Björn Otto – "Wir sind voll im Soll!"
2005 war bisher ein überaus erfolgreiches Jahr für Björn Otto. Zweimal überquerte der Stabhochspringer vom LAV Bayer Uerdingen/Dormagen die vom Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) geforderte Norm für die Hallen-Europameisterschaften in Madrid (4. bis 6. März) von 5,70 Metern. Somit gilt er nach seinen bisher gezeigten Leistungen als einer der Favoriten auf den Titel bei den am Wochenende in Sindelfingen stattfindenden Deutschen Hallen-Meisterschaften. Wie der 27-jährige Biologiestudent dazu steht, erfahren Sie im Interview.
Björn Otto sieht sich auf einem guten Weg (Foto: Chai)
Björn, die ersten Hallenwettkämpfe sind überstanden. Wie sieht Ihre erste Bilanz aus?Björn Otto:
Das waren jetzt mit Dessau, Cottbus, Stuttgart, Erfurt und Leipzig fünf Wettkämpfe. Ich bin dabei zweimal EM-Norm gesprungen. Einmal lief es nicht so gut. In Stuttgart hatte ich muskuläre Probleme. Ansonsten sind wir im Moment auf einem sehr guten Weg. Ich kann mich nach dem Trainerwechsel nicht beklagen. Wir sind voll im Soll.
Neuer Trainer, mit Tim Lobinger einen neuen Trainingspartner, es scheint gut zu funktionieren. Wie kam es zu diesem Wechsel?
Björn Otto:
Nachdem ich mich nicht für die Olympischen Spiele in Athen qualifizieren konnte, kam es zur Trennung von meinem damaligen Trainer. Ich hatte damit nicht gerechnet und so war es erstmal ein Schock für mich. Somit blieb mir nichts anderes übrig, als mich nach einem neuen Trainer umzusehen. Im Endeffekt blieben dann nicht mehr so viele Trainer zur Auswahl übrig. Mit Michael Kühnke habe ich jedoch einen sehr guten Fang gemacht. Wir funken auf einer Wellenlänge. Tim Lobinger ist mit Sicherheit keine einfache Person. Ich komme jedoch sehr gut mit ihm zurecht. Wir haben einiges am Training und an der Technik verändert, was auch schon Früchte trägt. Aus kurzen Anläufen klappt das schon sehr gut, aus langen bisher nur teilweise. In Leipzig war es sehr erfolgreich (Anm. Sieg mit 5,70 m). Wir sind dort auf einem sehr guten Weg und es ist klar, dass Dinge, die sich über fünf Jahre eingeschliffen haben, nicht über Nacht verändert werden können. Ich bin jedenfalls in der Lage, noch höher als 5,70 Meter zu springen.
Was ist der Unterschied zwischen Jörn Elberding und Michael Kühnke?
Björn Otto:
Jörn war eher das Mädchen für alles. Er hat uns sehr viel abgenommen und geregelt. Bei Michael bin ich mehr gefordert, muss mehr mitdenken und selber Lösungen finden. Das ist aber auch gut so. In meinem Alter und meiner Situation ist das sinnvoll und positiv zu bewerten. Das Training wird stärker hinterfragt oder selber geplant und nicht mehr nur dem Trainer überlassen.
Sie hatten ja auch Angebote von anderen Vereinen. Wieso sind Sie in Dormagen geblieben?
Björn Otto:
Dormagen ist ein superschöner kleiner Verein. Ich bin hier am 11. November 1981 angemeldet worden und habe seitdem den Verein nicht gewechselt. Der TSV Bayer Dormagen ist ein sehr familiärer Verein, in dem ich mich immer wohl gefühlt habe. Natürlich gibt es Vereine, bei denen ich mehr verdienen könnte. Im Endeffekt haben mich die positiven Aspekte, die mich mit Dormagen verbinden, dazu bewogen zu bleiben und ich habe es auch nicht bereut.
Wie sehen Ihre sportlichen Ziele für 2005 aus?
Björn Otto:
In der Hallensaison ist es natürlich die Teilnahme an der Europameisterschaft in Madrid. Im Freien gibt es dieses Jahr eine Weltmeisterschaft in Helsinki. Auch dafür würde ich mich gerne qualifizieren. Ein weiteres Ziel ist die Studenten-WM, die genau eine Woche nach Helsinki im türkischen Izmir stattfindet. Das wäre dann die vierte Universiade, die ich mitmache und es wäre ein netter Ausklang meiner Saison und meines Studentenlebens. Bis einschließlich dem 27. Lebensjahr darf man dort starten und ich hätte dann alle vier möglichen Universiaden in meiner Studentenlaufbahn mitgemacht. Ein sehr schöner Wettkampf.
Sie sagten, Ihr Studentenleben neigt sich dem Ende entgegen. Wie sieht die Zukunft aus?
Björn Otto:
Ich stehe kurz vor meiner Diplomarbeit. Habe jedoch noch Probleme mit der Anmeldung. Die Universität in Köln stellt sich dort noch quer und akzeptiert nicht, dass ich Leistungssport betreibe. Sie denken, ich müsste die Diplomarbeit, wie jeder Biologe, in neun Monaten schreiben. Das ist mit zehn Trainingseinheiten pro Woche und den Wettkämpfen nicht machbar. Ich würde gerne Uni und Sport kombinieren. Im Moment ist jedoch der Vorschlag der Universität für mich nicht durchführbar. Eins der beiden Felder würde dann darunter leiden und das möchte ich nicht. Ich versuche gerade, eine Lösung zusammen mit dem DLV zu finden und eine Ausnahmegenehmigung zu bekommen. Im Moment sieht es aber eher schlecht aus.
Man hört von diesen Problemen auch von anderen Sportlern. Selbst Leistungssportler, die Studenten an der Sporthochschule Köln sind, klagen über fehlende Akzeptanz. Sehen Sie dort einen Fehler im System des Sports in Deutschland? Hat der Sport einen zu geringen Stellenwert in der Ausbildung oder an den Universitäten?
Björn Otto:
Auf jeden Fall. Es wird einfach nicht akzeptiert, dass junge Menschen Leistungssport treiben. Alle Verantwortlichen an den Unis, die man auf dieses Problem anspricht, argumentieren damit, dass es das Problem des Sportlers sei, Studium und Sport zu vereinbaren. Es ist aus einem Hobby entstanden und jetzt sehe zu, wie du damit zurecht kommst. Diese Situation ist in der heutigen Gesellschaft nicht mehr haltbar. Im Moment versucht die Universität zu Köln, einen Sportbeauftragten zu installieren. Das steckt aber noch alles in den Kinderschuhen, wobei ich hoffe, davon noch profitieren zu können. Jeder Mensch möchte erfolgreiche Sportler sehen. Wir können den Sport jedoch nicht bis zum 70. Lebensjahr auf diesem Niveau betreiben. Somit benötigen wir eine Absicherung. Entweder geht es über die Bundeswehr, wie bei Michael Stolle, der in der Sportfördergruppe ist, oder man studiert oder macht eine Ausbildung. Diese Kombination wird jedoch nicht unterstützt. Das ist auf jeden Fall ein großes Manko.
Sie sprachen davon, dass es aus einem Hobby entstanden ist. Zehn Trainingseinheiten plus die Wettkämpfe kann man jetzt nicht mehr als Hobby bezeichnen, oder?
Björn Otto:
Es ist im Prinzip ein Fulltimejob. Ich kann auch die Universität verstehen, die dann sagt dann, gehe doch diesem Job nach. Das geht für mich vielleicht bis zum 30. oder 35. Lebensjahr und dann stehe ich auf der Straße. Von daher denke ich, dass man in diesem Bereich Platz für Ausnahmegenehmigungen schaffen muss. Ich will ja gar nicht weniger als meine Kollegen im Studium machen, ich brauche nur ein größeres Zeitfenster. Damit wäre mir schon sehr geholfen.
Zurück zum rein Sportlichen. Am Wochenende stehen in Sindelfingen die Deutschen Hallen-Meisterschaften an. Wen zählen Sie im Kampf um die Hallen-EM-Tickets und den Meistertitel zu den Hauptkonkurrenten?
Björn Otto:
Ich schätze Danny Ecker und Richard Spiegelburg am stärksten ein. Danny ist in Leipzig die Hallen-EM-Quali gesprungen. Richard ist bei Meisterschaften alles zuzutrauen. Auch wenn Lars Börgeling schon die Norm gesprungen ist, ist bei ihm die Tagesform entscheidend. Mein Trainingspartner Tim Lobinger ist ein Wettkampftyp und hat genug Erfahrung, Michael Stolle ist verletzt und Fabian Schulze konnte bisher noch nicht überzeugen. Für mich ist alles drin. Ich werde erstmal versuchen, unter die ersten Drei zu springen. Dann hätte ich die Qualifikation für die Hallen-EM in Madrid schon sicher. Sollten wir dann nur noch zu dritt im Wettkampf sein, heißt es alles oder nichts. Dann geht es nur noch um den Titel.