Bronzene Kugelstoßtränen beim antiken Ausflug
Es war ein tränenreicher Tag, dieser gestrige Mittwoch in Olympia für die Kugelstoßerinnen des DLV! Sowohl Nadine Kleinert als auch Astrid Kumbernuss schluchzten hemmungslos. Während erstere allerdings vor lauter Freude nicht mehr wusste, wohin mit ihren Gefühlen, weinte Astrid Kumbernuss aus Wut und Frust.
Nadine Kleinert rang in der Antike mit der Fassung (Foto: Birke)
Die Olympiasiegerin von 1996 war mit 17,89 Meter schon in der Qualifikation ausgeschieden. Da fing für Nadine Kleinert alles erst an. Obwohl sie so angespannt war, dass sie morgens schon fast ausgerastet wäre. Als der Bus von ihrem Übernachtungsdomizil in das wenige Meter entfernte antike Stadion von Olympia gefahren war, war das Tor zu. "Ich war so angespannt, dass ich schon dachte, dass ich zu spät zum Wettkampf komme", meinte die 1,90 Meter große Magdeburgerin kopfschüttelnd. Allerdings vergaß sie da wohl für einen Augenblick, dass die anderen Kugelstoßerinnen ja mit ihm Bus saßen und der Wettkampf ohne die Akteurinnen gar nicht beginnen konnte. Doch auch diese Szene spiegelte ihre Aufregung wider.
Emotionen unter'm Lorbeerkranz
Der ganze Tag ging wie in Trance an ihr vorüber. Ihr zweiter Stoß, die Weite von 19,55 Meter, das Zittern und Bangen bis zum Ende des Wettkampfes, der erleichterte Schrei, als feststand: sie hat die Medaille und die Zeremonie in dem alten Olympia als ihr der Lorbeerkranz aufgesetzt wurde inklusive der klassischen Musik, die das Ganze begleitete.
Am Ende brach die 28-Jährige schließlich vor den Mikrofonen quasi zusammen. Diesen 18. August 2004 wird die zweimalige Vize-Weltmeisterin nicht so schnell vergessen. Nicht nur deshalb, weil sie mit ihrem dritten Platz im ersten Wettbewerb gleich für die erste deutsche Leichtathletikmedaille sorgte, bevor die Wettkämpfe überhaupt richtig angefangen hatten.
Nadine Kleinert hat eine schwere Zeit hinter sich. Manchmal dachte sie: "Es geht nicht mehr". Auch privat lief nicht alles nach Wunsch. Anfang des Jahres wurde sie geschieden. "Wir hatten uns auseinandergelebt", begründete sie diesen Schritt in diversen Interviews.
Im Training noch verzweifelt
Noch vor acht Wochen lief nicht viel, hatte sie mit 18 Meter zu kämpfen. "Ich wollte alles hinschmeißen." Ihr Trainer, Klaus Schneider, hat großen Anteil daran, dass es wieder aufwärts ging. Seit sie 15 ist, arbeitet sie mit ihm zusammen. Er baute sie seelisch und moralisch wieder auf, machte ihr Mut. "Er hat immer gesagt, du kannst Bronze holen." Nun hat Nadine Kleinert gemerkt: "Nach 13 Jahren sollte ich meinem Trainer wohl doch endlich mal glauben". Vier Zentimeter fehlten ihr am Ende nur zur Silbermedaille. "Aber es hätten auch vier Leute vor mir sein können."
Hätte ihr dies einer vor acht Wochen vorausgesagt, sie hätte ihn wahrscheinlich ausgelacht. "Im Trainingslager habe ich mit 18 Metern gekämpft", sagt Nadine Kleinert, die ihre Haare in einem dunklen Rot-Ton gefärbt hat.
Die Atmosphäre in dem antiken Stadion in Olympia hatte schon etwas Besonderes. 15.000 Zuschauer saßen im Gras, die Anzeigetafel wurde von Hand bedient - und die Götter schauten zu.
Selbst die Prominenz hatte Gänsehaut. "Es laufen einem Schauer über den Rücken", sagte IOC-Mitglied Thomas Bach, der sich den Wettkampf vor Ort anschaute.
Liebesbekundung im Fernsehen
Bei Nadine Kleinert liefen vor allem die Tränen. Ihr fehlten die Worte, aber einen Satz brachte sie übers Fernseh-Mikrofon dann doch noch zustande: "Ich liebe dich, Hasi". Dann brach sie wieder in Tränen aus.
An eine Medaille bei Olympia hatte die Magdeburgerin auch noch nicht geglaubt, als sie 1988 mit 13 Jahren auf das Sportgymnasium in ihrer Heimatstadt kam. Schnell kristallisierte sich ihr Talent fürs Werfen heraus. 1991 konzentrierte sie sich aufs Kugelstoßen - nun hat sie den größten "Wurf" ihrer Karriere gelandet.
Damit ist sie wohl auch endgültig aus dem Schatten von Astrid Kumbernuss herausgetreten, die das Kugelstoßen in Deutschland nicht nur lange Zeit dominierte, sondern diese Disziplin auch hoffähig machte. Ihre potenzielle Nachfolgerin hat weitere Ziele. "Ich will Astrid Kumbernuss überreden, dass wir noch zwei Jahre gegen die Russinnen kämpfen." Dies kann man planen. Gefühlsausbrüche ala Olympia allerdings nicht.
Olympische Leichtathletik in Athen – Kompakt auf leichtathletik.de...