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Carsten Schlangen vor ganz besonderem Heimspiel

Carsten Schlangen hat ein schwieriges Jahr hinter sich. Geplagt von Krankheiten hetzte der 33 Jahre alte Wahl-Berliner vergeblich der EM-Norm über 1.500 Meter hinterher – DM-Bronze war da immerhin ein Trost. Beim ISTAF will Schlangen nun vor heimischem Publikum noch einmal zeigen, was er drauf hat. Möglicherweise zum letzten Mal auf großer Bühne.
Philip Häfner

Das ISTAF am Sonntag ist sein Wettkampf. Beim Meeting in seiner Heimatstadt werden die Zuschauer Carsten Schlangen lautstark zujubeln, auch wenn der Mann von der LG Nord Berlin wohl kaum um den Sieg mitlaufen wird.

Dafür kommen im Olympiastadion eher Ex-Hallenweltmeister Abdelaati Iguider (Marokko), Aman Wote (Äthiopien) und der Kenianer James Magut infrage, vielleicht auch noch Europameister Mahiedine Mekhissi-Benabbad aus Frankreich und der schnellste Deutsche Homiyu Tesfaye (LG Eintracht Frankfurt).

EM-Start verpasst

Schlangen wird den Applaus des Publikums trotzdem genießen, denn in dieser Saison blieb er ihm nur allzu oft verwehrt. Der Altmeister ist ins vierte Glied gerückt, überholt von Tesfaye, Florian Orth (LG Telis Finanz Regensburg) und dem nationalen Aufsteiger des Jahres, Timo Benitz (LG farbtex Nordschwarzwald).

Während dieses Trio Deutschland auch bei der EM in Zürich (Schweiz) vertreten durfte und dort geschlossen das Finale erreichte, musste Carsten Schlangen die Titelkämpfe vom heimischen Fernseher aus verfolgen. Die EM-Norm hatte er bei seinem schnellsten Rennen des Sommers beim Anhalt-Meeting in Dessau um acht Hundertstel verpasst. Dort war der 33-Jährige Anfang Juni 3:37,78 Minuten gelaufen.

Mentor von Timo Benitz

In anderen Jahren wäre man vom Deutschen Leichtathletik-Verband mit einer solchen Zeit wohl trotzdem für den Saisonhöhepunkt nominiert worden, weil kein anderer DLV-Läufer so schnell war. Diesmal aber waren drei andere Deutsche besser und bekamen den Vorzug.

Die neue Konkurrenz war eine ungewohnte Situation für Carsten Schlangen, an die sich der Hauptstadtläufer erst gewöhnen musste. Er sieht jedoch auch die positiven Seiten der veränderten Lage: „Dass vier Athleten annähernd auf demselben Niveau sind, kann bloß gut sein für den deutschen Lauf. Als derjenige, der die Szene in den vergangenen zehn Jahren dominiert hat, stimmt es mich natürlich glücklich zu sehen, dass es weitergeht.“

Ganz besonders freut er sich über die Leistungsexplosion bei Timo Benitz. „Ich begleite seinen Einstieg in den Spitzensport ein bisschen“, erzählt der Berliner. „Wir telefonieren regelmäßig und ich gebe ihm auch per E-Mail häufiger Tipps. Timo hat wirklich tolle Rennen gezeigt in diesem Jahr“, sagt Schlangen und erinnert noch einmal an dessen Sieg bei den Deutschen Meisterschaften und bei der Team-EM in Braunschweig, dort allerdings über 800 Meter.

DM-Bronze nach zäher Saison

Bei den nationalen Titelkämpfen in Ulm durfte dann auch Carsten Schlangen jubeln. Ausgelassen feierte er seine Bronzemedaille, die ihm nach schwieriger Saison eine große Genugtuung war.

„Die gesamte Saison lief sehr zäh“, sagt er. Es fing bereits mit dem Höhentrainingslager in Flagstaff (USA) an, wo sich der Vize-Europameister von 2010 eine heftige Erkältung zuzog, die ihn fast vier Wochen außer Gefecht setzte. „Bis ich wieder richtig drin war, war gefühlt schon Ende Mai“, sagt er. Die ersten Meetings waren da schon ohne ihn gelaufen, gleichzeitig hatte die einheimische Konkurrenz vorgelegt. Plötzlich stand Schlangen wieder unter dem großen Normdruck, dem er sich doch eigentlich nie wieder aussetzen wollte, nachdem er 2012 ewig dem Olympia-Richtwert hinterhergerannt war.

Im vergangenen Jahr hatte er jeden Wettkampf behandelt, als sei es ein Meisterschaftsrennen, mit Fokus zuallererst auf die Platzierung und erst danach auf die Zeit. In diesem Jahr ging das nicht. „Es wurde alles immer unter dem Aspekt Norm abgehandelt, das war sehr unspaßig“, so der 33-Jährige.

Rücktrittsgedanken

Vor zwei Jahren war er beim Meeting in Bottrop 3:33,64 Minuten gelaufen und hatte angekündigt, seine Bestleistung weiter steigern zu wollen, am liebsten gleich in Richtung 3:31 Minuten. Den Worten folgten jedoch keine Taten, weshalb es zuletzt immer häufiger Spekulationen gab, seine beste Zeit sei vorüber und ein Ende der Karriere nah.

„Diese Spekulationen sind mit Sicherheit auch nicht aus der Luft gegriffen“, sagt Carsten Schlangen. Am Ende dieser Saison will er sich überlegen, ob und wie es weitergeht. „Das Laufen macht mir nach wie vor Spaß, aber man muss eben auch den idealen Zeitpunkt finden, um aufzuhören.“

Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass sein diesjähriger Auftritt beim ISTAF auch sein letzter sein wird. Falls er die Spikes im Herbst tatsächlich an den Nagel hängt, bietet sich danach die Chance auf eine Karriere als Architekt. Sein Verein, die LG Nord Berlin, will ein neues Stadion bauen – und Schlangen selbst könnte den Entwurf beisteuern.

<link>Quelle: Leichtathletik - Ihre Fachzeitschrift

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