Die große WM-Vorschau (Teil 1)
Der Countdown tickt. Vom 6. bis 14. August finden die Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Helsinki statt. Spannende Entscheidungen, in denen neue Titelträger gesucht werden, stehen im Olympiastadion an. leichtathletik.de hat für Sie die Favoriten herausgeschält und auch die Chancen der aussichtsreichsten DLV-Starter abgewogen. Lesen Sie Teil eins unserer Vorschau auf die Bewerbe bei den Männern...
Justin Gatlin kann drei Goldmedaillen holen (Foto: Chai)
100mDer neue Weltrekordhalter Asafa Powell wird wegen einer Adduktorenverletzung, wenn überhaupt, dann wohl nur in der jamaikanischen Sprintstaffel an den Start gehen. Der Weg scheint frei für Olympiasieger Justin Gatlin. Der US-Amerikaner steigerte seine Saisonbestleistung erst kürzlich am 22. Juli beim Grand-Prix-Meeting in London auf 9,89 Sekunden und ist damit der zweitschnellste Mann in diesem Jahr. Mit Marc Burns und Darrel Brown, der mit 10,01 Sekunden den Jugend-Weltrekord hält, könnte sich ein Duo aus Trinidad & Tobago ins Rampenlicht sprinten und auch der Franzose Ronald Pognon blieb bei seinem Landesrekord mit 9,99 Sekunden erstmals unter 10 Sekunden. Ein Wörtchen um die Medaillen möchte sicherlich auch Shawn Crawford (USA) mitreden, der sich wegen einer Fußverletzung auf die 100 Meter konzentriert. Titelverteidiger Kim Collins (St. Kitts & Nevis) gab zu, diesmal unter größerem Erwartungsdruck zu stehen und nicht so unbelastet an den Start gehen zu können.
Titelverteidiger: Kim Collins (St. Kitts & Nevis)
DLV-Starter: keine
200m
Drei Youngster reisen mit den besten bis jetzt erzielten Zeiten zu den Weltmeisterschaften. Der erst 20-jährige US-Amerikaner Wallace Spearmon steigerte seine Bestleistung am 22. Juli in London auf 19,89 Sekunden, darf in Helsinki nach seinem vierten Platz bei den US-Trials aber nur starten, weil Olympiasieger Shawn Crawford wegen einer Fußverletzung nur über 100 Meter an den Start geht. Die beiden weiteren jungen Anwärter auf eine Medaille sind der US-Boy Tyson Gay und der 18-jährige Junioren-Weltrekordhalter Usain Bolt aus Jamaika. Alle drei haben allerdings wenig Erfahrung bei Großereignissen, vielleicht kann dies Justin Gatlin (USA) ausnutzen. Mit seinem Doppelsieg über 100 und 200 Meter bei den us-amerikanischen Trials, dem ersten seit 20 Jahren, bewies er seine herausragende Form. Erstes Ziel für Tobias Unger (LAZ Salamander Kornwestheim/Ludwigsburg) wird das Erreichen des Endlaufs sein. Vielleicht springt ja für ihn auch ein neuerlicher deutscher Rekord heraus. Sebastian Ernst (FC Schalke 04) zeigte sich mit dem zweiten Platz bei der U23-EM in Erfurt in aufsteigender Form. Sein Ziel sollte es sein, an seine Bestzeit (20,36 sec) aus dem letzten Jahr heranzulaufen.
Titelverteidiger: John Capel (USA)
DLV-Starter: Tobias Unger, Sebastian Ernst
400m
Bei den Olympischen Spielen in Athen hat die junge Garde der US-Viertelmeiler alle drei Medaillen abgeräumt. Ein solcher "Sweep" ist auch in Helsinki für den jungen Leitwolf Jeremy Wariner, Darold Williamson und Andrew Rock nicht unmöglich, allerdings musste gerade der Olympiasieger zuletzt in London auch eine bittere Niederlage gegen den überraschend starken Briten Tim Benjamin hinnehmen, in Stockholm kam ihm der Jamaikaner Brandon Simpson nahe. Trotzdem spricht für den erst 21-Jährigen die Konstanz. Nach dem Vorlauf bei den US-Meisterschaften im Juni in Carson blieb er bei jedem Start unter 45 Sekunden. Aufsteiger der Saison ist der Kanadier Tyler Christopher (44,69 sec), der allerdings zuletzt angeschlagen war. Für den Saarbrücker Simon Kirch stellt sich als einzigem DLV-Einzelstarter die Aufgabe schwierig dar. Seine Saisonbestzeit von 45,80 Sekunden hätte bei den Olympischen Spielen in Athen allerdings im Vorlauf gereicht, um in die nächste Runde einzuziehen.
Titelverteidiger: Jerome Young (USA)
DLV-Starter: Simon Kirch
800m
Ein 800 Meter-Rennen ist immer gut für Überraschungen, weiß René Herms (LG Asics Pirna), der mit einer Saisonbestzeit von 1:44,71 Minuten nach Helsinki aufbricht. Das Finale zu erreichen, ist sein erklärtes Ziel: "Und dort ist jeder ein Medaillenkandidat." Der Kampf um Gold scheint offen, Anwärter sind auf jeden Fall der Südafrikaner Mbulaeni Mulaudzi und der Kenianer Wilfred Bungei, die dieses Jahr bereits eine Zeit knapp über 1:44 Minuten erzielt haben. Abzuwarten bleibt, in welcher Form sich Olympiasieger Yuriy Borzakovskiy befindet. Der Russe hat nur wenige Rennen im Weltmeisterschaftssommer bestritten, lief am 29. Juli in Oslo aber 1:44,18 Minuten. Der Weltrekordhalter über 800 Meter, Wilson Kipketer (Dänemark), ist in der finnischen Hauptstadt nicht am Start.
Titelverteidiger: Djabir Said-Guerni (Algerien)
DLV-Starter: René Herms
1.500m
Der Titelverteidiger Hicham El Guerrouj (Marokko) fehlt nach gesundheitlichen und Motivationsproblemen ebenso wie der noch nicht für die USA startberechtigte Olympia-Zweite Bernard Lagat. Damit tut sich für eine Reihe anderer Athleten eine große Chance auf. Die in der Golden League überzeugenden Rashid Ramzi (Bahrain) und Daniel Kipchirchir Komen (Kenia) können sich etwas ausrechnen, werden aber von einigen anderen schnellen Leuten, darunter mit dem Franzosen Mehdi Baala und dem Ukrainer Ivan Heshko auch zwei starke Europäer, gejagt.
Titelverteidiger: Hicham El Guerrouj (Marokko)
DLV-Starter: keine (Anm. Jonas Hamm von der LG Wedel/Pinneberg startet für Finnland)
5.000m
Weltrekordhalter Kenenisa Bekele wird nach den 10.000 Metern, so die Ankündigung, auch die halb so lange Distanz am abschließenden Sonntag (14. August) bestreiten. Der Äthiopier muss hier allerdings mit etwas stärkerer Konkurrenz aus Kenia, das Isaac Songok, Benjamin Limo, John Kibowen und Titelverteidiger Eliud Kipchoge an den Start bringt, rechnen. Bei den Olympischen Spielen in Athen wurde er von Hicham El Guerrouj (Marokko), der diesmal fehlt, geschlagen, bei der letzten WM in Paris war er Dritter. Im Duell mit den Kenianern sollte er bei seinem Bruder Tariku und Dejene Berhanu möglicherweise taktische Unterstützung finden. Wie auch über 10.000 Meter könnte der Australier Craig Mottram, der für einen Doppelstart gemeldet ist, der schnellste weiße Läufer sein.
Titelverteidiger: Eliud Kipchoge (Kenia)
DLV-Starter: keine
10.000m
Wer soll Kenenisa Bekele schlagen? Diese Frage stellt sich die Leichtathletik-Welt. Alles andere als die erfolgreiche Titelverteidigung des Äthiopiers, der auch über 5.000 Meter antritt, wäre eine faustdicke Überraschung. Die gegen eine neuerliche Schmach laufenden Kenianer Moses Mosop, Charles Kamathi und Martin Irungu werden alle Hände voll zu tun haben, um nicht nur dem Olympiasieger zu folgen, sondern wie bei der WM in Paris einen neuerlichen Dreifacherfolg der Äthiopier, die noch Abebe Dinkessa, Sileshi Sihine und Gebregziabher Gebremariam am Start haben, zu verhindern. Bei den Olympischen Spielen in Athen gelang das einem Mann aus Eritrea, Zersenay Tadesse.
Titelverteidiger: Kenenisa Bekele (Äthiopien)
DLV-Starter: keine
Marathon
Olympiasieger Stefano Baldini (Italien) und Titelverteidiger Jaouad Gharib (Marokko) stehen vor keiner einfachen Aufgabe. Vor allem die großen Marathonnationen Kenia (mit London-Sieger Martin Lel) und Japan, das auf Toshinari Takaoka setzt, könnten diesen beiden das Leben schwer machen. Äthiopien hat zwar keinen Läufer unter den Top 20 des Jahres, hofft aber auf den Boston-Triumphator Hailu Negussie. Vize-Weltmeister Julio Rey könnte erneut für Spanien, das außerdem die heißen Eisen José Ríos und José Manuel Martínez nominiert hat, auf das Treppchen laufen. Am Start ist auch der brasilianische Olympia-Dritte Vanderlei de Lima, der in Athen von einem Zuschauer in Führung liegend vorsätzlich von der Strecke gezerrt worden war.
Titelverteidiger: Jaouad Gharib (Marokko)
DLV-Starter: keine
3.000 Meter Hindernis
"Eine Meisterschaft ist eine Meisterschaft, da kann alles passieren. Ich erwarte starke Gegner. Aber egal, ob das Rennen dort schnell oder langsam wird, ich will das Ding machen", sagte Saif Saeed Shaheen. Der gebürtige Kenianer, der jetzt für Katar an den Start geht, will unbedingt seinen Erfolg von vor zwei Jahren wiederholen und schließt einen neuen Weltrekord nicht aus. Auch Olympiasieger Ezekiel Kemboi (Kenia) rechnet sich Chancen auf einen vorderen Platz aus, er und seine Landsmänner wollen sich zwei Medaillen sichern, eine davon soll Gold sein. Beste Aussichten hat Paul Kipsiele Koech, der die zweitbeste Zeit nach Saif Saeed Shaheen in dieser Saison lief und ihn in Rom bis zur Ziellinie forderte. Der deutsche Hindernisläufer Filmon Ghirmai (LAV Tübingen) wurde nach Achillessehnenproblemen und nicht vollbrachter Leistungsbestätigung aus dem WM-Kader gestrichen.
Titelverteidiger: Saif Saeed Shaheen (Katar)
DLV-Starter: keine
110m Hürden
Gleich eine Handvoll Athleten kämpfen um den Titel des schnellsten Mannes über 110 Meter Hürden. Ladji Doucouré blieb mit 12,97 Sekunden dieses Jahr als erster Franzose unter 13 Sekunden und will sich nach dem Hallen-EM-Titel jetzt den Weltmeisterschaftssieg holen. Mit in den Titelkampf, den bisher immer ein Brite oder US-Amerikaner gewonnen hat, möchte Olympiasieger Liu Xiang (China), der dieses Jahr trotz Knieproblemen zu 13,05 Sekunden sprintete, eingreifen. 34 Jahre aber kein bisschen müde oder langsam – das ist der viermalige Weltmeister Allen Johnson. Der US-Amerikaner ließ die zehn Hürden neben Ladji Doucouré als einziger in dieser Saison in weniger als 13 Sekunden hinter sich. Aus deutscher Sicht ruhen die Hoffnungen auf Thomas Blaschek (LAZ Leipzig), der dieses Jahr konstant schnelle Zeiten ablieferte. Er peilt einen Finalplatz und eine Zeit um 13,30 Sekunden an.
Titelverteidiger: Allen Johnson (USA)
DLV-Starter: Thomas Blaschek
400m Hürden
Kerron Clement entriss im Winter Michael Johnson den Hallen-Weltrekord über 400 Meter, stellte aber direkt nach dem Rennen klar, dass er ein Hürdenläufer sei. Unter 47 Sekunden will der US-Amerikaner laufen, das ist vor ihm nur Kevin Young (USA) gelungen. 47,24 Sekunden sind ihm dieses Jahr schon geglückt, die 49,03 Sekunden, die er zuletzt in London (22. Juli) lief, überzeugten allerdings nicht. Olympiasieger Felix Sanchéz (Dominikanische Republik) zeigt sich kämpferisch. Trotz gesundheitlichen Problemen und gegen den Rat der Ärzte, will er sich den dritten Weltmeistertitel in Folge sichern. Auch die anderen beiden US-Starter Bershawn Jackson und James Carter sind Anwärter auf eine Medaille. Für den Frankfurter Christian Duma sollte es darum gehen, seine Zeit vom Europacup (49,17 sec) zu bestätigen.
Titelverteidiger: Felix Sánchez (Dominikanische Republik)
DLV-Starter: Christian Duma