Ariane Friedrich rechnet fest mit London
Hochspringerin Ariane Friedrich (LG Eintracht Frankfurt) nimmt Kurs auf die Olympischen Spiele in London (Großbritannien; 27. Juli bis 12. August). Bei ihrem Freiluft-Auftakt in Rehlingen sicherte sie sich mit 1,92 Meter den Sieg und ließ erkennen, dass es bald höher gehen wird. „Mit diesem Auftakt sind wir sehr zufrieden. Das war ohne Fehl und Tadel“, lobte Trainer Günter Eisinger.
Für die 28-jährige Polizeikommissarin fand damit eine lange Leidenszeit ihr Ende. Am 20. Dezember 2010 hatte sie sich im Training die Achillessehne am linken Sprungfuß gerissen, die Rückkehr zu sportlichen Höchstleistungen war nicht einfach. Die Operation und die nachfolgende Reha sind eine Sache, doch auch der Kopf muss beim Wiederbeginn mitspielen.Normalerweise springt Ariane Friedrich im Training nie über die Latte, übt nur den Anlauf und deutet den Abflug an. Vor der Hallensaison 2012 war das anders. „Sie musste auch im Training über die Latte, ihr fehlte ja ein Jahr Erfahrung. Sie musste wieder ein Gefühl fürs Springen bekommen und vor allem Vertrauen zum Fuß“, blickt Günter Eisinger zurück. „Bei der ersten Einheit über eine ‚Pampers-Höhe‘ war die Angst noch da.“
Geduld fehlte
Aber es dauerte nur kurz, bis Ariane Friedrich die Angst verlor. Hilfreich war, dass sie beim Springen keine Schmerzen verspürte, keine Reizungen auftraten, wie oft nach solchen Operationen.
Günter Eisinger lässt keinen Zweifel daran, dass er bei gesundheitlichen Problemen ein Stoppzeichen gesetzt hätte. Aber auf einige Einheiten, die die Höhenjägerin früher gern gemacht hatte, musste sie nun verzichten. „Das Entscheidende ist, dass die Athleten Geduld haben müssen. Aber die haben sie eben nicht, was wiederum für einen Athleten, der ganz oben stehen will, normal ist.“
Tränen abgewischt
Auf ihre Nervenstärke kann sich Ariane Friedrich wieder verlassen: „Ich bin jetzt weit davon entfernt, in den nächsten Wettkämpfen im Freien in Tränen auszubrechen“, hatte sie kürzlich auf einer Pressekonferenz erzählt. Das war in der Halle noch nicht so: „Der Druck war sehr hoch, aber den habe ich mir auch selber gemacht. Ich hatte Erwartungen jenseits von 1,94 Meter, dachte, ich sei so gut in Form und dass alles von allein geht. Das war der Fehler.“
So waren auch die Tränen erklärlich, die nach ihrem Hallen-Comeback im südmährischen Hustopece flossen, das mit 1,84 Meter endete. Das Lächeln nach dem deutschen Hallentitel in Karlsruhe (1,91 m) blieb noch unterkühlt, weil Ariane Friedrich sich mehr erhofft hatte. Aber der Trainer sah das anders: „Ein oder zwei Höhen mehr hätten sicherlich ihr Selbstbewusstsein gestärkt, aber wichtig war der Titel. Wir müssen Stufe für Stufe vorgehen.“
Erfolgreiches Trainingslager
Weitere Stufen bewältigte die Hochspringerin in den vergangenen Wochen. „ Das wird langsam wieder Technik. Wir sind aber noch nicht da, wo ich hin will“, bilanziert der Trainer. Doch das Trainingslager im südafrikanischen Pretoria habe einen Schub nach vorn gebracht. „Es war super“, sind sich beide einig. Die Trainingsanlagen, das Wetter, die freundlichen Leute, alles passte. So ganz nebenbei wurden sie auch zu Rugby-Fans.
Günter Eisinger schwärmt: „Es sind Jungs dabei gewesen, die derart muskulär definiert waren, dass man sagen muss: das ist ein Kunstwerk. Unser Physio Peter Heckert war begeistert.“ Aber von nichts kommt nichts. Ariane Friedrich berichtete: „Sie haben endlos lang mit Vorschlaghämmern auf riesige LKW-Reifen geschlagen, wie verrückt.“ So verrückt will die Hochspringerin nun zwar nicht im Training sein, aber einiges haben sich Trainer und Athletin schon von Rugby-Profis abgeschaut.
So war schon vor ihrem Einstieg in die Freiluftsaison eine „Vollkatatastrophe“ kaum zu befürchten: „Ich fühle mich in einer sehr guten Form und bin sehr zuversichtlich, dass ich das auch zeigen kann“, sagte die Frankfurterin. „Meine Nervenstärke ist sehr gut, sie wurde ja auch in der letzten Zeit sehr geschult“, sagt sie mit einem hintergründigen Lächeln.
Medien ignoriert
Nervenstark musste Ariane Friedrich vor allem außerhalb des Trainings sein, nach dem Wirbel um die Veröffentlichung einer sexuellen Belästigung auf ihrer Facebook-Seite. Doch auch dem gewinnt sie noch positive Seiten ab. „Ich kann jedem nur empfehlen, mal eine zeitlang nicht in die Medien zu gehen, nicht ins Internet, ins Fernsehen, und keine Zeitung zu lesen. Stattdessen habe ich mir in Ruhe die Roman-Trilogie ‚Die Tribute von Panem‘ angehört.“
Und dass sie in Frankfurt nicht nur auf der Heimanlage trainierte, sondern die Trainingsorte wechselte, sah sie beileibe nicht als Problem. „Mein Training war überhaupt nicht gestört. Es war gut, auf verschiedenen Plätzen zu trainieren“. Bei den Wettkämpfen müsse sie ja auch mit unterschiedlichen Bedingungen klar kommen.
Erster Auftritt ohne Ankündigung
Den Saisonauftritt in Rehlingen hatte sie schon zwei Wochen geplant, ihn aber erst am Veranstaltungstag bekanntgegeben, um den zu erwartenden Medienrummel nicht zu groß werden zu lassen. So absolvierte sie einen guten Wettkampf, sprang alle Höhen ab 1,82 Meter im ersten Versuch und scheiterte diesmal noch an der Olympia-Norm von 1,95 Metern. Dass die bald fällt, da sind sich Trainer und Athletin sicher.
Der Blick geht deshalb auch schon nach vorn, Richtung EM und Olympia. „Die EM wird vom Ablauf her noch mal eine sehr gute Generalprobe für die Olympischen Spiele. Das bekomme ich so in keinem anderen Wettkampf“, sagt Ariane Friedrich und sieht es pragmatisch.
Olympische Spiele mit Priorität
Gleichzeitig bedauert sie aber, dass die EM diesmal eher ein Durchgangspunkt und nicht der Höhepunkt sein wird. „Ich weiß nicht, ob das gut ist. Ich bin in der Leichtathletik groß geworden, und bisher war eine Europameisterschaft immer der Höhepunkt.“
Doch die Sportlerin muss sich den Gegebenheiten fügen. „Olympia ist das Wichtigste für einen Athleten, und das ist auch für mich so.“ Bis zum Start in London aber muss sie noch einige Stufen nehmen. Zunächst sollen noch zwei Kilo runter, das harte Los einer Hochspringerin. „Mein Appetit auf Schokolade ist leider ungebrochen“. Den zu zügeln wird in diesem Olympiajahr nur eine von vielen Herausforderungen sein.