Beirut feiert seine Marathon-Premiere
Macht die Städte auf, die Läufer kommen! Im Herbst, wenn die Blätter fallen und die Weltbestzeiten bisweilen auch, wie in Berlin geschehen, dann verwandelt sich die Marathon-Welt in kleine und große Basare. Alles läuft und läuft und läuft! Überall ist Marathon. Auch im Nahen Osten, denn Beirut, in den goldenen sechziger Jahren eine blühende Handelsmetropole, bis ihr Stadtzentrum vom Bürgerkrieg verwüstet wurde, feierte eine vielversprechende Marathon-Premiere mit einem Sieger-Duo aus Kenia: Paul Rugut (2:17:04 h) und Jaqueline Torori (2:42:12 h) hatten die Nase vorn.
In Massen zieht es im Herbst wie im Frühjahr die Läufer in die Städte. (Foto: ascics)
Der Marathon hat seine Mystik längst verloren. Die vielen Dauerleister schnüren nun zu Tausenden ihre Wettkampfschuhe, rennen gegen elektronische Uhren an, rennen gegeneinander oder besser: miteinander. Immer in Massen! Stadtmarathon ist das Zauberwort. Manfred Steffny, früher zweimaliger Olympia-Teilnehmer (1968 in Mexiko und 1972 in München) und heute Herausgeber des Laufmagazins "Spiridon", hat mal treffend gesagt: "Der Marathon ist der Mount Everest des kleinen Mannes." Selbstbewusst wagen sich viele an die klassische Distanz von 42,195 Kilometern.Für 35,- Euro durch Beirut
In Beirut, der Hauptstadt des Libanon, machten sich 1100 Teilnehmer aus immerhin 47 Nationen auf den beschwerlichen Weg. Bunt gemischt war das Feld. Für 35 Euro Startgebühr wurde eine Sightseeing-Tour per pedes angeboten. Vom Märtyrer-Platz, mitten in der City, führte der Kurs querbeet durch die Stadt bis hinein in die südlich und östlich gelegenen Außenbezirke. Von dort ging es zurück zum Ziel, wo das Läufervolk von den Zuschauern begeistert empfangen wurde.
Das gewaltige Netz an Veranstaltungen ist gegenwärtig derart eng gestrickt, dass praktisch an jedem Tag irgendwo auf diesem Erdball ein City-Marathon angeboten wird. Klar, es ist ein lohnenswertes Geschäft, aber auch ein aufreibendes angesichts der Mitbewerber, die gegenseitig um die Teilnehmer buhlen. Beirut, das in seiner Glanzzeit als "Paris des Nahen Ostens" bezeichnet wurde, zählt jetzt auch dazu.
Asse der zweiten und dritten Reihe
Die Organisatoren hatten bei ihrem Debüt sogar einige Asse angelockt, wenn auch nur jene aus der zweiten und dritten Reihe. Paul Rugut, einer von vielen Kenianern, die durch die Welt tingeln, gewann das Rennen in 2:17:04 Stunden. Für ihn war's zugleich eine neue Bestzeit. Anno 1998 in Stockholm hatte er blanke 2:18 Stunden erzielt. Als Belohnung für seine Steigerung bekam der vor Glück strahlende Afrikaner eine Prämie von 12.000 Dollar ausgezahlt. Sein Landsmann James Karanja, Zweiter in 2:17:36 Stunden, freute sich über 9.000 Dollar, und der eigentlich favorisierte Äthiopier Fekadu Degefu, Dritter in 2:17:43 Stunden, erhielt noch einen Scheck über 6.000 Dollar in die Hand gedrückt.
Jacqueline Torori, auch extra aus Kenia angereist, beherrschte den Wettbewerb der Frauen in 2:42:12 Stunden. Dichtauf folgten ihre beiden Konkurrentinnen aus Osteuropa: Violetta Uryga aus Polen wurde Zweite in 2:42:49 Stunden und Anifisa Kosatcheva aus Russland Dritte in 2:45:14 Stunden. Doch die Hauptrolle, betonten die Macher aus Beirut, spielten die etwas mehr als tausend Hobbyläufer, die sich mit Ehrgeiz und Leidenschaft auf den ersten großen Marathon im Nahen Osten vorbereitet hatten.