Aufgepasst auf Yevgeniy Lukyanenko
Viel wurde in den Wintermonaten über Steve Hooker (Australien) geschrieben. Dreimal übersprang der Stabhochsprung-Olympiasieger mindestens sechs Meter. Wenn es aber bei der WM in Berlin (15. bis 23. August) um die Gold-Medaille geht, darf man einen nicht vergessen: Yevgeniy Lukyanenko (Russland). Der 24-Jährige verfügt über eine ausgezeichnete Technik und seine Freiluftbestleistung (6,01 m) liegt sogar einen Zentimeter über der von Steve Hooker.
Yevgeniy Lukyanenko ist kein Mann der großen Töne. Keiner der gerne im Rampenlicht steht und sich vor dem Kameras inszeniert wie beispielsweise seine Landsfrau Yelena Isinbaeva, die das Spiel mit den Medien perfekt beherrscht. Genau das macht den 24-Jährigen so unberechenbar. Erstmals auf sich aufmerksam machte der 1,90 Meter große Modellathlet bei der Hallen-WM 2008 in Valencia (Spanien). Dort holte er völlig überraschend die Gold-Medaille vor den beiden Sechs-Meter-Springern Brad Walker (USA) und Steve Hooker.Dabei wäre Yevgeniy Lukyanenko in der Qualifikation fast hängen geblieben. Erst im dritten Versuch schwang er sich über 5,70 Meter und qualifizierte sich so in letzter Sekunde doch noch für das Finale. Dort stellte er mit 5,90 Metern dann eine neue Bestleistung auf und gewann. Seine beste Platzierung bei einem Großereignis war bis dahin ein sechster Platz bei der WM 2007 in Osaka (Japan).
"Ich war gut in Form, hatte einige gute Resultate im Vorfeld und wollte eine Medaille in Valencia, aber dass es dann Gold wurde, das hat mich selber überrascht", sagte Yevgeniy Lukyanenko.
Silber-Medaille in Peking
Der bisherige Höhepunkt in der Karriere des Russen folgte jedoch erst am 22. August 2008. Bei den Olympischen Spielen in Peking (China) überquerte er 5,85 Meter und sicherte sich somit die Silber-Medaille hinter Steve Hooker, der 5,96 Meter meisterte. "Die Atmosphäre im Vogelnest hat mich so nervös gemacht. Alles war so irreal. Ich musste mich erst einmal sammeln", sagte Yevgeniy Lukyanenko.
Für den 24-Jährigen war dies ein einmaliges Erlebnis. "Man kann Olympische Spiele mit nichts anderem vergleichen, nicht einmal mit einer Weltmeisterschaft. Dementsprechend viel bedeutet mir auch die Silber-Medaille."
Im Gegensatz zu seinem Triumph bei der Hallen-WM in Valencia war diese Medaille aber alles andere als eine Überraschung. Sechs Wochen vor Beginn der Olympischen Spiele hatte Yevgeniy Lukyanenko in Bydgoszcz (Polen) das geschafft, von dem die meisten Stabhochspringer ein Leben lang träumen: den Sprung über sechs Meter. 6,01 Meter waren es für Yevgeniy Lukyanenko, der schon da sein enormes Potenzial andeutete.
Judo, Karate und Turnen
Die Fähigkeit zu sportlichen Höchstleistungen wurde Yevgeniy Lukyanenko praktisch in die Wiege gelegt. Sein Vater war ein erfolgreicher Fußballspieler, seine Mutter eine passable Leichtathletin. Er selbst zeigte sich in jungen Jahren sehr experimentierfreudig. Nach kurzen Intermezzos beim Judo, in Karate und im Turnen landete er letztendlich bei der Leichtathletik.
Als er zehn Jahre alt war, beobachtete ihn Sergey Gripich, ein russischer Trainer von einer Jugend-Sportschule, und lud ihn daraufhin zum Leichtathletiktraining ein. Yevgeniy Lukyanenko folgte dem Ruf und ist auch heute, 14 Jahre später, dem Stabhochsprung treu.
Sein Trainer ist nach wie vor Sergey Gripich, der unter anderem auch die EM-Dritte von 2006, Tatyana Polnova, trainiert. Zusammen mit Anna Ryibukhina, die sich um die athletischen Aspekte kümmert, bildet Sergey Gripich das Trainergespann von Yevgeniy Lukyanenko.
Potential noch nicht ausgeschöpft
Wer denkt, dass Yevgeniy Lukyanenko mit 6,01 Metern an seiner Leistungsgrenze angekommen ist, der sieht sich getäuscht. "Ich spüre, dass ich noch genügend Reserven habe. Wir werden noch mit anderen Stäben experimentieren und den Anlauf weiter verbessern", sagte der 24-Jährige. "Ich kann auf jeden Fall noch höher springen, wenngleich dafür natürlich alles passen muss." Vom Weltrekord von Sergey Bubka (Russland, 6,14 m) spricht Yevgeniy Lukyanenko jedoch nicht. Vollmündige Ankündigungen sind nicht sein Metier. Er überzeugt lieber mit Taten.
Damit es für Yevgeniy Lukyanenko bei den nächsten Olympischen Spielen 2012 in London (Großbritannien) noch ein Stückchen höher auf dem Siegerpodest geht, schuftet der 24-Jährige hart. Täglich zwei bis drei Trainingseinheiten stehen in der Vorbereitungsphase auf dem Plan. Derzeit sind vor allem Horizontalsprünge angesagt, um die Schnelligkeit weiter zu verbessern. In der Wettkampfphase reduziert er das Training dann auf ein bis zwei Einheiten pro Tag und etwa 15 bis 20 Sprünge.
Wenige Wettkämpfe im Winter
Im Winter hat man nicht ganz soviel von Yevgeniy Lukyanenko gehört. Sieben Mal griff der 24-Jährige in der Halle zum Stab. Seine beste Höhe erzielte er dabei mit 5,82 Metern beim Stabhochsprung-Meeting in Donetsk (Ukraine). Für ihn weit unter seinen Möglichkeiten, doch der Grund liegt auf der Hand.
Auch heute lebt und trainiert Yevgeniy Lukyanenko noch in seiner Geburtsstadt Slaviansk (Russland). Die Trainingsbedingungen in der 50.000 Einwohner-Stadt sind jedoch alles andere als optimal und eine Halle sucht man dort vergeblich. Doch jetzt, wenn die Tage auch in Russland wieder länger und wärmer werden, steigt auch die Form von Yevgeniy Lukyanenko von Tag zu Tag und man kann von dem 24-Jährigen in dieser Saison Einiges erwarten.