| Interview der Woche

Carlo Thränhardt: "Kann mir Eberstadt auf dem Münchner Marienplatz vorstellen"

Weltrekordler, Lebemann, Legende. Carlo Thränhardt zählte zu den schillernden Figuren der Leichtathletik. Der lange Blonde sorgte mit seinen Höhenflügen für Schlagzeilen und war einer der populärsten Leichtathleten überhaupt. Der Hochspringer hält mit 2,42 Meter bis heute den Hallen-Europarekord und mit 2,37 Meter den 1984 in Rieti (Italien) gesprungenen deutschen Rekord. Die letzte Auflage des Hochprung-Meetings in Eberstadt ließ sich der 61-Jährige nicht entgehen. Im Interview blickt er auf die erste Auflage 1979 zurück und spricht über das Potenzial der aktuellen deutschen Höhenjäger.
Ewald Walker

Carlo Thränhardt, Sie haben 1979 den Eberstadt-Mythos zusammen mit Dietmar Mögenburg und Gerd Nagel und dem gemeinsamen deutschen Rekord von 2,30 Meter mit aus der Taufe gehoben. Wie haben Sie die 40. Auflage erlebt?

Carlo Thränhardt:

Es hat unheimlich Spass gemacht, den Wettbewerb mit den begeisterten Zuschauern und Dietmar Mögenburg, Gerd Nagel und Jaszek Wszola mitzuerleben. Das Meeting hat eine tolle Entwicklung genommen, und ist auch 39 Jahre später hoch attraktiv.

Am Ende hat nicht nur die Stimmung gepasst, sondern auch die sportliche Leistung...

Carlo Thränhardt:

Die 2,36 und 2,33 Meter sind absolute Weltkasseleistungen, wobei ich das Gefühl hatte, dass sich der Sieger Brandon Starc über sich selbst gewundert hatte.

Der Vergleich von Eberstadt in den 80er Jahren und heute drängt sich auf. Was hat sich geändert, was ist gleich geblieben?

Carlo Thränhardt:

Ja, es ist erstaunlich, aber es hat sich eigentlich nichts geändert: die Anlage, die volle Arena, begeisterte Zuschauer und auch die Leistungen – Eberstadt ist einfach Weltklasse. In 40 Jahren sich nicht zu verändern und damit Erfolg zu haben, ist schon beachtlich.

Auch bei den Techniken des Hochsprungs gibt es eigentlich nicht viel Neues, kann es dies überhaupt geben?

Carlo Thränhardt:

Es hat zwischendurch die Versuche gegeben, am Computer mit der Hay-Technik etwas Neues ins Spiel zu bringen: frontaler Anlauf, bäuchlings über die Latte. Doch was die Biomechaniker am Reißbrett erfunden haben, hat in der Praxis nie funktioniert. Also: alles beim Alten. Und ein beidbeiniger Absprung bei eventueller Regeländerung verspricht auch keine Weiterentwicklung.     

Wir haben mit Mateusz Przybylko einen sympathischen Europameister, der ankündigt, den deutschen Rekord von Ihnen angreifen zu wollen…

Carlo Thränhardt:

Ich war bei der EM in Berlin im Olympiastadion und habe seine tollen Sprünge mit der großartigen Siegeshöhe von 2,35 Meter live miterlebt, das war schon toll. Das Ziel, den deutschen Rekord springen zu wollen, halte ich für naheliegend. Nach 34 Jahren passt dieser Rekord eigentlich auch nicht mehr in die Zeit, der ist längst fällig. Da bewerte ich meine 2,42 Meter in der Halle natürlich noch viel höher ein.

Wie sehen Sie, den jungen Tobias Potye?

Carlo Thränhardt:

Der Junge hat mir sehr gut gefallen mit seiner persönlichen Bestleistung von 2,27 Meter. Tobias ist sicher ein Versprechen für die Zukunft.

Eberstadt ist Geschichte, obwohl die Szene danach schreit, das hier Aufgebaute müsste fortgeführt werden. Wie sehen Sie dies?

Carlo Thränhardt:

Natürlich wäre es toll, wenn man diese Tradition erhalten könnte – in Eberstadt oder auch an einem anderen Ort. Ich könnte mir durchaus vorstellen in einem Team mit Dietmar Mögenburg und Jaszek Wszola, dies auf dem Marienplatz in München zu machen, oder vielleicht sogar in Eberstadt…

Die Leichtathletik geht in die Stadt, Eberstadt hat diese Entwicklung 1979 mit eingeleitet… 

Carlo Thränhardt:

Ja, es ist die Nähe des Publikums zu den Athleten, was hier den Reiz ausmacht. In Ulm und Nürnberg ist mit großem Erfolg mit dem Kugelstoßen und dem Weitsprung in die Stadt gegangen worden und auch bei der EM war das Kugelstoßen am Breitscheidplatz erfolgreich. Hier sieht man direkt die Muskelanspannung am Athleten, die Mimik im Gesicht. Ich habe im Olympiastadion in Berlin den Weitsprung der Frauen mehr auf den Videotafeln verfolgt als im direkten Ablauf. Das ist doch der Unterschied.

Was macht der einstige „Lebemann“?

Carlo Thränhardt:

Der lebt mit seiner Frau, die Kieferorthopädin ist, mit einem gemeinsamen Sohn in München. Der Begriff 'Lebemann' ist für mich nicht negativ behaftet, er steht für eine positive Lebensart. Das Gegenteil wäre ja 'Sterbemann', das will ja auch keiner.

Welche Aktivitäten betreiben Sie heute?

Carlo Thränhardt:

Ich bin an einer Firma beteiligt, die ein Präparat (Arthrofill) zur Regeneration von Knorpeln in Gelenken vertreibt. Regelmäßig halte ich Vorträge zur Analogie zwischen Leistungssport und Leistungssport im Alltag, das heißt im Beruf. Seit drei Jahren bin ich beim Daviscup-Team des Deutschen Tennis Bundes als Athletik- und Mentalcoch im Einsatz.

Mehr:

<link news:65086>Brandon Starc spingt 2,36 Meter beim furiosen Eberstadt-Finale

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