Blauhemden mit Goldchancen auf der Hallenrunde
Vor elf Jahren sprintete Sebastian Ernst in Leipzig schon zu 200-Meter-Silber - in 21,52 Sekunden. Mittlerweile ist der Wattenscheider 14 Kilo schwerer und über eine Sekunde schneller. 2011 rannte er in Leipzig Deutschen Rekord, am Sonntag (23. Februar) will er wieder Hallen-DM-Gold. Sein Trainer trägt zwar den gleichen Nachnamen wie Sebastian Ernst, ist aber nicht verwandt mit dem Sprinter. Dafür hat André Ernst mit Maike Dix eine zweite Athletin am Start, die 200-Meter-Gold holen kann.
Arena Leipzig 2003. Ein schlaksiger 18-Jähriger sprintet bei den Männern über 200 Meter zu DM-Silber. Das blaue Schalke-Dress schlabbert an den dünnen Beinchen. „Damals habe ich 66 Kilo auf die Waage gebracht“, erinnert sich Sebastian Ernst an die Hallen-DM-Premiere in Leipzig. „Mittlerweile kratze ich an den 80 Kilo“, fügt er hinzu.Am Sonntag, exakt elf Jahre nach seinem Hallen-DM-Debüt an selber Stelle, wird er im blau-weißen Trikot, das mittlerweile zum TV Wattenscheid 01 gehört, die Hallenrunde in Angriff nehmen. Diesmal als einer der arrivierten deutschen Sprinter. Auch soll es deutlich schneller werden als 2003. Damals reichten Ernst 21,51 Sekunden zu Silber hinter dem Stuttgarter Tobias Unger. „Da lag das Ziel aber noch in der Mitte der Zielgeraden. Das hatte großen Einfluss auf die Zeiten, weil man die ersten Meter ordentlich bergauf laufen musste“, erklärt Sebastian Ernst.
Zurück im Pott
Ende 2012 hatte das „Ruhrpott-Kind“, wie er selbst sagt, den TV Wattenscheid 01 verlassen und sich dem TSV Bayer Leverkusen angeschlossen. Doch im Rheinland kam er nicht zurecht, nach einem zwölfmonatigen Gastspiel ist der Olympia-Halbfinalist wieder ein „Blauhemd“ und der deutsche 200-Meter-Spezialist schlechthin: 10,34 Sekunden über 100 Meter stehen 20,36 Sekunden als Bestzeit über 200 Meter gegenüber.
Seine Hallenbestzeit von 20,42 Sekunden ist sogar noch ein Stück stärker einzuschätzen als die Freiluftleistung. Doch die Hallenrunde spielt bei den internationalen Winter-Höhepunkten längst keine Rolle mehr. „Natürlich würde ich gern die 200 Meter wieder international laufen, zumal bei sechs Rundbahnen die Unterschiede nicht so gravierend sind“, findet der Wattenscheider. Er ist aber Realist genug, um zu wissen, dass er das in seiner Karriere wohl nicht mehr erleben wird.
Schnelle Bahn
Auch in Leipzig stehen sechs Bahnen zur Verfügung – die schnelle Mondo-Anlage ist ein Unikat in der deutschen Leichtathletik. Mit 20,73 Sekunden ist Sebastian Ernst Goldkandidat Nummer eins, zumal er vor drei Jahren eben in der Arena Leipzig den Deutschen Hallenrekord aufgestellt hat.
Dass er eine Chance hat, die 20,42 Sekunden am Sonntag weiter zu steigern, glaubt er nicht. „Eine Zeit um 20,60 Sekunden wäre schon sehr gut“, meint Ernst, der im Rennen um Gold seinen ehemaligen Leverkusener Trainingspartner Aleixo-Platini Menga auf der Rechnung hat. Auch „Altmeister“ Alexander Kosenkow (TV Wattenscheid 01) hat er längst nicht abgeschrieben. Schließlich kennt er ihn aus dem tagtäglichen Training genau.
Maike Dix mit guter Ausgangsposition
2006 im Freien und 2011 in der Halle war Ernst schon Deutscher Meister. Dieser Titel fehlt seiner Vereinskameradin Maike Dix noch. Doch mit 23,26 Sekunden beim DM-Test vor drei Wochen in Leipzig hat sich die 27-Jährige in die beste Ausgangsposition für die 200 Meter gebracht.
Zumal eine mögliche Konkurrentin nicht starten wird. Die Deutsche Jugendmeisterin Gina Lückenkemper fehlt nach ihrem starken Auftritt von 23,74 Sekunden. „Mit Rebekka Haase, Christian Haack und anderen gibt’s aber trotzdem noch einige andere Sprinterinnen, die in diesen Bereich vorstoßen können“, ist sich Maike Dix sicher.
Fernziel: Zürich
Wie Sebastian Ernst wird die 27 Jahre alte Psychologie-Studentin von André Ernst betreut. Der Trainer hat für die 200-Meter-Spezialistin ein spezielles Krafttraining zusammengestellt. Denn Dix muss ohne die bei Sprintern im Krafttraining so beliebten Kniebeugen auskommen. Eine Bandscheibenvorwölbung lässt das nicht zu.
Trotz dieses kleinen Nachteils hofft Maike Dix auf ihre nächste internationale Bewährungsprobe: „Die EM-Norm von Zürich liegt bei 23,10 Sekunden. Die muss nach meiner Hallenleistung das Ziel für den Sommer sein.“ Ihren letzten internationalen Einzeleinsatz hatte die 27-Jährige 2007 bei der U23-EM. Sie ist der Beweis, dass sich Fleiß und Ausdauer im Sport bezahlt. Vielleicht schon am Sonntag mit ihrem ersten DM-Titel im Einzel und dann im Sommer mit ihrer ersten 22er-Zeit.
Quelle: Leichtathletik - Ihre Fachzeitschrift