Big In Japan - Der WM-Blog
Die Weltmeisterschaft in Osaka (25. August bis 2. September) ist eine Herausforderung in vielerlei Hinsicht. Im WM-Blog "Big In Japan" bekommen Sie auf leichtathletik.de einen exklusiven Einblick in den WM-Alltag in Japan und ganz persönliche Eindrücke.

Diese Stadt spricht Japanisch
Speaking my languageIch fahre hier in Osaka viel mit der Metro, immer die rote Linie rauf und runter. Zum Stadion und zurück, manchmal auch zwei Stationen weiter, um in das Athletenhotel zu kommen.
Beschallt wird man in der U-Bahn auf Japanisch und öfters sogar auf Englisch, auch wenn die Japaner praktisch kein Englisch sprechen. Aber zumindest erweckt man hier so den Anschein, weltoffen zu sein, davon merkt man ansonsten recht wenig. Zwischen der sich ständig wiederholenden Informationszuführung mit dem unverständlichen, langen japanischen Teil und dem kurzen, verständlichen englischen Teil gibt es ein paar schräge Töne und Ding-Dongs. Permanent dröhnt etwas aus den Lautsprechern, was einen, wenn man es nicht gewohnt ist, auf Dauer schon auch ein wenig nerven kann.
Gestern hatte ich deshalb plötzlich genug davon. Mein Ohr brauchte Abwechslung, es war wieder Zeit für einen etwas anderen Sound. Also, den iPod rausgeholt und Musik angemacht. Kann aber sein, dass ich mit solch spontanen, westeuropäischen Einfällen ganz grob gegen eine Verhaltensregel oder einen Höflichkeitskodex verstoße, denn so etwas wie einen iPod, einen Disc- oder Walkman gibt es hier nicht. Zumindest habe ich noch niemanden damit gesehen. Verhaftet wurde ich jedenfalls nicht und von den Zugführern mit ihren weißen Handschuhen kam auch keiner, um mich wegen Ruhestörung abzumahnen.
Mir tat die Ablenkung ganz gut, schließlich kehrt jetzt am dritten Wettkampftag schon die Routine ein. Man kennt die Wege und navigiert gedankenverloren durch eine Stadt, die immer noch voller wundersamer und nicht zu erschließender Geheimnisse zu sein scheint.
American Rock 'n' Roll
Wenn dann just echter moderner American Rock 'n' Roll a la "Juliette & the Licks" aus den Kopfhörern klingt, und die Hollywood-Schauspielerin "You are speaking my language" aus meinem iPod schmettert, wird man aber unweigerlich wieder in die reale japanische Welt zurückgeholt.
In mich hinein schmunzeln musste ich dann doch in dem Moment, denn von "You are speaking my language" kann hier keine Rede sein. Japanese rules! Es ist schon aberwitzig, wenn man sich selbst an der Kasse eines Supermarktes nur ein paar simpler Worte Englisch bedient wie "Hello", "Thank you", "Bye" und beharrlicherweise ein japanischer Wortschwall entgegen gesandt wird und man keine Chance hat, sich auch nur ansatzweise damit auseinanderzusetzen, was der Gegenüber von einem will.
Zwar meine ich, hin und wieder den Versuch eines englischen Wortes herauszuhören. So ganz sicher bin ich mir da aber noch nicht. Die Verständigung ist jedenfalls weiter ungemein schwierig, wenn nicht sogar unmöglich.
Mein lieber Automat
Eine wirkliche Verständigung scheint auch gar nicht nötig zu sein, denn vieles ist selbsterklärend. Für die Japaner sowieso und für mich, na ja, resignierender Weise mittlerweile auch.
Wenn man nicht mit Menschen reden kann, dann redet man mit sich selbst oder hier in Japan vielleicht mit einem der Automaten, die es überall gibt. Wenn man Pech hat, fängt der aber auch noch an, Japanisch mit einem zu reden..
Fast selbsterklärend und eher stumm ist jedenfalls mein neuer Kumpel. Nachdem ich mit dem Getränkeautomaten im Hotel jetzt schon "per Du" bin und ich ihn einen guten und angesichts der mindestens fünf Liter (wahrscheinlich mehr!), die ich jeden Tag trinke, überlebenswichtigen Freund nennen kann, habe ich gestern mit meinem ersten japanischen Geldautomaten Bekanntschaft gemacht. Der erste Anlauf hat nicht geklappt, wie so oft in Osaka, aber dann ging's los. Gleich 30.000 Yen hat er auf einen Schlag ausgespuckt. Was für ein Ding! Bingo, das große Los! Ich war glücklich.
Damit bin ich jedenfalls jetzt wieder flüssig und ich brauche in keinem Supermarkt zu fragen, was dies oder jenes denn kostet und erst recht nicht erklären, dass ich nicht mehr genug Geld habe, um mir eine Flasche Cola und dieses geheimnisvolle Sparkling Italian Lemon, das immer noch ungeöffnet in meinem Kühlschrank steht, leisten zu können. Verstehen würde mich eh keiner.
Danke, lieber japanischer Geldautomat. Vielleicht sprechen mir mal wieder. Denn: You ARE speaking my language!
Christian Fuchs ist Projektleiter von leichtathletik.de und berichtet für das Internetportal von der Weltmeisterschaft in Osaka.
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