Benoît Z. führt das Marathon-Aufgebot an
Die Franzosen haben bereits ihr Marathon-Aufgebot nominiert! Wenn am vorletzten Tag der 9. Weltmeisterschaften (23. – 31. August) vor dem Hôtel de Ville, mitten in Paris, der Männer-Marathon m nachmittags um 14.20 Uhr gestartet wird, ist die "Grande Nation" mit einer starken Armada vertreten.
Frankreichs Hoffnung Nummer eins: Benoît Zwierzchlewski (Foto: Hörnemann)
Zwei Läufer aus dem fünfköpfigen Aufgebot haben bereits die "Barriere" von 2:07 Stunden unterboten: Benoît Zwierzchlewski (2:06:36 h in Paris 203) und Driss El-Himer (2:06:48 h in Paris 2003). Der Dritte im Bunde, Mohamed Ouaadi (2:07:55 h in Fukuoka 1999), hat eine Bestzeit unter 2:08, und die beiden weiteren Läufer, Larbi Zeroual (2:10:36 h in Rotterdam 2000) und Hakim Bagy (2:11:06 h in Paris 2001), stehen in der französischen Bestenliste in den Top Ten.Benoît Zwierzchlewski, der Prophet mit dem langen Atem, hatte den schreibenden Jüngern schon Anfang April erzählt, dass er sich gerne schwierigen Aufgaben stelle. "Hier in Paris ist der Kurs längst nicht so schnell wie in London oder Chicago", verkündete er, "darum darf man ohne Vorbehalte 30 Sekunden von meiner Zeit abziehen."
Jetzt Teil der Elite
All jene, die sich mit Mikros, Kameras und Notizblöcken um ihn scharten, hatten andächtig zugehört. "Ab heute", verkündete der eloquente Franzose mit breitem Grinsen, "gehöre ich zur absoluten Marathon-Elite." Einmal im Redefluss, war er kaum mehr zu bremsen: "Ja, heute habe ich mich in der gleichen Preisklasse bewegt wie Paul Tergat oder Haile Gebrselassie."
Mit 2:06:36 Stunden und der Einstellung der europäischen Bestleistung des Portugiesen Antonio Pinto war Benoît Z., wie er der Einfachheit halber gerufen wird, für seine Landsleute gleichsam zu einem Heilsbringer aufgestiegen, der ungeahnte Medaillenträume erweckte knapp fünf Monate vor der WM im ultra-modernen Stade de France, das wie ein riesiges Raumschiff im nahen Saint-Denis platziert ist.
Die versammelte Manager-Prominenz lauschte aufmerksam den selbstbewussten Tönen. Dr. Gabriele Rosa, der Trainer-Guru aus Italien, geriet sogleich ins Schwärmen: "Weltrekord für die Weißen", meinte der "Dottore", der mit seinem weißen Rauschebart an den holländischen Liedersänger Vader Abraham erinnert, und bündelte seine Eindrücke in wenige Worte: "Das war eine Gala-Vorstellung!" Laurent Boquillet, Mentor von Hicham El Guerrouj und Racedirector von Paris, sagte kurz und knapp: "Chapeau!" Was im Land der Trikolore ein großes Kompliment ist und soviel bedeutet wie: "Hut ab."
Französischen Rekord erreicht
Benoît Z., Zweiter hinter dem Kenianer Mike Rotich (2:06:33), war happy. "Jetzt habe ich den französischen Rekord", freute sich der kahlköpfige Bursche, der bereits zwölf Monate zuvor in Paris in 2:08:18 Stunden gewonnen hatte, "das war mein primäres Ziel."
Mit seinem Landsmann Driss El-Himer, mit dem ihn keine besonders innige Freundschaft verbindet, lieferte sich Benoît Z. zwischenzeitlich noch einige verbale Scharmützel. "Sie mögen sich nicht besonders", beschrieb Laurent Boquillet ganz vornehm ihr gespanntes Verhältnis und warf dann einen treffenden Vergleich in die Runde, "das ist ähnlich wie früher zwischen Sebastian Coe und Steve Ovett." Auch die beiden Engländer konnten einander nicht leiden und trieben sich auf den Mittelstrecken gegenseitig zu immer neuen Weltrekorden.
Antipathie für Konkurrenten
Die Antipathie, die Benoît Z. offen zur Schau stellt, rührt auch daher, dass Driss El-Himer genauso wie Mohamed Ouaadi, die vor ihm die nationalen Marathon-Bestleistungen im Besitze hielten, die Europameisterschaften in München 2002 freiwillig hatten sausen liessen, um sich auf einen der lukrativen Herbstläufe vorzubereiten.
"Ich hingegen wurde massiv unter Druck gesetzt, dass ich starten müsste, um nicht meine WM-Teilnahme zu gefährden", platzte es aus ihm heraus, "dafür möchte ich vom Verband eine Erklärung haben." Ansonsten, hatte Benoît Z. in Paris angedroht, könne es durchaus sein, dass die WM ohne ihn stattfinden werde.
Ein Mann mit Kultstatus
Nach allem, was passiert ist, müssen die Funktionäre Abbitte leisten bei ihrem aufmüpfigen Marathon-Star. Auf ihn, der am 19. August, vier Tage vor der WM-Eröffnungsfeier, seinen 27. Geburtstag feiert, können sie weiß Gott nicht verzichten. Mit ihm werden Zuschauer angelockt, denn der erprobte Schauläufer ist nicht bloß Liebling der Massen, er ist auch stets für Geschichten gut. "Wenn Benoît Husten hat", witzelte ein französischer Journalist, "wird sofort eine Epidemie ausgerufen." In Läufer-Kreisen genießt er längst Kult-Status.
Das Frauen-Team wird angeführt von Vielstarterin Chantal Dallenbach, die mit 40 Jahren bereits zur Masters-Klasse zählt, Hafida Gadi-Richard, Rakiya Quetier-Maraoui, Zahia Dahmani und Fatima Yvelain.