Armin Hary - Die 10,0 feiern Jubiläum
Seine Reaktion auf den Startschuss fühlt er noch heute mit jeder Faser des Körpers. "Ich habe mich auf den Knall gestürzt wie ein Boxer auf den Gegner", sagt Armin Hary im Rückblick auf jenen 100-Meter-Lauf, den er am 21. Juni 1960 in Zürich als erster Mensch in blanken 10,0 Sekunden beendete.
Der Mann, der vor 50 Jahren Sportgeschichte schrieb, gewann 72 Tage später in Rom (Italien) als bisher einziger Deutscher Olympia-Gold auf dieser Strecke, eine Woche darauf siegte er auch mit der 4x100-Meter-Staffel."Einen Sprinter mit einer so schnellen Reaktion und einem so schnellen Antritt habe ich noch nicht gesehen", sagte damals kein Geringerer als Jesse Owens, die amerikanische Olympia-Legende von Berlin 1936.
50 Jahre danach ist Armin Hary 73, und er sagt zu dem großen Jubiläum: "Es gibt nur eine kleine Feier. Ein paar Freunde kommen, ein paar frühere Athleten aus meiner Zeit werden sicherlich anrufen. Aber wenn ich an mein Alter denke - was soll ich da noch groß feiern."
Im Duell mit der Zeit
Gefeiert wird aus anderem Anlass schon vorher. 50 Jahre nach den Olympischen Spielen von Rom und Squaw Valley 1960 treffen sich die deutschen Medaillengewinner auf Einladung des Deutschen Olympischen Sportbundes und der Deutschen Olympischen Akademie vom 18. bis 20. Juni zu einer Wiedersehensfeier in München, unweit Armin Harys Wahlheimat Mainburg/Hallertau.
Der Mann, dessen Leben im Zeichen des Duells mit der Zeit stand, hat heute das Gefühl, dass ihm diese zwischen den Fingern zerrinnt. Dabei nutzt er sie wie kaum ein anderer seines Alters für ein ehrgeiziges Projekt. "14 bis 16 Stunden täglich" ist er für seine AHA-Stiftung tätig, eine von ihm gegründete Initiative zur kommunalen Förderung jugendlicher Sporttalente. Mit finanzieller Hilfe von Gemeinden und Firmen versucht er den Nachwuchs für den Sport zu gewinnen und beklagt, dass es "statt der 15.000 Talente, die ich jährlich vermitteln könnte, am Ende viel zu wenig sind".
Unermüdlicher Einsatz für Förderung
Trotz des unermüdlichen Einsatzes für das Projekt hat Armin Hary das Gefühl, dass er auf dieser imaginären 100-Meter-Distanz in vier Jahren "erst zehn Meter" voran gekommen ist: "Meine Frau sagt seit 40 Jahren, ich sei ein Verrückter, weil ich zu viel arbeite. Langsam glaube ich ihr. Ich habe seit Jahren nicht mehr Golf gespielt, meine ganzen Freunde verloren."
Das eigene Talent erkannte Armin Hary selbst früh. Doch zunächst erhielt der Sohn eines saarländischen Bergmanns und deutschen Ringermeisters von der Mutter Fußballverbot, weil er angeblich zu schmächtig war. Über den Handball kam er zur Leichtathletik, stellte im Zehnkampf mit 19 schon einen saarländischen Nachkriegsrekord (5.376 Punkte) auf und konzentrierte sich dann auf den Sprint.
Bert Sumser mit Vorahnung
Als er mit 20 in 10,5 Sekunden Zweiter der Deutschen Meisterschaften hinter Manfred Germar wurde, sagte der damalige Leverkusener Meistertrainer Bertl Sumser: "Den hol' ich mir. Der wird der Erste in der Welt werden, der die 100 Meter in 10,0 Sekunden läuft."
Es dauerte auch nicht mehr lange. Zunächst wurde Armin Hary 1958 nach der Steigerung auf 10,2 Sekunden völlig überraschend 100-Meter-Europameister, Tage später mit Manfred Germar, Heinz Fütterer und Martin Lauer auch in der Staffel. Ein erster Weltrekord blieb ihm Wochen später in Friedrichshafen/Bodensee verwehrt, weil die Aschenbahn statt der erlaubten 10 ein Gefälle von 10,9 Zentimetern aufwies.
Wiederholungslauf bringt die Zeit
Armin Hary nahm in Los Angeles (USA) ein Stipendium an, kehrte aber 1960 wegen der Olympiaqualifikation nach Europa zurück. An seinem großen Tag in Zürich wurde sein erster 10,0-Lauf erneut als Weltrekord annulliert, diesmal wegen Fehlstarts.
35 Minuten später war Armin Hary beim Wiederholungslauf am Ziel seiner Träume. Im Jahr danach kehrte er nicht mehr in die Arena zurück: Nach einer Sperre wegen angeblich überhöhter Spesenabrechnungen hängte er die Schuhe an den berühmten Nagel.
Quelle: Sport-Informations-Dienst (sid)
Armin Hary Förderung