Bert Sumser - Ein Trainer für alle Fälle
Bert Sumser war Lehrer, Übervater, Gentleman, Wegweiser fürs Leben, Legende und viel, viel mehr. Armin Hary, Willi Holdorf, Kurt Bendlin und viele andere Große der deutschen Leichtathletik werden am 4. September um 15 Uhr, in der Heilig-Kreuz-Kirche in Altmannstadt und auf dem Friedhof in Hexenagger, zwei Orten im Naturpark Altmühltal, Abschied von Bert Sumser nehmen.

Geboren in Finsterbergen in Thüringen und aufgewachsen in Friedrich Schillers Geburtsort Marbach am Neckar gewann „Bertl“ 1936 und 1937 mit der 4x400-Meter-Staffel der Stuttgarter Kickers zwei deutsche Meistertitel. In den Hungerjahren 1946 bis 1948 wurde er zum Abschied vom Sprint dreimal Berliner Meister über 100 Meter. Seine Qualitäten zum Trainer von Weltklasse-Athleten bewies er zuerst als Coach von Günther Dohrow, dessen Mut zum Tempolauf der spurtstärkere Werner Lueg im 1.500-Meter-Endlauf der bei den Deutschen Meisterschaften 1952 zum bis heute einzigen Weltrekord eines deutschen Mannes im Berliner Olympiastadion nutzte.
Bald danach ging der weltgewandte Mann zum CSV Marathon Krefeld, wo er um Hans Geister aus der Bronzemedaillenstaffel von Helsinki (Finnland) 1952 die beste europäische Klubstaffel über 4x400 Meter um sich scharte.
Mehr als 300 deutsche Meistertitel
Am 1. Juni 1954 wechselte er in die Sozialabteilung des Chemieriesen Bayer nach Leverkusen. Mit der Hauptaufgabe, den Werkssport für die Lehrlinge zu organisieren. Nach 20 Jahren waren daraus über 300 deutsche Meistertitel und mehr als vierzig Welt-, Europa- oder deutsche Rekorde geworden. Jahrelang lebte der prominenteste „Königsmacher“ der deutschen Leichtathletik bescheiden in einem Anbau des Casinos der Bayer-Werke.
Dort brachte er im Herbst 1957 Wand an Wand einen 20 Jahre alten Saarländer unter und einige Jahre später den Sohn einer Kriegerwitwe aus der Blomeschen Wildnis in Schleswig-Holstein. Zuerst Armin Hary, der einzige deutsche Läufer, der in einem Jahr zwei Weltrekorde (vor allem die legendären 10,0 Sekunden über 100 m) lief und zwei olympische Goldmedaillen holte (100 m und mit der Staffel), bald darauf Willi Holdorf, Deutschlands erster Zehnkampf-Olympiasieger. Sie stiegen zu den ersten großen Aushängeschilder der Leverkusener Leichtathletik auf.
Armin Hary zum Sieger geformt
Armin Hary, ohne Frage der talentierteste, aber auch der eigenwilligste unter einer vierstelligen Zahl von Athleten, die auf Bert Sumsers Rat hörten, wurde 1958 der erste Europameister des Bayer-Klubs. Er lernte ungewöhnlich schnell in den knapp zwei Leverkusener Jahren. Davon profitierte er nun im Trikot des FSV Frankfurt - in seinem Erfolgsjahr 1960. "Wenn Bert nicht an meiner Seite gewesen wäre, hätte ich Leverkusen - zunächst eine fremde Welt für mich - schon bald wieder verlassen. Doch Bert umsorgte mich wie ein Vater."
Seine menschlichen Qualitäten waren mindestens so groß wie seine sportfachlichen. "Er hatte wie kein anderer Zeit für seine Athleten“, berichtete Willi Holdorf schon vor Jahren. So groß die finanzielle Unterstützung des Werkes auch war, ohne einem so vielseitigen und allseits beliebten Coach und Übervater wie es Bert Sumser war, hätten die Leverkusener Leichtathleten nicht schon so bald einen riesigen Lauf gehabt. „Viele Athleten kamen wegen seiner Qualitäten nach Leverkusen“, beteuert Willi Holdorf.
Überall beliebt
Ob Querkopf oder Sensibelchen, Bert Sumser kam mit allen klar. Er verstand es meisterhaft „in seinen Athleten zu lesen“. Er gab so gut wie jedem das Gefühl, dass er für ihn der wichtigste Athlet war. Ein wichtiger Baustein seiner zwei Jahrzehnte währenden Tätigkeit war das Trimmen von Direktoren am Montagnachmittag.
Dadurch standen ihm viele Türen in der Direktions-Etage offen. Nicht nur, wenn er sportfreundliche Arbeitsstellen für seine Schützlinge brauchte. Auch für Bitten um Stipendien für das Studium. Erster Nutznießer war ein Fußballer und Leichtathlet, der später ein berühmter Fußballtrainer wurde: Udo Lattek. Die Verbindungen des Gentlemans unter den Trainern, der nebenberuflich auch Bundestrainer der Mittelstreckler und später der Sprinter war, reichten weit über das Riesenwerk hinaus.
Martin Jellinghaus und Jochen Eigenherr, zwei Europarekordler der Olympischen Spiele 1968, verhalf er zu einem Zahnarztstudium in Düsseldorf. Er war immer zur Stelle. So etwa, als er Kurt Bendlin für die Nacht zwischen seinen beiden Heidelberger Weltrekordtagen, aus dem lauten Verbandsquartier in ein ruhiges Hotel brachte. Auch als Organisator war er ein Meister und Vielarbeiter.
Von Leverkusen nach Bayern
Als er nach 20 Jahren und vier Monaten Leverkusen verließ, hatten sich mit Gerd Osenberg beim damaligen Nachbarklub TuS 04 oder Bernd Knut und andere Fachleute beim TSV Bayer 04 auf die Spuren von Bert Sumser gemacht. Der ging nach Bayern. Viele Vereine profitierten dort von seiner Vielseitigkeit. Auch in fernen Ländern war er unterwegs, besuchten ihn im Wolfstal, um Ratschläge einzuholen.
Mit 65 Jahren wollte er sich ein Pferd kaufen. Dabei fand er endlich seine Ehefrau: Käthe Pflug besaß eine Pferdezucht. „Mit dem Trauschein bekam ich das Pferd umsonst“, schmunzelte er bei einem unserer vielen Gespräche, von denen jedes für einen Journalisten von Nutzen war. So kam der dunkelhaarige Mann mit dem stählernen Blick, der vorher an der Seite der Witwe des einstigen Zehnkampf-Weltrekordlers Hanns-Heinrich Sievert und des berühmten Filmstars Olga Tschechowa gelebt hatte, ins Altmühltal.
Im nahen Ingolstadt wurde er zum wichtigsten Ratgeber für 800-Meter-Europameister Hans-Peter Ferner. Der Mann, der 1982 in Athen (Griechenland) sensationell an Weltrekordmann Sebastian Coe vorbei gespurtet war, hat sich mit seiner Frau später rührend um den in seinem letzten Lebensjahr ans Bett gefesselten großen Trainer gekümmert.
Willi Holdorf telefonierte noch im August mit ihm. Bernd Knut, den er zu seinem Nachfolger beim TSV Bayer, erkoren hatte, und Herbert Missalla, sein zweiter Weltklasse-Mittelstreckler nach Günther Dohrow, hatten noch in der Woche seines Todes Kontakt zu ihm. Er soll noch versucht haben, etwas von den Fernsehübertragungen der Berliner WM mitzubekommen. Sein Herz hing an der Leichtathletik - nicht nur in seinen großen Leverkusener Trainerjahren.