| Karriere-Ende

Betty Heidler – Die deutsche Miss Hammerwurf tritt zurück

Noch einmal soll der Hammer fliegen. Zum allerletzten Mal steigt Betty Heidler am Samstag (10. September) in den Hammerwurf-Käfig. Die idyllische Nordsee-Insel Borkum ist der Ort, an dem die Frankfurterin den Schlusspunkt unter eine eindrucksvolle Karriere setzt. Die Leichtathletik verabschiedet sich von einer ihrer herausragendsten Persönlichkeiten. Die deutsche Miss Hammerwurf sagt „Auf Wiedersehen“.
Alexandra Dersch

Betty Heidler? Der Name sagt den Deutschen auch ohne große Leichtathletik-Affinität etwas. Jahrelang prägte die Berlinerin, die für die LG Eintracht Frankfurt startet, das Bild des deutschen Frauen-Hammerwurfs wie keine Zweite. In Zeiten, in denen die Menschen bei Hammerwerferinnen immer noch an Wurfmaschinen, an Frauen in Männerkörpern, mit tiefen Stimmen und gewaltigen Nierenbeckengurten dachten, gab Betty Heidler der Sportart ein neues Gesicht.

Strahlend. Weiblich. Erfolgreich. Betty Heidler lehrte der Öffentlichkeit, dass sich Kraft und Eleganz auch bei hammerwerfenden Frauen durchaus nicht ausschließen. Plötzlich wanderte das Hammerwerfen der Frauen vom Vorprogramm bei Meisterschaften ins Hauptprogramm, plötzlich nahmen auch Organisatoren diese Disziplin in ihre Veranstaltungen auf, bei denen der Hammerwurf vorher nie stattgefunden hatte. „Es ist schön zu wissen, dass ich etwas für die Sportart tun konnte, aber ich habe diese Rolle nicht bewusst gewählt“, sagt Betty Heidler heute mit Blick in den Rückspiegel auf ihre Karriere.

Persönlichkeit trifft beeindruckende Leistung

Das musste sie auch nicht. Was sie dafür brauchte? Ganz einfach: Ihr Lachen, ihre Persönlichkeit und natürlich jede Menge weiter Würfe. Schlicht: Betty sein. Betty, die angenehme Gesprächspartnerin. Die, die Nähe schuf, sich als Mensch dem Publikum öffnete, ohne sich anzubiedern. Ihr Privatleben hielt sie raus aus der Öffentlichkeit. „Ich bin nicht so der Typ für private Worte, und auch mein Mann und meine Familie waren nie darauf erpicht, in der Öffentlichkeit stattzufinden.“ Stattdessen sprach sie öffentlich lieber über weite Würfe. Denn davon gab es einige. Wie oft sie über 70 Meter geworfen hat? Sie kann es nicht mehr zählen.

Sicher ist aber, dass sie seit dem Jahr 2003 keine Saison mehr mit einer Saisonbestleistung unter 70 Metern beendete. Dass der Durchschnittswert ihrer zehn weitesten Würfe bei – festhalten – 77,66 Metern liegt und ihre Bestleistung von 79,42 Metern bis 2014 Weltrekord war. Ein knapper halber Meter fehlte lediglich bis zur magischen 80-Meter-Marke. „Die achtzig Meter – die hatte ich drauf, aber dafür muss so viel mehr stimmen“, sagt die heute 32-Jährige. Eine Marke, deren Erreichen den Stern einer Betty Heidler aber nicht signifikant heller hätte erstrahlen lassen.

18 Jahre Leistungssport stecken ihr heute, kurz vor dem letzten Wettkampf ihrer Karriere, in den Knochen. „Der Körper, der Kopf, ich bin müde“, sagt Betty Heidler. Das sei an jedem Saisonende so. Aber dieses Ende ist anders. Es ist endgültig. Schade – für die Leichtathletik, denn mit Betty Heidler verliert sie nicht nur eine Leistungsträgerin, sondern auch eine herausragende Persönlichkeit. Aber auch schön – für Betty Heidler selbst. Denn dieses Ende ist selbstbestimmt. Selbst entscheiden zu können, wann Schluss ist. Selbst bestimmen zu können, wann der richtige Zeitpunkt erreicht ist. Das ist ein Geschenk. Ein Geschenk, das Betty Heidler auch genau so annehmen kann.

Weltrekordlerin, Weltmeisterin und Europameisterin

„Ich bin so dankbar“, sagt sie und sie sagt es häufig. Dankbar ihrem Körper, dass er das Abenteuer Hochleistungssport so lange mitgemacht hat. Ihrem Trainer Michael Deyhle, der im Duo mit ihr den Erfolg und Glanz dieser Karriere erst ermöglicht hat. Und ihrer Familie, ihren Freunden, die das ganze Projekt mitgetragen haben. Die es akzeptiert haben, dass sie bei den ohnehin wenigen Treffen gefühlt immer die Uhr im Blick hatte, denn das nächste Training, der nächste Physiotermin wartete schon. „Auf dieses Mehr an Freizeit, auch mal spontan wegfahren zu können, da freue ich mich am meisten drauf.“ Ihr beruflicher Weg wird sich in den nächsten Wochen entscheiden. „Ich möchte bei der Bundespolizei bleiben und weiterhin mein Jura-Studium vorantreiben.“ Auch das musste die letzten Jahre hinten anstehen.

Die Entbehrungen der letzten 18 Jahre wurden ihr jedoch entlohnt. Elf Mal wurde sie alleine Deutsche Meisterin. Sie war Weltmeisterin, Europameisterin, holte Bronze bei den Olympischen Spielen 2012 („Dieses Theater um den Messfehler hat mich noch bekannter gemacht“). Insgesamt sammelte sie in all den Jahren sechs internationale Medaillen.

In Rio schloss sich ein Kreis

Aber auch eine Betty Heidler hatte Tiefs, keine Frage, schied mal in der Qualifikation aus. Doch es tat ihrer Strahlkraft keinen Abbruch, machen Niederlagen Top-Sportler doch auch wieder menschlich, wieder greifbar für das breite Publikum. Denn Betty Heidler kämpfte sich immer wieder nach oben. Auf das Aus in der Quali bei der WM 2013 folgten wieder erfolgreiche Jahre, Top-Platzierungen in WM-Finals und 2016, zum Ende ihrer Karriere, noch einmal Silber bei der EM in Amsterdam (Niederlande). Dass es bei Olympia in Rio nicht über Platz vier hinausging – geschenkt. Dem Andenken ihrer Karriere fügt das keinen Kratzer zu.

Im Gegenteil: In Rio schloss sich der Kreis. Bei ihrer ersten Olympia-Teilnahme 2004 war sie in Athen (Griechenland) mit deutschem Rekord Vierte geworden. Und freute sich unbändig darüber. Ihr Lächeln, es fehlte damals in kaum einem Rückblick auf die Spiele. Damals, als knapp 20-Jährige, war das Strahlen noch völlig unbeschwert, noch völlig frei.

Knapp zwölf Jahre später ist ihr markantes Lächeln naturgemäß nicht mehr ganz so jugendlich, nicht mehr ganz so unbedarft, aber immer noch genauso ehrlich. 18 Jahre Leistungssport gehen an Körper und Gemüt gleichermaßen nicht spurlos vorbei. Auch am Samstag wird sie den Hammerwurf-Käfig mit einem Lächeln verlassen und sich freuen. Über eine Karriere, die vielleicht nicht so oft von Gold gekrönt war, wie sie es verdient hätte. Aber die vielleicht gerade deshalb vollendet, da unvergessen ist.

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