Bianca Kappler hat noch etwas zu erledigen
Weitspringerin Bianca Kappler hat im Sommer wegen eines Achillessehnenrisses den zweiten Olympiastart ihrer Karriere verpasst. Über die Wintermonate will sich die WM-Fünfte von 2007 zurück in die Weltspitze kämpfen. „Ich habe das Gefühl, dass ich meinen Leistungshorizont noch nicht erreicht habe“, sagt die 31-Jährige vom LC asics Rehlingen.

Der Plan war ein ganz anderer. Während die deutsche Mannschaft am 8. August bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Peking ins Vogelnest einlief, wollte sich Bianca Kappler in Shibetsu auf der japanischen Nordinsel Hokkaido im abschließenden Trainingslager der Leichtathleten eigentlich auf ihre zweiten Sommerspiele vorbereiten. Doch ein Achillessehnenriss, den sich die Olympia-Achte von Athen bei den Deutschen Meisterschaften im Juli in Nürnberg zugezogen hatte, ließ diesen Traum platzen.
Eröffnungsfeier nicht angeschaut
„Die Eröffnungsfeier habe ich mir gar nicht erst angeschaut. Alles was emotional geladen war an diesen Spielen, konnte ich mir nicht antun“, sagt die Rehlingerin zwei Monate später, und man kann wage erahnen, wie schwer die Zeit im August für sie war. Zweimal hatte Bianca Kappler in diesem Jahr die Olympianorm von 6,72 Metern erfüllt. In Peking holte Blessing Okhagbare (Nigeria) mit 6,91 Metern die Bronzemedaille – Bianca Kapplers Bestweite aus dem Jahr 2007 liegt bei 6,90 Metern. „Ich denke, dass eine Überraschung möglich gewesen wäre“, sagt die gebürtige Hamburgerin nur.
Nach einem starken Saisonstart und „mit einem guten Gefühl“ reiste die Weitspringerin zu den Deutschen Meisterschaften, um ihren Titel zu verteidigen. Nur eine Schleimbeutelentzündung an der rechten Ferse hemmte sie leicht – eine Spritze mit einem Lokalanästhetikum sollte helfen. Bei einer Steigerung knackte es plötzlich, die Achillessehne riss. „Der Schock war extrem“, erinnert sich Bianca Kappler, die auf die Frage nach den Gründen der Verletzung antwortet: „Ich kann nur sagen, dass die Sehne zuvor komplett gesund war und keine degenerativen Veränderungen aufwies.“
Die Suche nach neuem Vertrauen
Bereits 24 Stunden später lag Deutschlands einzige Weltklasse-Weitspringerin in Bremerhaven bei Prof. Dr. Hanns Seiler auf dem Operationstisch. Der Eingriff und der Heilungsprozess verliefen gut. „Dreizehn Wochen ist das nun her, und die Sehen hat seither noch keine Probleme gemacht“, sagt Bianca Kappler zufrieden.
Nachdem sie ihren Fuß zunächst eineinhalb Monate ruhigstellen musste, steckt die Weitspringerin momentan wieder im Aufbautraining. Am Olympiastützpunkt in Saarbrücken arbeitet sie an vier Tagen in der Woche mit dem Athletikcoach Oliver Mühlbredt daran, die verloren gegangene Fitness zurückzugewinnen. „Normale Kniebeugen schaffe ich schon, jetzt ist bald die Wadenmuskulatur dran“, sagt Bianca Kappler und fügt stolz hinzu: „Vielleicht kann ich in dieser Woche mit dem Joggen beginnen.“
Doch während es um die Physis gut steht, macht sich Bianca Kappler Sorgen um die Psyche. „Ich tu mich noch etwas schwer, Vertrauen in meinen Fuß aufzubauen“, sagt sie. Zwar passierte die Verletzung am rechten Fuß, also nicht am Absprungbein, trotzdem sind die Belastungsspitzen auf die Sehne auch beim Weitsprunganlauf enorm groß. In der Sportanatomie wurden beim Sprinten Achillessehnenzugbelastrungen von bis zu 900 Kilogramm errechnet. „Vom Kopf her muss ich mich auf diese Belastungen noch einlassen“, sagt Bianca Kappler. „Das wird eine Weile dauern.“
Martin Buß und Kajsa Bergqvist als Vorbilder
Kurz nach der Verletzung in Nürnberg lag die Lebensplanung der WM-Fünften von 2007 in Scherben. „Dann schlug die Traurigkeit in Wut und die Wut in Ehrgeiz um“, sagt Bianca Kappler. Nun will sie sich zurück in die Weltspitze kämpfen, zusammen mit ihrem Trainer Ulrich Knapp. „Aufgeben ist einfach nicht meine Art“, sagt sie und fügt hinzu, dass es auch schon vor ihr Leichtathleten wie die Hochspringer Martin Buß oder Kajsa Bergqvist (Schweden) geschafft hätten, nach einem Achillessehnenriss Topleistungen zu bringen.
Bianca Kappler hat den Vorteil, eine Spätzünderin zu sein. Noch als 20-Jährige ging die damalige Mehrkämpferin nur in ihrer Freizeit auf die Tartanbahn. Die EM 2002 in München war ihre erste große internationale Meisterschaft. Zudem legte sie im Jahr 2006 eine Babypause ein. „Ich habe ein junges Trainingsalter, bin absolut beschwerdefrei und habe das Gefühl, dass ich meinen Leistungshorizont noch nicht erreicht habe. Ich habe also noch etwas zu erledigen“, sagt Bianca Kappler und hofft auf ihren ersten Sieben-Meter-Sprung.
Nah an die Traummarke geflogen
Im Juni war sie schon ganz nah dran. In Bad Langensalza landete Bianca Kappler bei 6,97 Metern, dabei blies allerdings der Wind zu stark. Ein weiterer Versuch ging wohl über die erhoffte Traummarke – doch dieser Sprung war wegen eines Übertritts von knapp fünf Millimetern ungültig. „Das war der Wahnsinn, es hat sich irre angefühlt“, sagt die Leichtathletin. „So etwas möchte ich nochmals erleben.“
Bei der Weltmeisterschaft 2009 in Berlin könnte es soweit sein. Vor heimischem Publikum zu springen, sei sowieso das Schönste, meint Bianca Kappler. Im Januar, sagen ihre Ärzte, könne sie wieder Spikes anziehen. Auf die Hallensaison möchte die Weitspringerin aber lieber verzichten – die Angst vor einem Rückschlag ist zu groß. „Ich will den Weg des geringsten Risikos gehen“, sagt Bianca Kappler. Ihre Erfahrung könnte ihr bei der Rückkehr in die Sprunggrube helfen. Ein junges Trainingsalter bei gleichzeitiger Altersweisheit? Das ist eine gute Mischung.