| Comeback mit EM-Norm

Carlo Paech - Niemals aufgeben

Das war eine dicke Überraschung – der Leverkusener Carlo Paech flog am Samstag beim Stabhochsprung-Meeting im Potsdamer über die Norm für die Hallen-EM von 5,65 Metern. 13 Monate hatte er keinen Wettkampf mehr gemacht und eine schwere Krise in seiner jungen Karriere durchlebt.
Jan-Henner Reitze

Vizeweltmeister der U18, Siebter der U20-EM und eine Bestleistung als U20-Athlet von 5,50 Metern. Der Weg in den Leistungssport als Stabhochspringer erschien für Carlo Paech vorgezeichnet. 2013 folgte ein logischer Schritt: Vom kleinen Brandenburger Verein SV electronic Hohen Neuendorf ging es in die Stabhochsprung-Hochburg Leverkusen.

Mit Jörn Elberding ein neuer Trainer, eine neue Heimat. Führt das auch zu neuen Höhen? Nein, Carlo Paech musste erfahren, dass die Tür zum vorgezeichneten Weg plötzlich zufallen kann, auch wenn man schon auf der Schwelle steht. "Es ging gar nichts mehr. Ich stand am Anlauf mit dem Stab in der Hand und hatte nicht mehr das Gefühl, dass es klappen kann. Ich kam mir so vor, als würde mir jemand sagen, ich soll vor eine Wand laufen. Da macht der Verstand nicht mit."

Aus mehr als acht Schritten konnte der 22-Jährige nicht mehr abspringen. Monatelang plagte er sich mit dieser Blockade herum. "So ging es bis August 2014. Das Training war frustrierend. Es war eine Krise."

Rückzug vom Stabhochsprung und Neuanfang

Carlo Paech musste einsehen, dass er keinen Schritt mehr voran gehen konnte und machte stattdessen einen zurück. Stabhochsprung wurde aus dem Alltag gestrichen, der Kaderstatus ging verloren. "Ich habe am 1. September eine Ausbildung bei der Polizei begonnen, saß jeden Tag in der FH. Sportlich habe ich mich noch fit gehalten, mit Fußball, Krafttraining und ein paar Sprints."

Nach gut zwei Monaten Abstand war es Hendrik Gruber (TSV Bayer 04 Leverkusen), der Carlo Paech spontan fragte, ob er nicht mal wieder mitspringen wolle. Paech griff wieder zum Stab, genauso eine Woche später. "Trainer Michael Kühnke hat dann zu mir gesagt: Wer zweimal dabei ist, gehört zur Trainingsgruppe", berichtet Carlo Paech, der damit seine Auszeit vom Stabhochsprung beendete und wieder aus kurzem Anlauf sprang, wieder mit einem neuen Trainer.

"Im Januar konnte ich dann nach hinten gehen und härtere Stäbe springen", erzählte der Teilnehmer der U23-EM. Warum die Blockade plötzlich weg war, weiß er nicht. Genauso wenig gibt es eine Erklärung dafür, wie sie entstand.

Comeback mit EM-Norm

Als sich kurzfristig herausstellte, dass im Winter Höhen im Fünf-Meter-Bereich liegen bleiben können, war für Trainer und Athlet klar: Der Comeback-Versuch im Wettkampf erfolgt in Potsdam. "Das ist mein Lieblingsspringen. Hier bin ich das erste Mal über fünf Meter gesprungen und danach noch zwei Bestleistungen", so der ehemalige Brandenburger, der ohne Erwartungen an eine große Höhe anreiste.

Was dann passierte war ein Märchen - die ja bekanntlich immer gut ausgehen. Die Automatismen funktionierten im Wettkampf, die Sprünge passten und eine Höhe nach der anderen blieb liegen, bis schließlich die EM-Norm von 5,65 Metern auflag, 12 Zentimeter mehr als die bisherige Bestleistung. Im zweiten Anlauf war auch diese Höhe kein Problem.

So richtig realisierte Carlo Paech nicht, was gerade passierte. Er jubelte kurz, war aber vor allem eins: Aufgewühlt. "Ich weiß nicht mal, was ich nach dem Sprung gefühlt habe." Als erster DLV-Stabhochspringer in diesem Winter hat er die EM-Norm erfüllt.

Niemals aufgeben

Sein Märchen von Potsdam muss Carlo Paech erst einmal verarbeiten. Bei der Achterbahnfahrt der Gefühle von "Himmelhochjauchzend bis zu Tode betrübt" das Gleichgewicht zu behalten, ist eine Herausforderung - zumal der 22-Jährige in kurzer Zeit beide Richtungen durchlebt hat. Und das Happy-End war das Comeback von Potsdam nur fürs erste.

Eigentlich wollte er im Winter nur noch in Bad Oeynhausen (26. bis 28. Februar) antreten. Jetzt sind Hallen-DM in Karlsruhe (21./22. Februar) und auch die Hallen-EM in Prag (Tschechische Republik; 5. bis 8. März) plötzlich ein Thema. Von Null auf Hundert durchgestartet: Carlo Paech ist sich noch nicht sicher, was er davon halten soll.
 
Ganz egal, was die sich unverhofft anbietenden Wettkämpfe bringen werden, die wichtigste Erkenntnis nach seiner schweren Zeit hat Carlo Paech in diesem Winter schon gewonnen. "Man muss manchmal Geduld haben, damit am Ende schöne Dinge rauskommen. Und vor allem: Man darf niemals aufgeben. Das steht schon ein paar Jahre tätowiert auf meinem Bauch. Ich hätte nie gedacht, dass ich es mal so brauchen werde."

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