Frostiges Klima bei Frankreichs "Musketieren"
Nur durchs Hintertürchen ist der Weltmeister ins Finale gerutscht. Nach der Disqualifikation des Staffel-Quartetts aus Saudi-Arabien bleiben die Viertelmeiler aus Frankreich weiter im Rennen um die Medaillen. Doch die Chancen, dass die "Musketiere", wie Nationaltrainer Pierre Bonvin seine Kadetten liebevoll bezeichnet, in Helsinki ihren Titel verteidigen können, sind minimal.

Unfrieden bei Leslie Djhone und Marc Raquil (Foto: Hörnemann)
"Alles ist möglich", widersprach Leslie Djhone, dessen angespanntes Verhältnis zu seinem Trainingspartner Marc Raquil für einige Schlagzeilen im französischen Blätterwald sorgte.Unvergessen sind die Bilder der WM 2003 in Paris, als sich die beiden nach dem Endlauf über 400 Meter in den Armen lagen. Überglücklich wälzten sie sich über die Tartanbahn im "Stade de France" und verwandelten die riesige Arena in einen wahren Hexenkessel. Marc Raquil, der WM-Dritte, und Leslie Djhone, der WM-Fünfte, waren die neuen Helden der "Grande Nation".
Nur ein gemeinsames Ziel
Aber nichts ist mehr, wie es einmal war. Marc Raquil und Leslie Djhone verbindet nur noch das gleiche Ziel: eine Medaille in Helsinki! Das Klima zwischen den Ex-Freunden, die bis dato auch den Trainer, Francois Pépin, teilten, ist frostig.
"Alle glauben, dass es am Konkurrenzdenken liegen könnte", meinte Marc Raquil, "aber es ist was Anderes." Anfangs habe man sich prima verstanden. "Zwei, drei Jahre war unser Verhältnis okay", fügte er hinzu, "und ich wollte, dass es wieder so wird wie früher. Allerdings bin ich gegen eine Mauer angelaufen. Jetzt höre ich auf und ziehe einen Schlussstrich."
Schon zu Wochenbeginn bekräftigte Marc Raquil in einem Interview mit der Nachrichtenagentur "Agence France Press", dass er das Weite suchen und die Zusammenarbeit mit Francois Pépin beenden wolle: "Ich werde die Gruppe verlassen, das ist so gut wie sicher." Die Harmonie sei gestört.
Mit neuem Coach zu alter Form
Mit einem neuen Coach möchte der 28-jährige Modellathlet an die alte Form anknüpfen. Noch will er keine Trainer-Namen nennen. "Vielleicht mache ich's ähnlich wie Eunice Barber, die auch zwei bis drei Monate ins Ausland geht." In den USA holt sie sich regelmäßig Tipps bei Bob Kersee, dem Trainer-Guru aus dem sonnigen Los Angeles.
Aber Marc Raquil betonte ausdrücklich, dass sein Verhältnis zu Francois Pépin intakt sei. "Mit Francois gibt es keinerlei Probleme", sagte Marc Raquil, "ihm habe ich es schließlich zu verdanken, dass ich Staffel-Weltmeister wurde, dass ich Bronze über 400 Meter geholt habe und dass ich als erster Franzose die 45 Sekunden unterboten habe."
Immer neue Verletzungen
Seit der WM vor heimischem Publikum rennt Marc Raquil, dessen blond gefärbte Haare längst zu seinem Markenzeichen geworden sind, der Musik verzweifelt hinterher. Immer neue Verletzungen haben ihn daran gehindert, sein wahres Leistungsvermögen auszuschöpfen. In der finnischen Metropole wollte er zunächst gar nicht starten, bis ihn Franck Chevalier, der Technische Direktor, in einem persönlichen Gespräch bekniete, seine Entscheidung zu korrigieren.
Die Final-Teilnahme ist jetzt die Belohnung für Marc Raquil, der im letzten von drei Vorläufen in der Schlusskurve mit Antonio Side aus der Dominikanischen Republik aneinander geraten war. "Wir liefen Seite an Seite. Sein Fuß hat mein Knie berührt, so dass ich fast gestürzt wäre", dachte er an die Kollision, die ihn aus dem Takt gebracht hatte, "ich musste dadurch voll abbremsen."
Das Pech der Saudis war schließlich das Glück der Franzosen. "Wir haben noch mal Schwein gehabt", bemerkte Naman Keita, 2004 in Athen Olympia-Dritter über 400 Meter Hürden, und atmete tief durch. "Im Finale gibt es viel zu tun", prophezeite Leslie Djhone, der Landesrekordler (44,54 sec), der bemüht schien, das Verhältnis zu seinem einstigen Kumpel Marc Raquil zu entkrampfen.
Auf den letzten Drücker
Auch wenn die Franzosen auf den letzten Drücker in den heutigen Endlauf, Schlussakkord der WM 2005, vorgestoßen sind, ist es eher unwahrscheinlich, dass sie einen ähnlichen Coup landen werden wie anno 2003. Aus dem damaligen Erfolgsquartett, das lediglich acht Hundertstel hinter den später disqualifizierten US-Boys die Ziellinie passierte, fehlt einzig und allein Stéphane Diagana, 1999 in Athen Weltmeister über 400 Meter Hürden. Seine Karriere hat er ausklingen lassen, doch das hinderte ihn, den Altmeister, nicht daran, seinem Nachfolger Abderrahim El-Haouzy, auch ein Schützling von Francois Pépin, wertvolle Ratschläge mit auf den Weg zu geben.
Pierre Bonvon, als Nationaltrainer verantwortlich für die 4 x 400-Meter-Staffel, lässt sich nicht verrückt machen. "Meine Musketiere werden kämpfen bis zum Umfallen", versprach er einen Fight auf Biegen und Brechen. "Das Problem, das Marc Raquil und Leslie Djhone miteinander haben, ist nichts im Vergleich zu den Spannungen, die bei den Sprinterinnen aufgetreten sind", spielte er die Animositäten der "Zwillinge", wie sie noch bei der WM 2003 gerufen wurden, betont lässig herunter.
Außerdem kommen sich die beiden Protagonisten gar nicht in die Quere, denn Leslie Djhone ist als Start- und Marc Raquil als Schlussläufer vorgesehen.
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