Bastian Swillims - Meine Hallen-EM in Wien
Auf zur Hallen-Europameisterschaft nach Wien. Zu meinem ersten internationalen Großereignis. Am Donnerstagmittag war der Countdown abgelaufen.
Foto: Chai
Nach einem kurzen Flug ab Düsseldorf gemeinsam mit meinem Trainer Marco Kleinsteuber, Marc Blume, Schahriar Bigdeli, Christine Adams und Dr. Wolfgang Killing landeten wir in der Praterstadt. Als wir im Hotel Hilton Danube ankamen, war ich erstmal richtig beeindruckt. Nach der schlimmen Unterbringung bei der Junioren-EM im letzten Jahr in Grosseto traf ich auf eine ganz andere Welt. Ein schönes, großes Bett empfing mich in dem Doppelzimmer, das ich mir mit Marc Blume teilte. Wunderbar - so konnte es weitergehen.Zocken am Laptop mit Marc Blume
Am späteren Nachmittag haben wir uns das nur wenige Meter vom Hotel entfernte Ferry-Dusika-Stadion, in dem ich am nächsten Tag meinen ersten Auftritt haben sollte, zum ersten Mal angesehen und für gut befunden. Ich nutzte die Gelegenheit, um mir gleich auf der Wettkampfbahn den Flug aus den Beinen zu schütteln und stellte fest, wie komisch es war, von Bahn sechs, die mir zugeteilt wurde, die extremen Überhöhungen in den Kurven zu laufen. Man hatte ausgangs der Kurven den Eindruck, dass der Oberkörper erst noch runter will. Nach der Einheit in der Halle konnte ich mich am Abend von dem guten Essen im Hotel überzeugen und auch hier wurde Grosseto natürlich um Längen ausgestochen. Wir haben zum Ausklang des Abends noch ein bisschen "Volleyball" auf Marcs Laptop gespielt. Dieses Zocken wurde in den Stunden in Wien richtiger Bestandteil zur Ablenkung. Beim siebten oder achten Versuch konnte ich ihn dann endlich das erste Mal besiegen. Ich habe mich mit Marc über die fünf Tage auch sehr gut verstanden und er hat mir von ein paar Späßchen, die er so im Laufe der Zeit vollbracht hat, erzählt (und das ein oder andere neue Späßchen leider auch ausprobiert). Das war für mich zum einen natürlich schon recht interessant, mitunter aber auch echt hart.
Am Freitag wurde es für mich zum ersten Mal ernst. Der Vorlauf rückte näher und meine Einstellung war schon etwas anders als bei den Junioren-Wettkämpfen zuvor. Der Ablauf war aber ähnlich. Komisch nur der ewig lange Weg von der Aufwärmhalle und dem Call Room ins Stadion. Der Tunnel schien nie zu enden.
Sorry, you're the next!
Dann war es soweit. Ich stand im Innenraum und wartete voller Konzentration auf meinen Einsatz. Ich wurde fast ein wenig ungeduldig und dachte, der dritte Vorlauf, nach dem ich an der Reihe war, wäre weggeschossen worden, dabei war es erst der zweite. Ich stand schon auf der Bahn, als mich ein Spanier ansprach: "Sorry, you're the next."
Also noch einen Augenblick warten. Als der dritte Vorlauf endlich rum war, kollidierte mit mir der Tonmann vom Fernsehen, was ich aber gar nicht mehr so bewusst wahrnahm und keinen Gedanken mehr daran verschwendete, und als ich auf meiner Bahn sechs ankam, war da schon wieder ein anderer Spanier. Ich fing an zu zweifeln, aber diesmal war ich richtig und er verzog sich auf Bahn fünf, wo er auch hingehörte! Es ging auf die Strecke und es klappte mit der nächsten Runde.
Nachdem ich die Aufgabe gelöst hatte, belohnte ich mich am Abend mit dem Nachholen des Mittagessens, bevor die Analyse und Taktikbesprechung mit Marco für den nächsten Lauf noch anstand. Ich sollte an Position zwei oder drei hinter Laursen einscheren.
Lieber die Simpsons kucken, als pünktlich zum Essen
Am Samstagmorgen begann das Prozedere von Neuem. Diesmal machte ich im Gegensatz zum Freitag meinen Auftakt mit Steigerungen und Gymnastik an der direkt neben dem Hotel gelegenen Donau. Zurück im Zimmer klopfte Marco plötzlich an der Tür und erinnerte mich an das Essen: "Junger Mann, hatten wir nicht was von Zwölf gesagt?" Es waren halt die Simpsons im Fernsehen, die ich nicht missen wollte. Die Mahlzeit fiel anschliessend noch spärlicher als vor dem Vorlauf aus. Dafür fühlte ich mich insgesamt spritziger und weniger müde.
Während des bangen Wartens vor dem Rennen gab es im Call Room etwas Kuddelmuddel und eine Verzögerung. Man stritt sich um irgendwelche Listen. Ich war der einzige deutschsprachige Läufer und bekam im Gegensatz zu den anderen mit, weshalb man sich so richtig fetzte. Ich dachte mir nur: Mann, kann man uns nicht auch ohne die Startliste reinführen! Ich hatte keinen Bock mehr, zu warten. Wir hatten schon Verspätung. Die gab es dann unmittelbar vor dem Lauf nochmal, weil eine Siegerehrung anstand.
Wann geht's denn endlich los?
Wir standen schon fast bereit auf der Bahn, als die Nationalhymne erklang. Das motiviert aber immer zusätzlich, vor zwei Jahren in Chile hatten wir vor der Staffel eine ähnliche Situation - damals mit unserer eigenen Hymne. Ich war wieder etwas ungeduldig. Der Tiger wollte raus! Ein, zwei Schritte vor - ein, zwei Schritte zurück! Ich soll sogar den Takt der Hymne etwas getroffen haben, was mich wundert, weil so besonders musikalisch begabt bin ich eigentlich nicht. Ich muss immer etwas in Bewegung bleiben. Vor dem Start ganz ruhig zu sein, funktioniert bei mir nicht.
Als der Startschuss gefallen war, lief ich am Anfang eindeutig zu langsam und es reichte am Ende nicht mehr für den Finaleinzug. Vielleicht hätte ich mich etwas mehr durchboxen und vorne mehr machen müssen. Ich habe auch gesehen, dass ich mich am Start und auf den 200 Metern für die nächste Hallensaison verbessern muss. Ich denke, das sind die Dinge, die ich aus Wien an wichtigen Erfahrungen mitnehme. Es war am Sonntag, an dem am Abend die imposante und toll organisierte Veranstaltung im Rathaus ausklang, schon nicht leicht, das Finale von der Tribüne aus zu verfolgen, ohne selbst eingreifen zu können.
Volle Kraft voraus! Noch in Wien begann die Freiluftsaison
Insgesamt war ich im ersten Moment schon etwas enttäuscht, weil ich doch recht knapp am Endlauf dran war. Ich nehme mir aber fest vor, dass ich mich in den nächsten Jahren bei den Jungs noch ein paar Mal revanchieren werde. Aber immerhin war es meine zweitschnellste Zeit überhaupt und vor der Saison hätte ich es mir nie träumen lassen, bei der Hallen-EM im Semifinale zu stehen. Deshalb konnte ich das Aus auch eher verarbeiten.
Mit der EM in München richtet sich der Blick nun auch schon wieder nach vorne und nachdem wir uns am Samstagabend noch einen schnellen Einblick in "Wien bei Nacht" verschafft haben, begann für mich am Sonntagmorgen mit dem ersten Training bereits wieder die Freiluftsaison noch in Wien, während noch nicht einmal alle Medaillen der Hallen-EM vergeben waren. Bis zur EM in München!