Bei Christine Schulz hat es einfach Klick gemacht
Weil sie mit neun Jahren keine leichtathletische Disziplin so richtig gut konnte, wurde sie Mehrkämpferin. Am Wochenende nun avancierte die Leverkusenerin Christine Schulz bei den Nordrhein-Mehrkampf-Meisterschaften in Wesel zur neuen deutschen Siebenkampf-Hoffnung. Mit 6199 Punkten setzte sie einen Richtwert, den seit dem EM-Jahr 2002 nur die Olympia-Sechste Sonja Kesselschläger (SC Neubrandenburg) bei den Spielen in Athen überboten hat (6.287).
Christine Schulz sorgt für Aufsehen (Foto: Klaue)
Schulz' Erklärung für die unglaubliche Leistungssteigerung um 494 Punkte (Bestleistung vorher: 5.705) ist simpel: "In vielen Disziplinen hat es einfach klick gemacht."Bei der abschließenden Siegerehrung liefen der 21-Jährigen die Tränen: "Ich konnte vor Freude nur noch heulen." Mit Tränen hatte der Wettkampf für die in Meerbusch bei Düsseldorf geborene Christine Schulz auch begonnen. "Nachdem ich 13,67 Sekunden über die Hürden gesprintet war, habe ich das erste Mal geheult." Danach ging alles fast wie von selbst.
Erstmals über sechs Meter
1,80 Meter im Hochsprung, 12,99 Meter mit der Kugel, 24,88 Sekunden über 200 Meter. "Nach dem ersten Tag wusste ich, dass ich mein Ziel von 5.900 Punkten locker erreichen kann." Das es auch noch deutlich mehr drin ist, realisierte Christine Schulz beim Weitsprung. Noch nie war sie zuvor über sechs Meter gekommen.
Im Auestadion wurden es 6,30 Meter und Christine Schulz steuerte auf 6.000-Punkte-Kurs.
Ab diesem Moment konnte nichts mehr schief gehen, denn mit dem Speerwerfen (44,96 m) und den 800 Metern (2:17,01 min) kamen zwei Disziplinen, die der amtierenden Junioren-EM-Sechsten für gewöhnlich keine Probleme bereiten.
Was macht jetzt die Konkurrenz?
Der Startplatz bei der U23-Europameisterschaft in Erfurt (14. bis 17. Juli) ist der Auszubildenden zur Bürokauffrau jetzt so gut wie sicher und auch auf die Weltmeisterschaften in Helsinki kann Christine Schulz nun hoffen. "Ob ich dort dabei bin, steht aber noch in den Sternen und hängt auch von den Leistungen der Konkurrenz ab." Diese startet am kommenden Wochenende beim Mehrkampf-Meeting in Götzis (Österreich). Am 25. und 26. Juni treffen die besten deutschen Athletinnen dann beim Erdgas DLV-Mehrkampf-Meeting in Ratingen aufeinander.
Schon im Training vor dem Wettkampf in Wesel deutete Christine Schulz ihr Potential an. "Da sind die Leistungen richtig explodiert", erzählt Trainer Karl-Heinz Düe, der die U18-Vize-Weltmeisterin von 2001 im Herbst 2003 übernahm, als sie vom LAV Bayer Uerdingen/Dormagen und Coach Peter Quasten nach Leverkusen wechselte, um in der Sportlerklasse der Bayer AG eine Ausbildung aufnehmen zu können: "Der Schritt fiel mir damals schwer, ich habe ihn aber nie bereut. Die Möglichkeiten, Sport und Beruf zu verbinden, sind optimal."
Entscheidung pro Leistungssport
Die Entscheidung pro Leistungssport hat Schulz nach den U18-Weltmeisterschaften 2001 in Debrecen (Ungarn) getroffen. "Die Siegerehrung dort war ein ergreifendes Erlebnis. Weil Annett Wichmann gewonnen hatte, wurde die deutsche Nationalhymne gespielt. Damals habe ich mir gesagt, das willst du noch einmal erleben."
Das neue große Ziel der deutschen Junioren-Vize-Meisterin sind nun die Olympischen Spiele 2008 in Peking. "Da will ich jetzt hin." Wenn sie Kollegen oder Bekannten außerhalb des Sports indes erzählte, sie sei Mehrkämpferin, wollen die es meist gar nicht glauben, denn bei 1,79 Metern bringt Christine Schulz gerade 62 Kilo auf die Waage.
Dünne Ärmchen
"Die wundern sich immer, dass ich so dünne Ärmchen habe. Aber das ist mein Körperbau, da lässt sich auch durch viel Krafttraining nichts dran ändern." Abseits vom Sportplatz genießt es Christine Schulz immer wieder, mal nicht über Sport nachzudenken und einfach nur auf der Couch zu liegen und nichts zu tun.
"Ich habe eine gewisse Unabhängigkeit, bin nicht nur auf den Leistungssport fixiert." Diese will sie sich auch nach ihrer Leistung von Wesel bewahren. Genau wie ihre kleine Eigenheit: "Wenn ich mal wieder nichts auf die Kette kriege, brauche ich zehn Minuten für mich selbst." Am Samstag und Sonntag in Wesel blieben solche Momente aus.