenden drei Zentimeter? „Ich verzichte darauf, vom Weltrekord zu reden“, sagte sie.
Hochsprung als Kopfsache
Ein bisschen ließ sich Ariane Friedrich dann aber doch in die Karten blicken, wenn es um diese Traumhöhe geht. „Das sind zwei, drei Jahre harte Arbeit. Es müsste genauso weiter laufen. Ich müsste immer komplett gesund sein und ich müsste noch das Potenzial haben, mich so zu verbessern. Ich denke aber schon, dass es möglich ist, dass ich mich in meinen Trainingsleistungen noch steigern kann.“
Ein schwer zu berechender Faktor bleibt jedoch: „Der Hochsprung ist eine Kopfsache. Wenn der Kopf in den entscheidenden Höhen nicht mitspielt, dann nutzt die beste Form nichts.“ Eine Aussage, die aktueller nicht sein könnte. Denn das ist wohl auch der Grund, warum bei Ariane Friedrich jetzt Schluss ist. Aber nur für dieses Jahr. Mit einem Cut der Vernunft.