Carolin Hingst – "Ich will mehr, mehr, mehr!"
Im Stabhochsprung der Frauen ruhen bei den Olympischen Spielen in Athen die deutschen Hoffnungen in diesem Jahr vor allem auf Carolin Hingst. Die 23-jährige Mainzerin hat sich im Sommer auf 4,66 Meter gesteigert und braucht sich im internationalen Vergleich damit nicht zu verstecken. Entsprechend locker und selbstbewusst plaudert die Deutsche Meisterin im Interview über ihre Saison, ihre Einstellung, Olympia und auch die scheinbar übermächtige Konkurrentin Yelena Isinbayeva.
Auf Carolin Hingst ruhen in Athen die Stabhochsprung-Hoffnungen (Foto: Chai)
Carolin Hingst, Sie sind in den letzten Wochen dreimal höher als 4,60 Meter gesprungen. Ist das die neue Beständigkeit?Carolin Hingst:
Ich bin 2002 und 2003 unter meinem Niveau gesprungen und in den letzten Jahren zur Trainingsweltmeisterin geworden, das habe ich dieses Jahr ändern müssen. Ich will zum Wettkämpfer werden! Ich will mental frisch sein und nicht schon müde an den Start gehen. Man muss geil auf den Wettkampf sein. Deshalb durfte dieser Schub jetzt schon kommen. Aber ich sage nicht, dass es das Ende vom Lied ist! Trotzdem kann man nicht behaupten, nur weil ich im Vorfeld gut gesprungen bin, läuft es jetzt in Athen automatisch auch gut. Dort ist ein anderes Stadion, ein anderer Wind, ich bin anders aufgestanden...
Was ist Ihr Ziel für die Olympischen Spiele?
Carolin Hingst:
Die Qualifikation zu überstehen. Bei den letzten internationalen Meisterschaften bin ich immer rausgeflogen. Jetzt will ich nur eins: ins Finale. Darauf konzentriere ich mich im Kopf. Diese Hürde muss ich überstehen. Die Chancen, dass ich die Qualifikation schaffe, sind aber schon groß. Alles, was danach kommt, ist die Zugabe. Ich will nicht jetzt schon träumen.
An Auftrieb und Motivation dürfte es Ihnen aber nicht mangeln...?
Carolin Hingst:
Ich bin auf alle Fälle selbstbewusst. Die anderen gehen aber auch selbstbewusst in den Wettkampf und es sind in diesem Sommer schon 18 Athletinnen 4,50 Meter und höher gesprungen. Vielleicht muss man das in Athen anbieten, um weiterzukommen. Aber ich habe in den letzten Wochen genug Selbstvertrauen dafür getankt.
In der Weltjahresbestenliste stehen Sie mir Ihren 4,66 Metern als Siebte gut da. Wie gehen Sie damit um?
Carolin Hingst:
Ich bin jetzt deshalb nicht aus dem Häuschen. Ich bin eine Athletin, die sich immer weiter verbessern möchte. Ich will mehr, mehr, mehr! Ich weiß, dass ich die nächste Höhe auch noch packen kann, wenn ich gerade eine übersprungen habe. Das ist nur eine Frage von Zeit und Geduld. Die Geduld, das muss man haben. Das habe ich in den letzten Jahren gelernt. Ich kann nicht jeden Tag Bestleistung springen. Nach meinen 4,66 Metern von Karlsruhe war ich eine Woche lang kaputt. Ich bin keine Maschine und keine Yelena Isinbayeva. Ich bin ein Mensch, da braucht man Zeit zum Verdauen.
Sie haben in der Saison auch an Ihrer Technik und Ihrem Anlauf gearbeitet. Sind Sie jetzt dort angelangt, wo Sie hinwollten?
Carolin Hingst:
So stabil, dass ich sagen kann, das läuft jetzt von alleine, ist es noch nicht. Für mich ist es sehr schwer, wenn viel Wind herrscht. Das ist meine Schwäche. Bei Rückenwind fällt mir alles einfacher.
Wie weit springen denn die beiden favorisierten Russinnen Yelena Isinbayeva und Svetlana Feofanova sowie Stacy Dragila momentan voraus?
Carolin Hingst:
Ich wollte schon bei der Team Challenge in München unbedingt gegen Stacy Dragila antreten. Aber dann war sie nicht dabei. Als ich das hörte, habe ich fast geweint. Die beiden Russinnen sind weit weg. Aber viele Springerinnen haben schon Angst vor Yelena Isinbayeva. Die kommen schon so mit ihr ins Stadion. Deshalb will ich mich vom Kopf her so einstellen, dass ich genauso eine Athletin bin, die genauso einen Wettkampf machen will und sich genauso vorne platzieren darf. Eine Yelena Isinbayeva soll sich beim Einspringen genauso hinten anstellen müssen wie alle anderen und sich nicht vorne reindrängeln dürfen.
Wie sehr beeinflussen Sie im Wettkampf die Leistungen der Gegnerinnen?
Carolin Hingst:
Ich schaue nicht so sehr auf die Konkurrenz. Im Wettkampf konzentriere ich mich auf mich selber. Ich kann nicht darüber grübeln, warum diese oder jene jetzt keine Bestleistung springt. Was die anderen machen, ist mir egal.
Stabhochsprung der Frauen bei den Olympischen Spielen: Qualifikation am Samstag, 21. August, Finale am Dienstag, 24. August.
Olympische Leichtathletik in Athen – Kompakt auf leichtathletik.de...