Carolina Klüft übt sich in Geduld
Geduld ist etwas, das Carolina Klüft (Schweden) lange Zeit nicht unbedingt brauchte. Im zarten Alter von 19 Jahren holte sie bei der EM 2002 in München ihr erstes Siebenkampf-Gold in der Erwachsenenklasse. Sechs Jahre lang gewann sie anschließend alles, was es in der Leichtathletik zu gewinnen gibt. Doch der Weg zu den Weltmeisterschaften in Berlin (15. bis 23. August), bei denen sie im Weitsprung antreten will, wird ungewohnt lang und beschwerlich für sie werden.
Schon das Jahr 2008, in dem sie sich vom Mehrkampf verabschiedete und sich auf den Weit- und Dreisprung konzentrierte, lief für die heute 26-Jährige nicht nach Wunsch. Bei den Olympischen Spielen in Peking (China) qualifizierte sie sich zwar in beiden Disziplinen für das Finale, blieb aber mit Platz neun und zwölf weit von den sonst so vertrauten Medaillenrängen entfernt.Im vergangenen Winter machte ihr dann eine Stressfraktur im linken Schienbein die komplette Hallensaison zunichte. Zwar kann sie seit Ende März wieder richtig trainieren, doch einen Start im Dreisprung hat die schwedische Rekordhalterin (14,29 m) für diesen Sommer schon früh ausgeschlossen. Und auch im Weitsprung ist sie noch nicht auf einem Leistungsniveau, das ihre Konkurrenz in Angst und Schrecken versetzten würde.
Jeder Wettkampf Teil des Lernprozesses
Mit windunterstützten 6,34 Metern und Platz fünf stieg Carolina Klüft in New York (USA) in die Sommersaison ein. Etwas besser lief es anschließend in Göteborg (Schweden), wo sie mit 6,53 Metern die erste ansprechende Weite der Saison anbieten konnte. Doch die Ergebnisse des vergangenen Freitags, an dem sie in Königs Wusterhausen an den Start ging, zeigen, dass es noch lange nicht rund läuft für die einstige schwedische Vorzeigeathletin.
„Ich bin noch nicht in Topform“, hatte sie dem erwartungsvollen Publikum schon vor dem Wettbewerb mitgeteilt, und es wurde deutlich, dass sie nicht ohne Grund tief gestapelt hatte. Nur einmal konnte sie die 6-Meter-Marke überbieten, landete mit 6,07 Metern auf Rang fünf. „Für mich ist es ein Lernprozess“, sagte sie anschließend. Die Kraft für zwei Wettkämpfe innerhalb von drei Tagen sei einfach noch nicht dagewesen. Nein, sie bereue nicht, angetreten zu sein, denn jetzt wisse sie, wie ihr Körper auf diese Belastung reagiert.
Konkurrenz ist ihr voraus
Schwierigkeiten bereiteten ihr außerdem die äußeren Bedingungen, die für die Athletinnen alles andere als ideal waren: Kühle Temperaturen und böige Winde stellten eine zusätzliche Herausforderung dar. Die Schwedin hatte Probleme, ihre Geschwindigkeit bis zum Brett zu halten - auch das eine Folge des Trainingsrückstands.
Olga Kucherenko (Russland) konnte trotzdem mit 6,71 Metern ein Glanzlicht der Veranstaltung setzen, und auch die restliche internationale Konkurrenz legte in diesem Jahr bereits bemerkenswerte Weiten vor. Angeführt von der US-Amerikanerin Brittney Reese, die Ende Mai bei 7,06 Metern landete, haben bisher insgesamt acht Springerinnen die 6,80-Meter-Marke übertroffen - unter ihnen auch Bianca Kappler (LC asics Rehlingen; 6,81 m).
Hauptziel: Berlin
Carolina Klüft reiste nach dem Meeting in Königs Wusterhausen direkt wieder zurück nach Schweden, um weiter an ihrer Form zu arbeiten. Ein kurzer Abstecher nach Berlin zum DKB-ISTAF, das zwei Tage später stattfand, kam nicht in Frage: „Als aktiver Athlet hat man keine Zeit, bei anderen zuzuschauen.“ In dieser Saison zählt für sie allein der Weitsprung-Wettbewerb bei den Weltmeisterschaften, auf den sie alle Anstrengungen konzentriert. Auch die Team-EM in Leiria (Portugal; 20./21. Juni) wird ohne die 6,97-Meter-Springerin stattfinden.
Von der überdrehten, flippigen Carolina Klüft von einst ist nicht mehr viel zu erkennen. Im Gegenteil - sie wirkt gereifter, wohlüberlegt, trifft bewusste Entscheidungen und ist ohne Zweifel ein Vollprofi. Dem Abschied vom Siebenkampf vor gut anderthalb Jahren trauert sie nicht nach, sagt sie, auch nicht dem abwechslungsreichen Training, das hätte sie jahrelang gehabt, es sei einfach genug gewesen.
Und wenn sie sich irgendwann dazu entscheidet, auch mit dem Weitsprung aufzuhören, dann wird dieser Entschluss ebenso bewusst und endgültig sein. Wann das passieren wird? Sie zuckt mit den Schultern: „Wir werden sehen.“ Sicher spielt der weitere Saisonverlauf eine nicht unerhebliche Rolle.