
Bewegende Feierstunden für Gretel Bergmann
Gänsehaut zum 100. Geburtstag der jüdischen Hochspringerin Gretel Bergmann: Während DLV-Präsident Dr. Clemens Prokop in New York die Glückwünsche des deutschen Sports überbrachte, feierten in Laupheim 220 Festgäste, darunter Doppel-Olympiasiegerin Ulrike Nasse-Meyfarth und NOK-Ehrenpräsident Walther Tröger, in einer sehr emotionalen Feierstunde die berühmte Tochter der Stadt, deren Biografie durch die Nazis tiefe Einschnitte erfahren hatte.
Dabei hatten die Feiern zum 100.Geburtag turbulent begonnen, denn Margaret Lambert musste nach einem häuslichen Unfall zwei Tage zuvor in ein New Yorker Krankenhaus eingeliefert werden. An ihrem Geburtstag war die vitale Hundertjährige bereits wieder zu Späßen aufgelegt und zeigte den Besuchern ihre Körperübungen, mit denen sie sich fit gehalten hat.
DLV-Präsident Prokop überreichte der Jubilarin ein Nationaltrikot mit den Unterschriften der aktuellen Nationalmannschafts-Athleten sowie eine CD der Regensburger Domspatzen, was die Jubilarin begeisterte. Mit im Gepäck hatte er außerdem einen Video-Gruß der aktuell besten deutschen Hochspringerin Marie-Laurence Jungfleisch.
Dagmar Freitag "tief bewegt"
Ebenfalls nach New York mitgereist war DLV-Vizepräsidentin Dagmar Freitag, Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag. Sie hatte ein Glückwunschschreiben von Außenminister Frank-Walter Steinmeier mitgebraucht. Sie berichtete: "Ich war tief bewegt von der menschlichen Größe dieser Frau. Sie hat verziehen, was ihr von den Nationalsozialisten angetan wurde. Da ist kein Ansatz von Hass mehr zu spüren. Sie ist witzig, humorvoll und mit ihrem Leben im Reinen."
Zu den Gratulanten zählte außerdem der deutsche Generalkonsul Busso von Alvensleben. Auch Kamera- und Reporterteams von ARD, ZDF und Deutscher Welle waren zu Gast.
Um die Chance des Olympiasiegs beraubt
Gretel Bergmann, die heute den Namen Margaret Lambert trägt, war 1936 wenige Wochen vor den Olympischen Spielen von den Nazis aus dem deutschen Olympiateam geworfen worden. Sie war damals mit einer Bestleistung von 1,60 Meter die beste deutsche Hochspringerin und von den Nazis um die Chance eines Olympiasiegs beraubt worden.
„Wir fühlen uns mit großem Respekt mit Ihnen verbunden“, sagte Clemens Prokop zur Jubilarin, für den die Begegnung ein tiefgehendes Erlebnis war. Bergmann habe eine einmalige Biographie. „Sie ist eine der wenigen Fälle, bei denen Politik und Sport so direkt aufeinandergeprallt sind“ sagte Prokop. Dass sie diesen Konflikt durchgestanden habe, sei mehr als bemerkenswert.
Freude über Glückwünsche aus Deutschland
„Dies Zeit in den dreißiger Jahren war die härteste Zeit meines Lebens“, berichtete Bergmann und ergänzte: „Ich wäre sicher schon längst tot, wenn ich damals meinen Mund nicht gehalten hätte“.
Über die zahlreichen Glückwünsche aus Deutschland freute sie sich sehr. "Ich hätte mir gewünscht, meine Eltern hätten erlebt, dass zu meinem Geburtstag eigens eine Delegation des Deutschen Leichtathletik-Verbandes angereist ist. Es hat mich wirklich sehr beeindruckt", sagte sie. Begrüßt hatte sie die Gäste mit den freundlichen Worten: "Call me Margaret".
Feierstunde in der alten Heimat
Bei einer sehr emotionalen Feierstunde, die zur gleichen Zeit in Gretel Bergmanns Heimatstadt Laupheim abgehalten wurde, würdigten Doppel-Olympiasiegerin Ulrike Nasse-Meyfarth und IOC-Ehrenmitglied Walther Tröger in einem Podiumsgespräch den Lebenslauf der Hochspringerin. „Gretel Bergmann war eine außergewöhnliche Leichtathletin, deren Lebensgeschichte es verdient, lebendig gehalten zu werden“, sagte Meyfarth. Sie sei froh, dass sie in einem anderen Deutschland ihren Sport ausüben konnte als die schwäbische Jüdin.
Walther Tröger, langjähriger NOK-Präsident, hatte Bergmanns Lebensweg durch eine Einladung zu den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta (USA) ins Bewusstsein der deutschen Sportwelt geholt. „Die Bedeutung Gretel Bergmanns für den deutschen Sport liegt in ihrer Art, wie sie mit moralischen Verletzungen umgegangen ist“, sagte Tröger. Laupheimer Schüler hatten mit einer Postkartenaktion Bergmann zum 100. Geburtstag gratuliert.
Auszeichnung mit der Staufer-Medaille
Musikalisch wurde die 1937 in die USA emigrierte Leichtathletin mit Sinatras „I did it my way“ gewürdigt, mit dem der visuelle Ablauf von Bergmanns Lebenslauf untermalt wurde. Bergmann wurde mit der Staufer-Medaille, der höchsten Ehrung des Landes Baden-Württemberg und er Bürgermedaille der Stadt Laupheim ausgezeichnet.
Pikante Note am Rande: am Rande der Feierstunde wurde bekannt, dass auf dem Gelände des Olympiaparks beim Berliner Olympiastadion eine Straße nach Gretel Bergmann benannt werden soll. Diese Straße führt am ehemaligen Haus des NS-Reichsportführers Hans von Tschammer, von dem Bergmann 1936 den Brief über den Rausschmiss aus dem Olympiateam erhalten hatte, vorbei.