| Leichtathlet des Jahres 2018

Arthur Abele: „Es ist jetzt meine Zeit“

So überraschend sein Sieg bei der Heim-EM kam, so vorhersehbar war seine Wahl zu Deutschlands Leichtathlet des Jahres. Der Ulmer Zehnkämpfer Arthur Abele ist auf dem Höhepunkt seiner Karriere.
Matthias Gante

Arthur Abele, herzlichen Glückwunsch zur Wahl zum "Leichtathleten des Jahres" 2018 nach einem für Sie sehr erfolgreichen Jahr. Wie lautet Ihr persönliches Fazit?

Arthur Abele:

Wahnsinn und einfach nur unglaublich! Es war das sportlich erfolgreichste und auch schönste Jahr für mich. Ich kann kaum fassen, was da alles passiert ist und vor allem wie alles passiert ist. Bis März hatte ich wegen einer Gesichtslähmung schon gar nicht mehr damit gerechnet, dass ich überhaupt einen kompletten Zehnkampf bestreiten kann.

Doch es kam bekanntlich anders.

Arthur Abele:

Alles hat sich unglaublich toll entwickelt. Der Europameistertitel in Berlin war sicherlich die Krönung schlechthin. Hinzu kam aber auch noch der Sieg bei der Combined Events Challenge, den ich durch meinen zweiten Platz beim Zehnkampf in Talence einfahren konnte.

Die ersten Auszeichnungen ließen nicht lange auf sich warten.

Arthur Abele:

Das stimmt. Bei der Wahl zu Deutschlands "Sportler des Jahres" Dritter zu werden war sensationell, und auch von meinem Arbeitgeber, der Bundeswehr, als "Sportsoldat des Jahres" ausgezeichnet zu werden, war eine Bestätigung und eine große Ehre.

Sie konnten den EM-Titel in Berlin zunächst gar nicht fassen. Haben Sie Ihren Triumph inzwischen realisiert?

Arthur Abele:

Definitiv. Es hat zwar recht lange gedauert, weil doch viel auf einen hereingeprasselt kam. Man hat gar nicht die Zeit gehabt, sich die Dinge noch mal vor das innere Auge zu führen. Zum Jahresende, wo es etwas ruhiger wurde, habe ich dann schon gedacht: „Krass, was da eigentlich passiert ist!“ Ich habe heute noch jeden Tag Tagträume, die bei mir immer noch eine Gänsehaut hervorrufen. Die Momente von Berlin sind für mich unbeschreiblich!

Lassen Sie uns noch mal gemeinsam zurückblicken. Was haben Sie gedacht, als mit Kevin Mayer der amtierende Weltmeister und Top-Favorit nach drei Fehlversuchen im Weitsprung aus dem Wettkampf ausstieg?

Arthur Abele:

Ich bin nach meinem ersten Sprung auf 7,42 Meter und in Absprache mit meinem Trainer in den Katakomben verschwunden, um somit noch mal irgendwie ein Zeichen an die Konkurrenz auszusenden. Deswegen habe ich das gar nicht so direkt registriert, auch weil mein Teamkollege Mathias Brugger ebenfalls drei Fehlversuche produzierte. Das hat mich in dieser Situation mehr geschockt!

Im Hochsprung übersprangen Sie wenig später 1,93 Meter, Ihr neuer Hauptkonkurrent Tim Duckworth aus Großbritannien starke 2,17 Meter.

Arthur Abele:

In diesem Moment habe ich zwar weiter auf eine Medaille geschielt, aber noch nicht unbedingt auf den Gesamtsieg. Dazu hätte mein Kopf wahrscheinlich die 1,96 Meter gebraucht, die ich drei Mal knapp verfehlte. Auch der Russe Ilya Shkurenyev lag ja noch aussichtsreich im Rennen.

Über 400 Meter liefen Sie in 48,01 Sekunden fast an Ihre zehn Jahre alte Bestzeit heran (47,98 sec). Wie zufrieden waren Sie nach Tag eins?

Arthur Abele:

Ich lag im Gesamtranking auf Platz zwei und war eigentlich mega happy. Doch es hat mich gleichzeitig auch gewurmt, dass ich über 400 Meter so knapp an einer neuen Bestzeit vorbeigeschrammt war. Zumal ich nie im Leben damit gerechnet hatte, überhaupt noch mal in diese Region laufen zu können. Spätestens jetzt wusste ich jedoch, dass ich richtig gut drauf war.

Wie wichtig waren dann die 110 Meter Hürden zu Beginn des zweiten Wettkampftages?

Arthur Abele:

Sehr wichtig, weil ich der Konkurrenz auch noch mal zeigen konnte, dass die 400 Meter keine Spuren hinterlassen haben und ich voll da bin. Das ist mir super gelungen. Obwohl der Wettkampf am Vormittag stattfand, war schon eine tolle Stimmung im Stadion, die mich zusätzlich angespornt hat.

Beim Stabhochsprung lieferten Sie 4,60 Meter ab, während die anderen beiden Titelanwärter mit Fünf-Meter-Sprüngen glänzten. Was ging Ihnen da durch den Kopf?

Arthur Abele:

Das war natürlich bitter. Ich hatte zwischendurch schon ein wenig auf Gold spekuliert, doch nach dem Stabhochsprung habe ich gedacht: „Verdammte Axt! Jetzt hast du es vielleicht doch wieder aus der Hand gegeben.“ Die 5,30 Meter von Ilya Shkurenyev haben auf jeden Fall eine Wirkung auf mich gehabt. Auch wenn ich wusste, dass mit dem Speerwurf eine meiner stärksten Disziplinen folgt.

Sie warfen sogar die weiteste Weite.

Arthur Abele:

Ich war zwar unter Zugzwang, doch ich habe schon beim Einwerfen gemerkt, dass es überragend läuft. Schon der erste Wurf landete bei 68,10 Meter, womit ich den Spieß wieder rumdrehen und die Konkurrenz unter Druck setzen konnte.

Die Konkurrenz konnte nicht mehr kontern. Haben Sie deshalb schon vor dem abschließenden 1.500-Meter-Lauf gewusst, dass es für Gold reicht?

Arthur Abele:

Ich habe schon gedacht, dass mir das eigentlich keiner mehr nehmen kann. Ich hatte 16 Sekunden Vorsprung auf den ersten Verfolger und ich hätte mich richtig auf die Schnauze legen müssen, um das noch aus der Hand zu geben. Die letzten 400 Meter habe ich dann einfach nur noch genossen, die vielen Eindrücke haben sich bei mir fest eingebrannt.

Sie waren schon vor zehn Jahren dicht dran an der Weltspitze, wurden dann aber durch Verletzungen immer wieder zurückgeworfen. Von 2007 bis 2016 absolvierten Sie nur acht komplette Zehnkämpfe. Was haben Sie aus dieser Leidenszeit mitgenommen?

Arthur Abele:

Ich habe vor allem gelernt, dass der Körper in der Lage ist, immens viel zu leisten. Man ist im ersten Moment zwar mental niedergeschlagen, doch ich konnte im Kopf immer schnell umschalten und dann auch durch konsequentes Training an neuen Zielen arbeiten. Das hat mich im Laufe der Zeit immer stärker gemacht, auch wenn ein neuer Rückschlag hinzukam.

Haben Sie jemals daran gedacht, Ihre Karriere vorzeitig zu beenden?

Arthur Abele:

Klar denkt man über so was im ersten Moment immer mal wieder nach. Irgendwann kommt auch die eigene Familie ins Spiel, die sagt: „Willst du nicht langsam mal aufhören? Mach deinen Körper nicht kaputt!“ Aber ich wusste immer, dass ich für etwas Größeres bestimmt bin. Ich hatte stets die Leistungsfähigkeit und war vor allen Dingen auch immer bereit dafür, bei einem großen Event eine Medaille abzugreifen. Deswegen habe ich den Leuten immer gesagt: „Wartet ab! Da kommt noch was!“ 2018 war dann mein Jahr, in dem sich die harte Arbeit endlich ausgezahlt hat. Ich habe alles richtig gemacht!

Sie haben gesagt, dass Sie bis 2020 weitermachen wollen. Wie lauten Ihre Ziele für die nächsten beiden Jahre?

Arthur Abele:

Natürlich habe ich mittel- und langfristig die WM 2019 und die Olympischen Spiele 2020 im Blick. Aber auch die Hallen-EM 2019 im kommenden März steht bei mir auf dem Zettel. Und wenn es geht, möchte ich bei allen drei Events eine Medaille abgreifen. Es ist jetzt einfach meine Zeit, und deswegen versuche ich, das Maximale rauszuholen.

Im deutschen Zehnkampf-Team sind Sie fortan der Gejagte, vor allem Niklas Kaul könnte Ihnen schon bald gefährlich werden. Wann rechnen Sie mit seinem Durchbruch?

Arthur Abele:

Eigentlich schon in diesem Jahr. Ich glaube, Niklas hat schon mit seinem vierten Platz bei der EM in Berlin eine starke Leistung abgeliefert, obwohl er kurzfristig nachnominiert wurde. Spätestens im Olympia-Jahr muss ich mich dann aber ernsthaft vor ihm in Acht nehmen (lacht).

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