Bianca Kappler - Die Spätzünderin
Bianca Kappler erinnert sich genau. Elf Jahre ist es her, damals nahm sie im zarten Leichtathletik-Alter von 19 Jahren an ihren ersten Deutschen Meisterschaften teil. Gemeldet wurde sie von ihrem Verein eigentlich nur, damit sie einmal in ihrem Leben gegen die legendäre Heike Drechsler springen kann. Dass sie nur fünf Jahre später gemeinsam mit der zweimaligen Olympiasiegerin im Münchner EM-Team stehen sollte, war damals noch nicht abzusehen.

Durch diese Entwicklung blieb die mit 1,80 Metern Körpergröße hoch aufgeschossene Blondine lange Zeit im Hintergrund. „Überhaupt habe ich einen Weg genommen, an den ich nie gedacht hatte. In der Jugend wurde bei mir wohl einiges versäumt, ich bin oben in Schleswig-Holstein irgendwie durch das Netz geflutscht.“
Erfahrungen gesammelt
So kam es, dass sie nie an einer Junioren-Welt- oder Europameisterschaft teilgenommen hat. Als sie dann doch zum ersten Mal im U23-Bereich das Nationaltrikot überstreifte, war die Nervosität bei ihrer Premiere auf einem Mondobelag so groß, dass sie dreimal übertrat.
Doch diese Unsicherheiten sind vorbei. Bianca Kappler, die 2006 für die Geburt ihres Töchterchens Jolina eine wohltuende Babypause einlegte, hat im Laufe der Jahre viel gelernt. „Ich gehöre zu den Athletinnen, die Erfahrung brauchen. Jede Meisterschaft brachte mich ein Stück voran.“ Inzwischen hat sie für die Wettkämpfe, natürlich auch die Großereignisse, einen Fahrplan, den sie mit einem gesunden Selbstbewusstsein durchsetzt: „Ich weiß genau, was ich wann mache.“
Der feste Plan gilt auch für ihre weitere Karriere. Bis ins EM-Jahr 2010 will sie weitermachen und dann mal sehen, wie es um ihre Leistungen bestellt ist. Die Olympischen Spiele 2012 in London (Großbritannien) seien noch weit weg, ganz ausschließen will Bianca Kappler aber auch die Teilnahme dort nicht, wenn das Niveau noch stimmen sollte: „Schließlich habe ich momentan den schönsten Job der Welt.“
Hohe Ansprüche an sich
Mit dieser Überzeugung lassen sich die nächsten Aufgaben getrost angehen. Die Olympischen Spiele locken in diesem Sommer in Peking (China) und schließlich folgt 2009 die Heim-Weltmeisterschaft in Berlin. Nach Platz fünf bei der letzten WM in Osaka (Japan) merkt die 30-Jährige an: „Ich stelle jetzt hohe Ansprüche an mich. Die Meßlatte ist im Training höher gelegt und ich setzte mir kurzfristige Ziele.“ Viele kleine Ziele seien das, die sich wiederum in ihrem Zusammenwirken entsprechend auf die Leistung auswirken sollen. „So arbeite ich in kleinen Portionen ab, was zu tun ist.“
Damit das alles so gut funktioniert, vertraut die im familiären Umfeld des LC Asics Rehlingen gut aufgehobene Bianca Kappler auf ihren Trainer Ulrich Knapp. „Er schafft es, mich auf den Punkt fit zu bekommen. Er ist der größte Motivator, dieses Trainer-Athletenverhältnis ist mir sehr wichtig. Ich kann und muss darauf setzen, dass er weiß, was er tut. Wir tauschen uns aber auch viel aus.“
Fit am Tag X
Dass dieses Zusammenspiel prächtig funktioniert, haben die letzten Jahre gezeigt. Die inzwischen bei einer Bestleistung von 6,90 Metern angekommene Bianca Kappler verweist darauf, dass sie mit Ausnahme der WM 2005 in Helsinki (Finnland), wo sie allerdings am Rücken verletzt war, noch nie bei einem internationalen Großereignis enttäuscht habe. „Ich konnte immer eine Leistung bringen, mit der ich zufrieden war. Das spricht dafür, dass ich es schaffen kann, am Tag X meine Leistung abzurufen.“
Wozu es mit dieser gewonnenen mentalen Stärke in diesem Jahr bei den Olympischen Spielen reichen kann, lässt die inzwischen dreimalige Deutsche Freiluft-Meisterin offen. Einen unnötigen Druck will sie sich nicht auferlegen: „Ich stelle mich jetzt nicht hin und sage, dass ich eine Medaille hole. Mein Ziel ist das Finale der besten Acht.“ Dafür müsse man stabil 6,70 bis 6,80 Meter springen können, was dann die Konkurrenz mache, läge nicht in ihrer Hand.
Fall Marion Jones - Gehör verschafft!
In ihrer Hand lag ebenso wenig, dass sich der einstige US-Star Marion Jones unerlaubter Mittel bediente und die Vorzeigeathletin des Saarlandes bei den letzten Spielen in Athen (Griechenland) auch so gewissermaßen um den so wichtigen Platz acht gebracht worden war. Das ärgerte sie, diesem Ärger machte Bianca Kappler Luft und verschaffte sich im vergangenen Herbst Gehör. Auch wenn sie nun mangels Aussichten auf ihre Schadensersatzklage verzichtet, zeigte es, dass die Athletin bereit ist, um ihr Recht zu kämpfen.
Als selbständige Unternehmerin, die vom Sport lebt, habe sie eben dieses Recht, darauf hinzuweisen, dass es aus finanzieller Sicht so sei. Ihr Ausrüster hat nun für „Deutschlands fairste Sportlerin“ noch einmal in die Tasche gegriffen und nachträglich Prämien gezahlt, aber nicht nur das Materielle, sondern auch der ideelle Wert spielte bei ihrer öffentlichkeitswirksamen Offensive eine Rolle, wie die Weitspringerin erklärt: „In erster Linie sind von Doping andere Athleten betroffen. Wenn man sich nun vorstellt, wie viele Leute versuchen, sich für Olympische Spiele zu qualifizieren, dann haben die drei Versuche, die ich verloren habe, einen großen Anteil.“
Gerechtigkeit im Anti-Doping-Bestreben ist ihr ein großes Anliegen. Vielleicht spielt dabei auch ein wenig eine Rolle, dass sie eine Spätzünderin ist und für vieles hart arbeiten musste. Jetzt nämlich kann Bianca Kappler gerade aus ihrer Erfahrung und Überzeugung heraus erfolgreich sein und das nicht nur in der Weitsprunggrube.
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www.bianca-kappler.de