Die Lichtblicke wiegen Enttäuschungen nicht auf
Mit zwei Silbermedaillen - Steffi Nerius im Speerwerfen und Nadine Kleinert im Kugelstoßen - musste sich der Deutsche Leichtathletik-Verband bei den Olympischen Spielen in Athen zufrieden geben. Darüber hinaus gab es nur wenige Athleten, die in Athen für strahlende Lichtblicke sorgten.
Betty Heidler war ein strahlendes DLV-Gesicht in Athen (Foto: Chai)
Dazu gehörte die Hammerwerferin Betty Heidler aus Frankfurt, die sich über ihren vierten Platz freute, als wäre sie gerade Olympiasiegerin geworden. Mit 72,73 Metern schleuderte sie einen neuen deutschen Rekord und gab sich locker und unbekümmert. Geherin Melanie Seeger machte mit Platz fünf ebenso einen Fortschritt wie die sechstplatzierte Siebenkämpferin Sonja Kesselschläger. Auch Irina Mikitenko schlug sich über 5.000 Meter als Siebte in der afrikanischen Übermacht wacker. Ausgerechnet die beiden 200 Meter-Sprinter Tobias Unger (20,30 sec) und Sebastian Ernst (20,36 sec) sorgten im Zwischenlauf für spektakuläre Bestzeiten. Diese Disziplin gehörte bei den Männern jahrelang zu den Sorgenkindern im Verband. Mit dem Kornwestheimer erreichte immerhin zum ersten Mal seit 20 Jahren wieder ein Deutscher ein Sprintfinale bei Olympia. Letztendlich wurde er bemerkenswerter Siebter.
Schnelle Sprinter patzen in der Staffel
Schade, dass die im Vorfeld hochgelobte 4x100 Meter-Staffel trotzdem wieder Lehrgeld zahlen musste und nach 38,64 Sekunden im vermeintlich lösbaren Vorlauf als Sechste ausschied.
Doch diese Lichtblicke waren zu wenig, um in der Gesamtheit in der Weltspitze zu bestehen. Auch wenn die deutschen Athleten die meisten Dopingkontrollen haben und einige Nationen dieses Thema immer noch nicht so genau nehmen, es ändert nichts an der Tatsache, dass nur die wenigsten von über 70 Athleten in Athen ihre persönliche oder Saison-Bestleistung brachten. Und das hat offensichtlich nichts mit der Dopingproblematik zu tun.
Generationswechsel nicht vollzogen
Der Generationswechsel hat sich noch nicht vollzogen. Das heißt: die "Alten" können nicht mehr mithalten, die Jungen sind (noch) nicht soweit.
Enttäuschungen waren die Speerwerfer, 400 Meter-Läufer Ingo Schultz, die Stabhochspringer/innen, auch im Diskus und im Sprint gab es nichts zu holen und vor allen Dingen erreichte nur eine von vier Staffeln das Finale. Der als Medaillenanwärter gehandelte Andreas Erm wurde im 50 Kilometer Gehen zu seinem großen Unverständnis disqualifiziert. Rüdiger Nickel, der DLV-Vize-Präsident Leistungssport, kritisierte die Tatsache, "dass so viele Athleten so weit weg sind von ihren Bestleistungen" und bezeichnete dies als "indiskutabel."
Das Lazarett
Zusätzlich bremsten viele Verletzungen den Elan der DLV-Starter. Man war in der Krankenstation gut aufgehoben, wenn man einen deutschen Athleten suchte. Lars Riedel (Adduktoren), Kirsten Bolm (Oberschenkelverletzung), Ulrike Urbansky (Außenmeniskus), Stephanie Kampf (Fuß), Dennis Leyckes (Bänderriss), Jerome Crews (Leiste) oder Boris Henry (Schulter) waren Stammgäste im Krankenlager.
Andere wie Charles Friedek, Franka Dietzsch, Astrid Kumbernuss und Michael Möllenbeck hatten schon angeschlagen den Weg nach Athen auf sich genommen, nur Hochspringerin Daniela Rath und Sprinterin Gabi Rockmeier erkannten die mangelnde Fitness und verzichteten von sich aus freiwillig im Vorfeld.
Dr. Clemens Prokop, Präsident des DLV, kündigte zumindest einen großen Trainerwechsel im Herbst an. Ihm schwebt laut der Nachrichtenagentur sid ein spezielles Modell vor. "Wir sollten einen kleinen Kreis von Talenten gezielt nach oben führen, daraus sollen Erkenntnisse für künftige Förderung gewonnen werden." Bei der Junioren-WM in Grosseto holte der DLV im Juli zwölf Medaillen, an Perspektivathleten für den Generationswechsel sollte es demnach nicht mangeln.