Betty Heidler - "Ich war schockiert"
Den deutschen Rekord wollte sie am Wochenende in Halle/Saale angreifen, nach Hause fuhr Betty Heidler (LG Eintracht Frankfurt) mit dem Weltrekord (79,42 m). Diese Bestmarke ist eine klare Ansage der 27-Jährigen an die Konkurrenz im Hinblick auf die WM in Daegu (Südkorea; 27. August bis 4. September). Im Interview spricht die frischgebackene Weltrekordlerin über Heimatgefühle, ihre gelungene Technikumstellung und ihre weiteren Ziele im WM-Jahr.

Betty Heidler:
Ja, weil der technisch mit am besten war. Beim 77,19-Meter-Wurf war ich sehr überrascht, dass der so weit war. Ich dachte, da kann noch was kommen. Der zweite Einwerfer war auch schon sehr weit. Aber dass es so weit geht, kann man sich erst mal nicht vorstellen.
Was ging Ihnen danach als erstes durch den Kopf?
Betty Heidler:
Ich war schockiert, ungläubig. Als der Hammer gelandet war, ging schon ein Raunen durch die Zuschauer und ich hatte geahnt, dass es sehr weit gegangen war. Als erstes habe ich mich gefreut, dass meine Eltern da sind, und dass ich mit ihnen gleich feiern kann. Dass das nicht irgendwo auf einem kleinen Meeting passiert, sondern hier, wo auch sehr viele Bekannte und Fans da sind. Das war das wirklich Schöne. Aber dass es der erste deutsche Leichtathletik-Weltrekord seit der Wende ist, das macht mich zusätzlich stolz.
Was hat Ihr Trainer Michael Deyhle nach dem Weltrekord gesagt?
Betty Heidler:
Er war genau so überrascht wie ich, er konnte vor Freude erst wenig sagen.
Wie wird die Konkurrenz reagieren?
Betty Heidler:
Sie ist sicher auch erst mal geschockt. Es gibt derzeit sehr wenige, die über 77 Meter werfen können. Dass jemand mit ähnlicher Weite kontern könnte, deutet sich bisher nicht an.
Sie haben nicht zum ersten Mal in Halle gewonnen. Was ist das Besondere an diesem Meeting?
Betty Heidler:
Ich bin in meiner Heimat, in Ostdeutschland. Ich komme hierher und fühle mich einfach nur sehr wohl. Ich habe hier als Schülerin meine ersten Wettkämpfe gemacht, bin von Berlin aus regelmäßig hierher gefahren. Es ist eine supertolle Anlage, es sind supertolle Zuschauer, das Wetter ist perfekt. Es gibt keinen Grund, warum man hier nicht weit werfen sollte.
Stimmt es, dass sie extra für diesen Wettkampf von der besten Freundin einen neuen Glücksbringer bekommen haben?
Betty Heidler:
Ja, mein Kleeblatt an der Halskette. Ich hatte vorher eins, das habe ich im Winter verloren und habe das hier pünktlich letzte Woche geschenkt bekommen.
Hat sich die Weite im Training schon angedeutet?
Betty Heidler:
Ja, die Technik hat sich unglaublich verbessert. Da wo ich sonst immer arg Probleme hatte, habe ich mich sehr konstant verbessert und bin da auch sehr stabil mittlerweile. Der deutsche Rekord hat sich abgezeichnet. Vielleicht nicht gleich hier, denn für den ersten Wettkampf ist das nicht so das Übliche. Aber dass es gut werden würde schon - aber nicht so gut.
Was haben Sie an der Technik verändert?
Betty Heidler:
Mein Problem war immer, dass mein Radius oben zu gering war, der spielt eine sehr große Rolle. Ich habe jetzt zehn Jahre gebraucht, um das hinzubekommen. Der Rhythmus ist einfach besser. Ich hatte bis zur vierten Drehung kaum Geschwindigkeitssteigerung gehabt. Das ist wesentlich besser geworden.
Wie wichtig sind dabei die Ergebnisse der Biomechanikmessung, die auch in Halle am Ring zum Einsatz kam?
Betty Heidler:
Die Technikumstellung macht man aufgrund der Biomechanik. Weil man mit den Ergebnissen genau sehen kann, woran man arbeiten kann, außer an dem rein Optischen, was der Trainer sieht. Das zu haben, ist für uns sehr wichtig. Gerade, um bei Würfen, die sich perfekt anfühlen, zu gucken, ist der wirklich perfekt.
Sie werden jetzt natürlich mit dem Ziel Gold nach Südkorea fliegen. Wie halten Sie nach diesem Weltrekord bis dahin die Spannung?
Betty Heidler:
Es geht ja nicht immer nur um den Weltrekord, sondern vorwiegend darum zu gewinnen. Das ist für mich das Wichtigste. Wir haben die Saison so begonnen, dass wir auch vom Training her auf einem hohen Niveau sind. Jetzt halte ich mich zurück, bis ich mit den Meetings fertig bin, bis zu den Deutschen Meisterschaften. Dann gehen wir ja nochmal in die Vorbereitung für die WM, um nochmal eine Belastung zu setzen. Und dann muss man sehen, was bei der WM rauskommt.
Die 80 Meter scheinen in Reichweite. Ist das eine neue Bürde?
Betty Heidler:
Ich denke nicht an die 80 Meter, will mich erst mal im Bereich über 76 Meter stabilisieren. Und WM-Favoritin war ich ohnehin schon. Ich spüre vor der WM keinen besonderen Druck. Ziel bleibt unverändert eine Medaille.
Und wie geht es jetzt weiter?
Betty Heidler:
So wie geplant. Samstag werfe ich bei der World Challenge in Dakar und Montag in Ostrava. Dabei will ich nicht den Rhythmus von Vorkampf und Finale bei der WM simulieren, die Wettkämpfe liegen einfach so eng beieinander.
Aufgezeichnet von Maik Henschke
Mit Material des Sport-Informations-Dienstes (sid)
Video - Der Weltrekord-Wurf von Betty Heidler