Boris Henry - „Zwei unter den besten Acht“
Ex-Speerwerfer Boris Henry ist seit Oktober 2008 DLV-Disziplintrainer für den A- und B-Kader der männlichen Speerwerfer. Im Rahmen der 35. Halleschen Werfertage sprach Peter Grau mit dem zweimaligen WM-Dritten über seine ersten Erfahrungen in der neuen Position, über seine Pläne für die nächste Zeit und über die Ziele bei den Weltmeisterschaften in Berlin (15. bis 23. August).
Boris Henry, wie sind die ersten Erfahrungen in Ihrer neuen Position als DLV-Disziplintrainer? Boris Henry: Es war alles neu für mich, auch wenn ich ja manches schon aus meiner Athletenlaufbahn kannte. Aber es ist doch viel bürokratische Arbeit dabei, man verbringt schon einige Zeit am Bürotisch. Es ist jedoch eine interessante Aufgabe, alles zu organisieren, die Gruppe zu leiten. Ich versuche, aus dem Kader das Optimum herauszuholen. Es ist schon eine Herausforderung, macht aber sehr viel Spaß.Sie sind außerdem auch noch Heimtrainer in Saarbrücken. Wie viele Athleten gehören dort zu ihrer Trainingsgruppe?Boris Henry:Als Heimtrainer habe ich noch fünf Athleten, unter ihnen Matthias de Zordo und Alexander Vieweg. Das Training für diese Athleten findet in Saarbrücken an der Sportschule statt. Ich versuche, sehr oft dabei zu sein. Aber ich leite auch viel von daheim. Außerdem führe ich Lehrgänge in Kienbaum und auch in Saarbrücken durch. Es ist aber nicht so, dass ich die ganze Zeit über in Deutschland unterwegs bin und bei den anderen Athleten beim Training zuschaue. Einmal würde das den Kostenrahmen sprengen, und dann würden darunter auch meine Athleten aus Saarbrücken leiden. Ich mache deshalb viel über das Telefon, über Skype, kommuniziere über Telefonkonferenzen mit den Athleten. Man muss ein gesundes Mittelmaß finden.Sie sagen, dass die letzten Monate recht stressig waren…Boris Henry:
Am Anfang habe ich schon gezweifelt, ob ich wohl der Richtige für diesen Job bin, weil es doch sehr viel war. So viele Sachen sind auf mich eingeprasselt. Aber jetzt, nach einer gewissen Zeit, mit einem gewissen Abstand, klappt es gut. Ich hatte noch viele andere Sachen nebenbei laufen, die ich jetzt beenden konnte.Was hatten Sie nebenbei noch zu tun?Boris Henry:
Noch bevor ich DLV-Trainer wurde, hatte ich an der Privaten Berufsakademie in Saarbrücken einen Bachelorstudiengang belegt. Zuletzt habe ich parallel zum Trainerjob meine Diplomarbeit geschrieben und das war ein immenser Aufwand. Nun aber ist die Arbeit fertig, ich habe bestanden und darf mich Diplom-Fitnessökonom nennen. Jetzt kann ich mich voll auf den Trainerjob konzentrieren.Gab es schon zentrale Trainingslager der Speerwerfer?Boris Henry:
Wir haben zweimal Lehrgänge in Kienbaum durchgeführt, wo ich alle Athleten zusammengezogen habe. Zweimal waren wir auch zur Leistungsdiagnostik im Biomechanischen Institut in Leipzig. Die Beziehungen zu diesem Institut will ich in den nächsten Jahren noch mehr vertiefen. Das Geld ist sinnvoll eingesetzt, wenn man sich etwa alle sechs Wochen in Leipzig trifft und dort die Technik der einzelnen Athleten überprüft und feststellt, ob sich etwas verbessert hat. Es ist sinnvoller, als wenn ich die Athleten in Kienbaum oder Saarbrücken zusammenziehe und beobachte, wer gut sprinten, springen oder Gewichte bewegen kann. Ich weiß, dass sie das alle können. Vorrangig ist aber das Problem der Technik zu lösen, denn da haben wir die größten Defizite gegenüber der internationalen Konkurrenz.
Wie weit haben Sie nun einen Überblick über die Leistungsfähigkeit des Speerwurfkaders?
Boris Henry:
Wir waren auch zweimal in Portugal im Trainingslager und dort war der größte Teil der Athleten dabei. Dort habe ich einen guten Eindruck bekommen. Das Potential ist definitiv da. Jetzt müssen wir es nur freilegen. Viele wissen es vielleicht noch nicht, wie weit sie werfen können. Da muss man den richtigen Weg finden, und das ist im Moment meine Aufgabe.Wie sieht es derzeit im Lager der deutschen Speerwerfer aus?Boris Henry:
In Halle war für viele Athleten der erste Qualifikationswettkampf in Deutschland. Leider sind zwei Athleten verletzt. Mark Frank, der nach eineinhalb Jahren Abstinenz vom Wettkampfsport beim Abendsportfest in Rostock mit 81,04 Metern gut eingestiegen war, musste wegen Adduktoren-Problemen seinen Start in Halle absagen, und auch Stefan Steding war wegen Rückenproblemen nicht dabei.
Die WM-Norm von 81,00 Metern wird für die Athleten wohl in den nächsten Wochen keine allzu große Hürde sein...Boris Henry: Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich schon eine höhere Norm angesetzt. Aber so ist die Möglichkeit gegeben, dass mehr Athleten die Norm schaffen und wir mit einer großen Mannschaft in Berlin antreten können. Mir wäre es am liebsten, wenn ich schon vor den Deutschen Meisterschaften in Ulm drei klare Kandidaten hätte, so dass ich ihnen sagen könnte: Bereitet Euch schon in Ruhe auf die WM vor. Es sei denn, es würde noch etwas Unvorhergesehenes passieren. Wenn ich merke, dass zwei oder drei eindeutig vorne weg marschieren, und ich sicher bin, dass sie auch bei den Deutschen Meisterschaften ihr Ding machen, dann sage ich es ihnen.Worin sehen Sie vor allem den Vorteil, wenn ein Athlet früh Gewissheit hat?Boris Henry:
Die direkte Vorbereitungsphase auf die WM ist umso länger, je eher Klarheit herrscht. Selbst wenn die Entscheidung dann erst in Ulm fällt, haben aber die Athleten vom 6. Juli bis 21. August noch genügend Zeit zur Vorbereitung. Was ich gar nicht machen will, ist noch nach den Meisterschaften eine Ausscheidung anzusetzen, das heißt Platz eins und zwei sind fest und um den dritten Platz kämpfen noch vier Leute.Welche Ziele und Wunschvorstellung haben Sie dann für den Auftritt im Berliner Olympiastadion?Boris Henry:
Mein Ziel ist, dass drei Athleten durch die Qualifikation kommen, das heißt unter die besten Zwölf. Und dann wäre es mein Wunsch, dass einer oder zwei unter die besten Acht kommen.Werden Sie mit Ihren Athleten vorher einmal im Olympiastadion trainieren?Boris Henry:
Ja, ich will Ende Juli mit meinen Athleten alles nochmals durchgehen, den Aufwärmplatz ansehen, die Wege ins Stadion ablaufen. Es werden Speere mitgebracht, und wir werden dort im Stadion eine Trainingseinheit durchführen. Es gibt ja einige Athleten, die im neuen Olympiastadion noch nicht geworfen haben. Auch beim ISTAF am 14. Juni werden schon mal zwei Athleten die Atmosphäre genießen können.