Ato Boldon sorgt sich um die Staffel
Mit großen Hoffnungen waren sie in die Saison gestartet. "In Athen", hatte Ato Boldon, das Kraftpaket mit dem lauten Mundwerk, schon vor Wochen getönt, "ist unsere Staffel für eine Medaille gut." Doch die schnellen Burschen sprinten jetzt von Arzt zu Arzt, denn das Verletzungspech ist ihnen ein treuer Wegbegleiter in diesem Sommer.
Ato Boldon grübelt über seine Olympiachancen (Foto: Kiefner)
Ato Boldon hat's auch erwischt. In Port of Spain, der Hauptstadt von Trinidad und Tobago, wo die nationalen Meisterschaften ausgetragen wurden, gewann er zwar einen weiteren Titel über 100 Meter, handelte sich allerdings auch eine Blessur ein. "Nach dem Startschuss glaubte ich noch, dass ich eine Zeit unter zehn Sekunden laufen würde", erklärte Ato Boldon in einem Interview mit der Tageszeitung "Trinidad Express News", "aber bereits nach 50 Metern spürte ich einen großen Druck im Quadrizeps." Die Quadrizeps-Sehne verbindet den Oberschenkel-Streckmuskel mit der Kniescheibe. Wegen der großen Kräfte, die hier wirken, reißt die Sehne an dieser Stelle am häufigsten.
Heftiger Krampf
"Auf den letzten Metern bekam ich dann einen heftigen Krampf." Dennoch siegte er in 10,09 Sekunden vor Nicconnor Alexaner, der 13 Hundertstel langsamer war.
Die Zerrung bereitet ihm freilich kein Kopfzerbrechen. "Bis zu den Olympischen Spielen bleiben noch zwei Monate", beruhigte er die Gemüter, "meine Staffelkollegen machen mir viel mehr Sorgen." Darrel Brown, der in Paris überraschend Vize-Weltmeister geworden war über 100 Meter, und Marc Burns haben sich in Port Of Spain ebenfalls verletzt. Ruben Isaac, noch ein Kandidat fürs Staffelquartett, klagte schon vorher über Oberschenkelprobleme.
Die Sprinter gehen am Stock. Ato Boldon, der mit 30 Jahren seine vierte Olympia-Teilnahme anpeilt, war so zuversichtlich gewesen, dass er seine Medaillensammlung weiter aufstocken würde. 1992 in Barcelona war er gerade mal achtzehn und zahlte Lehrgeld. 1996 in Atlanta holte er sich Bronze sowohl über 100 Meter als auch über 200 Meter. Und in Sydney 2000 kamen Silber über 100 Meter und Bronze über 200 Meter dazu.
Wieder beschwerdefrei
Nach seinem Autounfall in der Saison 2002 und Rückenproblemen im WM-Jahr 2003 strotzte er vor Ehrgeiz. Kein Wunder: Ato Boldon war endlich wieder beschwerdefrei. Sein Rücken ließ ihn in Ruhe. Mit Maurice Greene, der sich zuletzt auch bester Form erfreute, bereitete er sich seit November gezielt auf die kommenden Aufgaben vor. John Smith ist in bewährter Weise beider Coach.
Neben der 200-Meter-Distanz, auf die er sich in dieser Saison konzentriert, hoffte Ato Boldon auf ein zweites heißes Eisen im olympischen Feuer: die Staffel über 4 x 100 Meter. Doch die werten Kameraden denken derzeit mehr an ihre Verletzungen als an eine mögliche Medaille.