Ausländer befruchten Kölner Trainingsbetrieb
Die offiziellen Fotos mit freundlich lächelnden Athleten und Funktionären waren im Kasten. Es waren gewöhnliche Gruppenbilder. Doch plötzlich hatte der irakische Speerwerfer Ali M. Ammar noch eine ganz eigene Idee.
Innovatives Gruppenfoto (Foto: Klaue)
An Worten, um sie zu beschreiben, mangelte es ihm, denn während er weder Englisch noch Deutsch sprach, kannte sich die Journalistenschar nicht im Arabischen aus. Aber Worten bedurfte es auch nicht, um Ammars Vorstellung eines originellen Gruppenbildes sofort als perfekt identifizieren zu können. Kraftvoll hob der 23-Jährige seine irakischen Landsleute Ali H. Alaa und Faris Mahdi auf die Schultern und posierte so für die Kameras. Die Fotografen waren begeistert und die drei irakischen Leichtathleten, die seit Ende vergangener Woche am ersten deutschen IAAF Accredited Training Center (ATC) an der Deutschen Sporthochschule in Köln trainieren, freuten sich ob der gelungenen Aktion.
Eine Stunde lang hatten Ali M. Ammar, Ali H. Alaa und Faris Mahdi in dieser Woche im Mittelpunkt eines Pressegesprächs zur Vorstellung des Kölner ATC's gestanden, wegen der Sprachbarriere aber nicht viel dazu beitragen können. Beim Fotoshooting unterstrichen sie dann, was Norbert Stein, einer der beiden ATC-Leiter, zuvor gesagt hatte: "Es ist faszinierend zu sehen, wie die Verständigung nur mit Händen und Füßen klappt."
Ali H. Alaa ist für Olympia-Wildcard vorgesehen
In der vergangenen Woche waren die drei Iraker mit ihrem Trainer Mohammed A. Hassan in Köln eingetroffen. "Wir erhielten eines Morgens einen Anruf vom NOK, dass die Athleten mittags auf dem Flughafen in Düsseldorf sein würden", erzählt Norbert Stein vom überraschenden Lauf der Dinge. "Da war schnelles Handeln gefragt."
In ihren weißen Trainingsanzügen, auf denen der Schriftzug Nationales Olympisches Komitee für Deutschland zu lesen ist, sehen Ammar, Alaa und Mahdi mittlerweile richtig professionell aus, doch bis zum Profitum in der Leichtathletik ist es trotzdem noch ein weiter Weg.
Speerwerfer Ammar hat eine Bestleistung von 65,50 Metern, 400-Meter-Läufer Faris von 48,00 Sekunden. Das meiste Talent scheint Ali H. Alaa mitzubringen. Bis vor einem halben Jahr spielte er zwar noch Fußball und wusste nichts vom Hürdenlaufen, doch dann rannte er die 400 Meter Hürden auf Anhieb in 52,80 Sekunden, weshalb er nun für eine der beiden Leichtathletik-Wildcards vorgesehen ist, die die Iraker bei den Olympischen Spielen in Athen haben werden.
Währenddessen sind Ali M. Ammar und Faris Mahdi erst einmal nur für die Arabischen Meisterschaften in Algerien eingeplant. Dort haben sie die Chance, sich für Olympia zu qualifizieren, wofür allerdings die Erfüllung der IAAF-Normen erforderlich ist.
Vida Anim erste Athletin im ATC Köln
Athleten aus insgesamt neun Nationen werden sich im Vorfeld der Olympischen Spiele in Deutschland vorbereiten. Sie betrieben die unterschiedlichsten Sportarten, Leichtathletik sei nur eine davon, berichtet Georg Kemper, NOK-Abteilungsleiter Internationale Zusammenarbeit. Mit seinen Mitarbeitern koordiniert er die Aufenthalte der Ausländer in Deutschland. Diese werden vom Internationalen Olympischen Komitee und dem Auswärtigen Amt finanziert.
Das ATC an der Deutschen Sporthochschule in Köln, wo jetzt die irakischen Sportler trainieren, existiert seit Ende vergangenen Jahres. Weltweit gibt es nur zehn solcher von der IAAF akkreditieren Einrichtungen.
Vida Anim, ghanaische 100-Meter-WM-Teilnehmerin des Jahres 2003, war eine der ersten Athletinnen, die den Weg nach Köln fanden. Seit Anfang des Jahres ist auch Sprinter Harry Adu Mfum (ebenfalls Ghana) da. Als vergangene Woche Ali M. Ammar, Ali H. Alaa und Faris Mahdi eintrafen, "haben wir uns kurzfristig entschlossen, diese Pressekonferenz zu veranstalten und das ATC und dessen Arbeit zu präsentieren", erklärt Norbert Stein.
Auslandsaufenthalte durch Stipendien finanziert
Um in einem ATC trainieren zu können, müssen sich Athleten bei den Nationalen Olympischen Komitees ihres Landes um ein Stipendium bewerben. "Zielgruppe sind hochtalentierte Junioren, die das Potential für eine internationale Karriere haben und aus Ländern kommen, in denen die Sport-Infrastruktur nicht so optimal ist wie bei uns", klärt Dr. Wolfgang Ritzdorf, zweiter Leiter des ATC Köln, auf.
Er ist zusammen mit Norbert Stein auch einer von vier Kölner ATC-Trainern. Er kümmert sich um den Hochsprung, Norbert Stein um den Flach- und den Hürdensprint, Andreas Gentz um Weit- und Dreisprung und Falk Schade um den Mehrkampf. Alle vier Trainer sind auch beim Leichtathletik-Team der Deutschen Sporthochschule (LT DSHS) engagiert.
Dessen Sportler betätigen sich als Mentoren für die ausländischen Gäste. Denn diese sollen nicht nur trainingstechnisch, medizinisch und physiotherapeutisch, sondern auch sozial betreut werden. "Das befruchtet zudem unseren eigenen Trainingsbetrieb", beschreibt Norbert Stein einen Vorteil, den Verein und Athleten aus dem Projekt ziehen.
"Und deshalb werden die Gäste auch am Wochenende selbstverständlich mit zum DMM-Finale nach Minden fahren." Dort möchten die Kölner Männer zum ersten Mal den Titel gewinnen, während die Frauen zeitgleich in Verden ihren Finalplatz für 2005 klar machen wollen. Ideen fürs anschließende Gruppenfoto liefern dann die neuen Trainingskollegen aus dem Irak. Frei Haus.