Hicham El Guerrouj zu spät – aber nur für den Zug
Der Trip nach Paris verlief nicht ohne Probleme. Hicham El Guerrouj hatte in Brüssel den Zug verpasst und war am Mittwoch mit einigen Stunden Zeitverzug im "Gare du Nord" angekommen. "Ich gehöre zu den Leuten, die immer zu spät kommen", sagte er mit einem breiten Lächeln, "es ist eine Schande." Die Nacht zuvor habe er schlecht geschlafen, entschuldigte sich der dreimalige Weltmeister über 1500 Meter, das sei immer so, wenn er auf Reisen geht. Doch im zweiten von drei Vorläufen war er wieder hellwach (3:42,24 min) und qualifizierte sich mühelos fürs Halbfinale am Montagabend.
Hicham El Guerrouj möchte als Erster WM-Gold über 1500 und 5000 Meter holen. (Foto: Chai)
Der ganze Clan war in Brüssel auf dem Bahnsteig vertreten und schaute verdutzt auf den Fahrplan. Denn der "Thalys", der französische Schnellzug TGV ("Train de Grande Vitesse), war schon abgerauscht. Ohne die Marokkaner! Hicham El Guerrouj, der die Tickets in den Händen hielt, grinste ein wenig verlegen. Ayachi, sein Vater, zuckte mit den Schultern. Abdelkader Kada, sein Coach, und Hocine Benziguinat, sein Laufpartner, mit dem er im Atlas-Gebirge unzählige Trainingskilometer zurückgelegt hat, schauten etwas ratlos drein. "Ich bin für die Logistik verantwortlich", witzelte El-Guerrouj und nahm alle Schuld auf sich, "Kada ist für die technischen Dinge zuständig." Gemeinsam lösten sie das Problem und nahm dann den nächsten Zug, der sie auf direktem Wege in den "Gare du Nord", den großen Bahnhof im Norden der Seine-Metropole, brachte.In Leuven das zweite Zuhause gefunden
In Leuven, einige Kilometer von Brüssel entfernt, fühlt sich Hicham El Guerrouj wie zu Hause. "Wenn ich in Europa bin, bleib' ich hier", erklärte er, "denn es lohnt sich nicht, wenn ich zwischen den Wettkämpfen jedes Mal nach Marokko zurückfliegen würde." Wilfried Meert, der Meeting-Direktor von Brüssel, zu dem er ein freundschaftliches Verhältnis pflegt, hatte ihm den Tipp gegeben. "Seit 1996 bin ich zwei bis drei Mal pro Jahr in Leuven." Und ihm gefällt's.
Die Trainingsbedingungen sind natürlich grundverschieden. Hicham El Guerrouj läuft am liebsten in Ifrane, in 1650 Höhe, wo er sich stets auf seine Europa-Tournee vorbereitet. "Leuven ist nur 56 m hoch gelegen", lachte er, "aber die Stadt dient dazu, um sich zwischen den Rennen zu erholen, um den Akku aufzuladen. Dafür ist Leuven ideal. Denn es ist dort ruhig, es gibt einen schönen Wald mit viel Sauerstoff, und wir essen meist in einem italienischen Restaurant, wo wir gut bedient werden."
Derzeit im Hotel in Paris
Sein belgisches Wahldomizil hat der 28-jährige Marokkaner in diesen Tagen eingetauscht gegen ein Hotel in Paris, wo er hoffentlich besser schläft als in der Nacht vor seiner Anreise. Denn ein strammes Programm wartet auf ihn. Drei 1500-Meter-Läufe innerhalb von fünf Tagen muss El Guerrouj bewältigen. "Ich bin froh, dass es drei Läufe sind." Anfangs war nur von zwei die Rede, doch 31 Meldungen ließen den Organisatoren keine Wahl.
Abdelkader Hachlaf, sein Landsmann, Dritter bei der Hallen-WM in Birmingham, hat sich für die 3000 Meter Hindernis entschieden. Mit einer Saisonbestleistung von 8:15,33 Minuten sieht er hier größere Chancen als auf der Mittelstrecke. "Ich bin also auf mich allein gestellt, ohne Hasen, und ich verspreche euch eine Überraschung", kündigte er vielsagend an, "es gibt mehrere Möglichkeiten, doch ich werde mich mit Abdelkader Kada erst am Abend vorm Finale entscheiden, welche Taktik wir bevorzugen. Das hängt auch davon ab, was im Halbfinale bis dato passiert ist."
Das Double anvisiert
Als Sahnehäubchen wird er auch die 5000 Meter bestreiten. Hicham El Guerrouj will das Double: Gold über 1500 und 5000 Meter! Dieses Kunststück ist noch keinem Athleten in der WM-Historie gelungen. "Ich wäre der Erste!" Und diese Aussicht reizt ihn ungemein.