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Carolin Hingst - 14 Jahre über 4,50 Meter

Als einzige Stabhochspringerin weltweit ist Carolin Hingst (TG 1847 Nieder-Ingelheim) in den vergangenen 14 Jahren immer mindestens 4,50 Meter gesprungen. Auch wenn es international so manche Enttäuschung gab, blickt die 34-Jährige stolz auf ihre Karriere zurück. Und bevor sie diese 2016 beenden wird, sollen noch weitere Erfolge dazukommen – am liebsten schon bei der WM in diesem Sommer.
Philip Häfner

Für die meisten Athleten ist die Wintersaison schon zu Ende, doch für Carolin Hingst hatte sie gar nicht erst begonnen. Einen einzigen Wettkampf hat sie in diesem Winter absolviert, und den ohne Stab und für einen guten Zweck. Beim Silvesterlauf in Bietigheim-Bissingen, einem der größten seiner Art in Deutschland, schnürte sie die Laufschuhe, um für ihr Charity-Projekt „Sporthilfe für Togo“ zu werben, das jungen afrikanischen Sportlern mit Geld und Equipment unter die Arme greift.

Zum Stab hatte die Sportlerin der TG 1847 Nieder-Ingelheim in der vergangenen Hallensaison nicht gegriffen. Carolin Hingst verzichtete wie schon in den Vorjahren auf Wettkämpfe unter dem Dach und konzentriert sich stattdessen ganz auf den Sommer. „In meinem Alter muss man mit den Kräften haushalten“, sagt die 34-Jährige: „Die Hallensaison dauert ohnehin nur sechs bis acht Wochen; wenn man da nicht zu 100 Prozent fit ist, bringt man auch keine Leistung.“

Nicht unzufrieden mit 2014

2014 ist sie mit dieser Einstellung gut gefahren. Mit einer Jahresbestleistung von 4,50 Metern, erzielt beim Stabhochsprungmeeting in Hof, und Platz zwei bei den Deutschen Meisterschaften qualifizierte sie sich für die EM in Zürich (Schweiz) – ihre zehnte internationale Meisterschaft im Freien. Dort wurde sie Zehnte. „Ich bin insgesamt nicht unzufrieden, wie 2014 verlaufen ist“, sagt Hingst. 4,50 Meter seien eine passable Höhe.

Sie ist sich wohl bewusst, dass sie im vergangenen Jahr auch von den Ausfällen der Konkurrenz profitiert hat. Silke Spiegelburg (TSV Bayer 04 Leverkusen), Kristina Gadschiew (LAZ Zweibrücken), Martina Strutz (Schweriner SC) – sie alle fielen wegen Verletzungen ganz oder teilweise aus. „So ist das eben im Sport“, sagt Carolin Hingst. 2011 habe sie Pech gehabt und trotz 4,65 Metern das WM-Ticket verpasst. Nun sei das Glück einmal auf ihrer Seite gewesen.

Natürliche Heilung der Sehne

Um ein Haar hätte Hingst im vergangenen Jahr ebenfalls nur zugeschaut. Nach der WM 2013 in Moskau (Russland) stand sie nach einem Achillessehnen-Anriss vor einer Operation und einem möglichen Karriereende. Sie entschied sich jedoch gegen eine OP, weil der Ausfall sie womöglich die Zugehörigkeit zur Sportfördergruppe der Bundeswehr gekostet hätte, auf deren Förderung sie angewiesen ist.

Stattdessen setzte sie auf natürliche Heilung und baute spezielle Übungen zur Entlastung und Stärkung der Sehne in ihr Training ein. „Im Moment bin ich sehr zufrieden, es tut kaum noch weh“, berichtet sie. Ganz verschwinden werden die Schmerzen aber wohl nie mehr. 15 Jahre Hochleistungssport haben einfach ihre Spuren hinterlassen.

Mit ihrem letztjährigen Sprung über 4,50 Meter in Hof setzte Carolin Hingst eine beeindruckende Serie fort. Als einzige Athletin weltweit ist sie in den vergangenen 14 Jahren immer mindestens 4,50 Meter gesprungen – selbst in Jahren, in denen sie von Verletzungen geplagt war. „Ich bin immer wieder aufgestanden. Das ist eine große Stärke von mir“, sagt die vierfache Deutsche Meisterin (je zweimal drinnen und draußen), deren Bestleistung seit 2010 bei 4,72 Metern steht – das bedeutet Platz vier in der ewigen deutschen Bestenliste.

Viel harte Arbeit

Trotzdem stempelten sie einige Leichtathletik-Fans öffentlich zur Versagerin, die bei Großereignissen regelmäßig in der Qualifikation scheitern würde. Das ging so weit, dass manch einer vorschlug, trotz erfüllter Qualifikationskriterien doch lieber eine andere Springerin zu nominieren.

„Es stimmt, ich habe so manches Mal meine Leistung nicht abrufen können“, sagt Hingst und nennt als Beispiele die Olympischen Spiele 2004 in Athen (Griechenland) und die WM 2007 in Osaka (Japan), wo sie in der Qualifikation jeweils nur 4,30 Meter beziehungsweise 4,35 Meter zustande brachte. „Trotzdem war meine Karriere ganz in Ordnung. Ich habe es mit wenig Talent und viel harter Arbeit bis in die Weltspitze geschafft. Das muss man erst einmal nachmachen.“

2016 ist Schluss

Spätestens nach den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro (Brasilien) wird Hingst ihre Karriere beenden. Vorher will sie in diesem Jahr aber noch einmal zur WM nach Peking (China). Auf dem Weg dorthin lässt sie sich selbst von den schwierigen Rahmenbedingungen in Mainz nicht beirren. Seit Anfang des Jahres ist der Standort kein Bundesstützpunkt mehr, und noch ist nicht abschließen geklärt, welche Trainingszeiten in der Leichtathletik- und der Turnhalle den Kaderathleten seitens der Universität Mainz zur Verfügung gestellt werden.

„Wir haben hier in Mainz seit Jahren keine perfekten Trainingsbedingungen für den Hochleistungssport“, klagt Hingst. Mehrfach hat sie deshalb in der Vergangenheit einen Wechsel nach Zweibrücken oder Saarbrücken in Erwägung gezogen, sich dann aber stets dagegen entschieden.

„Ich habe mir hier in Mainz ein Privatleben aufgebaut, das ich nicht aufgeben möchte“, erklärt sie. Seit einiger Zeit schon arbeitet Hingst nebenbei als Fitnesstrainerin, nach dem Ende ihrer Karriere will sie diesen Berufsweg weiterverfolgen und ausbauen. „Als langjährige Hochleistungssportlerin verfüge ich über einen Erfahrungsschatz, den man so in keiner Ausbildung lernt.“

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