Bernard Lagat, der Pechvogel aus Tübingen
Schlechte Nachrichten für die Läufer-Fans aus Tübingen! Dieter Baumann ist über 10.000 Meter und Filmon Ghirmai über 3000 Meter Hindernis ausgeschieden. Und Bernard Lagat? Der 1500-Meter-Mann aus dem fernen Kenia, der in der schwäbischen Universitätsstadt sein Basislager aufgeschlagen hat, kann seine Koffer auch schon packen. Wenn heute Abend die beiden Halbfinal-Rennen ausgetragen werden, fehlt Lagat, der WM-Zweite von Edmonton. Er war krank und musste schon den Vorlauf sausen lassen.
James Templeton, sein australischer Manager, der mehrere Kenianer in Tübingen um sich geschart hat, war ebenfalls geknickt. "Bernard hat sich ganz offensichtlich einen Virus eingefangen", erklärte Templeton, ein ehemaliger Mittelstreckler, "er hat die Nacht vorm Vorlauf sehr schlecht geschlafen, hat sich übergeben und konnte wirklich nicht starten." Lagat, der Pechvogel, hatte wacklige Knie, als seine Mitkonkurrenten im "Stade de France" ihre Runden drehten.Rückschlag für die Läufernation Kenia
Nach dem Debakel im 10.000-Meter-Rennen, in dem die erfolgsverwöhnten Kenianer dem Trio aus Äthiopien chancenlos hinterher trabten, ist Bernard Lagats Verzicht ein weiterer Rückschlag, den die Läufer-Nation verdauen muss. Lagat, ein Nandi, einer vom Volk der Auswählten, denen das schnelle Laufen in die Wiege gelegt ist, war voller Optimismus nach Paris gereist. "Ich bin 30 Mal gegen ihn angetreten, auf allen möglichen Distanzen, und Hicham hat mich 30 Mal geschlagen", hatte er noch im WM-Vorfeld erzählt. "Alle Welt erwartet, dass ich wieder Zweiter werde. Aber diesmal will ich gewinnen und Gold holen", meinte er trotzig. Daraus wird leider nichts.
Bernard Lagat ist ein kluger Kopf, hat Wirtschaftsmanagement an der Washington State University studiert und hält den kenianischen Rekord mit 3:26,34 Minuten, aufgestellt in Brüssel 2001. Schneller war nur Hicham El-Guerrouj, der Weltrekordler (3:26,00 min in Rom 1998), den er hier in Paris genauso vom Thron stürzen wollte wie sein Landsmann Noah Ngeny, der in Sydney 2000 überraschend Olympia-Gold erobert hatte vor El-Guerrouj. "Wenn ich Hicham in diesem Sommer nicht besiegen werde", so Lagat, "dann werd ich's halt im nächsten Jahr versuchen." Allen Rückschlägen zum Trotz will er seinen Erzrivalen weiter attackieren.
Mehdi Baalas Medaillenchancen gestiegen
Der Ausfall von Bernhard Lagat steigert natürlich die Medaillenchancen des Franzosen Mehdi Baala, der als amtierender Europameister leicht und locker den ersten von drei Vorläufen am Eröffnungstag auf Platz zwei (3:47,26 min) absolviert hat. Abdelkader Kada, der Coach von Hicham El-Guerrouj, Erster (3:42,24 min) im zweiten Vorlauf, nahm das Fehlen von Lagat ohne besondere Reaktion zur Kenntnis. "Das ändert nichts an unserer Taktik. Denn Lagat ist keiner, der im Rennen die Initiative ergreift. Er hängt sich dran und folgt dem Führenden."
Der 28-jährige Kenianer aus Kapsabet muss sich heute und auch am Mittwoch beim "Showdown", wenn die Medaillen verteilt werden, mit der bloßen Zuschauerrolle begnügen. Tief enttäuscht ist er. James Templeton muss ihn wieder aufbauen. Templeton hofft nun, dass seinem anderen Schützling Japhet Kimutai, dem 800-Meter Spezialisten (1:42,89 min in Brüssel 1999), in den Vorläufen am Donnerstagabend mehr Glück beschieden ist. Kimutai, Sieger bei den Trials in Nairobi, ist in den Sommermonaten auch Stammgast im beschaulichen Tübingen, wenn die Kenianer in Europa von Meeting zu Meeting tingeln.