Ariane Friedrich springt mit Spaß
Hochspringerin Ariane Friedrich (LG Eintracht Frankfurt) und ihr Trainer Günter Eisinger sind seit vielen Jahren ein eingespieltes Team. Manchmal genügt ein einziger Blickkontakt zwischen beiden. So auch beim Pressegespräch in Berlin, als die Hallen-Europameisterin nach den Ursachen für die schwache Vorstellung von Blanka Vlasic (Kroatien) in Turin gefragt wurde.
Kurz nur schaute sie zu ihrem Trainer, noch unsicher, ob sie es denn ausplaudern solle, aber auf dessen Kopfnicken meinte sie: "Blanka hat es sehr irritiert, dass ich mich bei 1,95 Metern eingesprungen habe, übrigens so hoch wie nie zuvor. Sie ging extra nochmals zum Ständer und sah nach, ob die Höhe wirklich stimmte."Aber nicht, dass nun jemand auf die Idee käme, die 25-Jährige würde sich ihrem Trainer total unterordnen. Selbstbewusst, oft lächelnd und immer wieder ihr Credo "ich möchte Spaß beim Springen haben" betonend, gab sie sich locker wie selten. Erfolg macht stark, könnte man urteilen.
"Psycho-Tricks" zeigen bei Blanka Vlasic Wirkung
Natürlich kreiste das Interesse der Journalisten noch einmal um die Turiner Tage, ließ die Psychologie des Hochsprungs nachempfinden. Trainer Günter Eisinger war ganz in seinem Element, als er sich erinnerte: "Das Einspringen von Ariane war stark, so habe ich es noch bei keiner anderen Athletin gesehen. Es war aber nicht nur dieses Einspringen. Den zweiten Schock erhielt Blanka, als Ariane nicht bei 1,89 Metern, sondern erst bei 1,92 Metern den Wettkampf begann und dann die 1,96 Meter ausließ."
Allerdings war der Trainer doch überrascht, wie schnell sich die 25-Jährige Kroatin den Zahn ziehen ließ. Dabei hält er sehr viel von ihr, schätzt sie immer noch als härteste Konkurrentin für Ariane Friedrich ein, auch wenn er die anderen Hochspringerinnen nicht unterschätzt: "Es sind fünf bis sechs Springerinnen, die sich allesamt im Zwei-Meter-Niveau bewegen und von denen jede die andere schlagen und internationale Höhepunkte für sich entscheiden kann."
Ariane Friedrich leicht in Front
Im direkten Duell Ariane Friedrich gegen Blanka Vlasic sieht Günter Eisinger zwei Schlüsselerlebnisse, die im Moment für seine Athletin sprechen. "Einmal hat ihr der Sieg in Brüssel im Vorjahr viel gegeben, und nun natürlich der Erfolg in Karlsruhe. Bei 2,05 Metern vorn zu sein, das war stark." Blanka Vlasic werde einige Zeit brauchen, um das zu verarbeiten.
Wenn Günter Eisinger nach seinem Schützling gefragt wird, hebt er die tolle Entwicklung hervor, die Ariane Friedrich genommen hat. "Vom Flippy zu einer gereiften Athletin, die wirklich auch sportlich lebt, die viel schläft, sich vernünftig ernährt." Das war bei ihr nicht immer so. "Vor drei Jahren hatten wir unser Kamingespräch, wo es darum ging, ob wir weitermachen oder nicht. Was sich danach alles verändert hat, ist beachtlich."
Günter Eisinger hebt auch hervor, dass Ariane Friedrich das "duale System" verstanden hat, das heißt die Kombination von Hochleistungssport und Berufsausbildung, sprich dem Studium an der Polizeifachhochschule in Wiesbaden.
"Ich bin ein Verfechter dieses Systems, mit dem ich Erfahrungen gesammelt habe bei allen Athleten, die ich betreut habe, und es waren ja schon damals einige dabei, die Weltspitze waren. Immer, wenn nur die sportliche Leistung im Vordergrund stand, kam irgendwann ein Stillstand oder gar ein sportlicher Einbruch. Immer dann, wenn ich gesagt habe, dass sie an den Beruf denken sollen, hat sich das Sportliche auch wieder verbessert."
Spaß vor Geld
Ariane Friedrich sucht stets die Konkurrenz, sicher auch ein Zeichen von Stärke. Dabei betont sie, dass sie nicht des Geldes willen springt, sondern Spaß haben möchte, den Wettkampf genießen will. So schmerzt es sie auch nicht, dass sie 2009 nicht alle sechs Golden-League-Wettbewerbe bestreiten wird, und deshalb keine Chance auf den Jackpot hat.
Auch im Februar schaute sie nicht zuerst aufs Geld. Nach dem Sieg von Karlsruhe war ihr Trainer "ohne Ende" bearbeitet worden, um beim Heimmeeting in der Geburtsstadt von Blanka Vlasic, im kroatischen Split zu starten, gewissermaßen eine Revanche zu ermöglichen.
"Es war ein verlockendes Angebot, zudem war allein Hochsprung angesagt, vor 12.000 Zuschauern." Aber Günter Eisinger sagte ab, weil zum gleichen Zeitpunkt die Deutschen Hallen-Meisterschaften in Leipzig anstanden.
Zwar war bereits ein Flieger organisiert, der Ariane Friedrich gleich nach dem Samstag-Wettkampf zurück nach Leipzig bringen sollte, mit dem Argument , dass sie am Sonntag sowieso nur zwei Sprünge brauchen würde, um den Titel zu holen. "Aber wenn wir in Deutschland einen Wettkampf machen, dann machen wir ihn richtig oder gar nicht. Und Deutsche Meisterschaften haben für mich einen unheimlich hohen Stellenwert", erklärt der Trainer.
Zuerst Teneriffa, dann Darmstadt
Jetzt ist erst mal ein Trainingslager auf den Kanaren angesagt. Warum dort? Wegen des guten Wetters und der nur geringen Entfernung zur Heimat von rund drei Stunden. Zudem, so Günter Eisinger, "suche ich immer in etwa vergleichbare Bedingungen, die wir dann beim internationalen Höhepunkt haben".
Den ersten Wettkampf wird Ariane Friedrich bei den Deutschen Hochschulmeisterschaften im Mai in Darmstadt bestreiten. "Dort muss man antreten, um später für die Universiade in Belgrad (Serbien) nominiert werden zu können."
Warum aber ist für sie die Universiade ein lohnendes Ziel? "Viele Athleten haben auch früher den Weg in die absolute Weltspitze über den "Umweg" Universiade genommen, auch beispielsweise in der DDR, ich erinnere an Speerwerferin Petra Felke. Ariane hat vor vier Jahren Bronze gewonnen, vor zwei Jahren Silber und nun soll es Gold werden."
Universiade als Aufgalopp für Berlin
Der Termin für die Universiade - das Finale wird am 12. Juli sein - stört nicht, wobei, so der Trainer, Training und Wettkampf sowieso anders als üblich gestaltet werden. "Ariane springt im Training nicht über die Latte. Wir machen Technikarbeit in einer völlig anderen Art, um den Rücken und den Po zu schonen. Hochsprung ist für mich in erster Linie richtiges Laufen und Abspringen, man braucht nicht die Belastung im eigentlichen Sprung", erklärt er.
"Ariane hat beispielsweise im Winter nur drei Sprünge gemacht, kurz vor Silvester, nur um ihr zu zeigen, dass es geht. Sie sprang dann Bestleistung im Training, und damit war es auch genug." Bei solch einem Training kann sie auch mehr Wettkämpfe bestreiten.
Am 14. Juni wird Ariane Friedrich beim ISTAF im Berliner Olympiastadion wieder auf Blanka Vlasic treffen, dort, wo sie im vorigen Jahr ihren ersten Zwei-Meter-Satz im Freien hatte. "Schon deshalb springe ich gern dort, und im Hinblick auf die WM im August an gleicher Stelle ist es eine prima Gelegenheit, zu testen", meinte Ariane Friedrich.
Weltrekord noch ein Stück zu hoch
Immer wieder werden beide, Athletin und Trainer, nach einem möglichen Freiluft-Weltrekord noch in diesem Jahr angesprochen. Trainer Günter Eisinger reagiert dann reserviert.
"Wir versuchen zwar immer wieder, an die absoluten Grenzwerte heranzukommen. Aber es sind 2,10 Meter notwendig, um den Weltrekord der Bulgarin Stefka Kostadinowa, den diese seit 1987 mit 2,09 Metern hält, zu verbessern. 2,10 Meter, das sind Welten", beschreibt er die Dimension eines solchen Sprunges. "Jeder Zentimeter in diesem Bereich ist eine Welt für sich."
Deutscher Rekord angepeilt
Da hält Günter Eisinger einen anderen Rekord, den deutschen Rekord, schon eher für machbar. Heike Henkel hält ihn mit 2,05 Metern seit 1991, als sie mit dieser Höhe in Tokio Weltmeisterin wurde. "Wer in Leipzig genau hinsah, bekam mit, was da möglich war. Die Versuche von Ariane über 2,06 Meter waren sensationell, nur hat der Abstand nicht ganz gestimmt."
Ob nun Rekord oder nicht, Ariane Friedrich hat vor allem ein Ziel für den Sommer: "In Berlin bei der WM will ich eine Medaille." Sicher wäre ihr die Goldene am liebsten, aber, so nochmals der Trainer: "Wenn Ariane mit 2,05 Metern in Berlin Dritte wird, wäre das auch sensationell."
So oder so, man darf gespannt sein auf die Freiluftsaison der Ariane Friedrich, der derzeitigen Vorzeige-Hochspringerin des DLV.